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Schwarzes Gold
Fluch und Segen des niedrigen Ölpreises

Öl ist so billig wie schon lange nicht mehr. Das freut diejenigen, die viel Energie verbrauchen, da sie jetzt viel Geld sparen. Das kann zum Beispiel von Verbrauchern für andere Dinge ausgegeben werden: der Konsum steigt. Ölförderländer wie Saudi-Arabien oder Russland macht der Preisverfall hingegen zu schaffen. Warum das Öl so billig ist, ist noch eine andere Frage.

Von Björn Blaschke, Stefan Wolff und Marcus Pindur | 04.02.2016
    Die Ölplattform Prirazlomnaya gehört dem russischen Energiekonzern Gazprom.
    Die Ölplattform Prirazlomnaya gehört dem russischen Energiekonzern Gazprom. (picture alliance / dpa / Alexei Danichev)
    "Achterbahn-Fahrt"; "Berg- und Tal-Bahn"; "Auf und Ab" – und zuletzt: abwärts, abwärts, abwärts. So lauten die gängigen Beschreibungen, wenn es um den Ölpreis geht. Tatsächlich ist der Preis für einen Barrel, also für 159 Liter, seit Mitte 2014 bis heute so rasant wie stetig gefallen – von 100 Dollar auf rund 30 Dollar.
    Ein solcher Preisverfall des immer noch wichtigsten Energieträgers kann, ja muss rund um den Globus die Volkswirtschaften erschüttern – das nutzt vielen, schadet aber auch vielen.
    Doch wer wirft so viel Ware auf den Markt, wenn deren Preis so darunter leidet? Im Königreich Saudi-Arabien, das als das ölreichste Land der Welt gilt, wird gepumpt, als gäbe es keinen Preisrutsch. Es wirkt so, als wollten sich die Herrscher in Riad unbedingt sehenden Auges in ihr Unglück stürzen: Sie zahlen Geld an bewaffnete Gruppen in Syrien, sie zahlen viel Geld für den Kampf gegen die Huthis im Jemen, sie zahlen für Moscheen weltweit, in denen ihre radikale Form des sunnitischen Islams gepredigt wird. Alles, was der gemeine Saudi zuhause braucht, subventionieren die Herrscher in Riad sowieso: Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Benzin - bei Steuerfreiheit für die Untertanen. Der Ölminister Saudi Arabiens, Ali Al Naimi, präsentierte sich zuletzt zwischen hilflos und unschuldig:
    Riad tut nichts, um den Ölpreis wieder steigen zu lassen
    "Im Jahr 1998 hatten die Ölpreise eine ähnliche Phase durchlaufen; sie waren wie jetzt im Keller. Saudi-Arabien hat damals über mehrere Runden Verhandlungen mit den Erdöl produzierenden Ländern außerhalb der OPEC geführt. Es ist uns damals gelungen, Einigkeit über die Produktion zu erzielen, was zur Stabilisierung der Preise führte. Aber heute ist die Situation schwierig: Wir haben versucht, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, konnten aber keinen Erfolg erzielen."
    Dabei sagen Experten, dass die Herrscher in Riad in Wirklichkeit nichts tun, um den Ölpreis wieder steigen zu lassen. Fragt sich: Warum? Größenwahn? Realitätsverlust? Die Bewertungsagentur Standard & Poor's stufte die Kreditwürdigkeit Saudi-Arabiens Ende des vergangenen Jahres zurück. Der Internationale Währungsfonds rechnet für 2016 sogar im Brutto-Inlandsprodukt mit einem Fehlbetrag von 19,4 Prozent. Noch beträgt der Staatsschatz rund 620 Milliarden Dollar. Doch was nach so viel klingt, verschwindet in Wirklichkeit rasend schnell: Allein 2015 schrumpften die saudischen Devisenreserven um 120 Milliarden Dollar.
    Abdul Rahman al-Raa'shed, der Leiter des Ibn Khaldoun-Forschungszentrums in Riad, sah Mitte vergangenen Jahres durchaus Schwächen im saudischen Wirtschaftssystem: "Die Entwicklungsstrategie der saudischen Regierung basiert auf einer Diversifizierung, also einer Streuung der Staatseinnahmen. Und hier gebe ich zu, dass es Misserfolge in Saudi Arabien gibt: Vor 30 Jahren machte der Ölverkauf nur 85 Prozent des Einkommens aus; heute sind es mehr als 90 Prozent. Das deutet darauf hin, dass das Königreich seine Strategien überdenken muss!"
    Ein Ölfeld in der Wüste Saudi-Arabiens, aufgenommen im Juni 2008.
    Der gesunkene Ölpreis bereitet Saudi-Arabien Sorgen. (picture alliance / dpa / epa Ali Haider)
    Es ist jedoch sehr gut möglich, dass die Herrscher in Riad den Ölpreis gezielt sinken lassen. Viele Beobachter sind sich einig: Geostrategisches Kalkül steckt hinterm vermeintlich irrationalen Verhalten der Saudis. Sie wollen den Erzrivalen Iran klein halten. Denn Teheran, das von schiitischen Muslimen dominiert wird, arbeitet seit Jahren daran, seinen Einfluss in der Region auszuweiten: unter den Schiiten im Libanon und im Irak; in Syrien, Bahrain und im Jemen; ja, selbst im sunnitisch dominierten Saudi-Arabien, wo allerdings gut ein Viertel der Muslime ebenfalls schiitisch sind.
    Niedriger Öl-Preisen soll den Iran zu einem unrentablen Ort machen
    Dass nun der Atomstreit des Westens mit dem Iran ein Ende fand und die damit verbundenen Sanktionen aufgehoben wurden, hat für Saudi-Arabien schwerwiegende Konsequenzen: Ausländische Firmen stehen Schlange, um in den darniederliegenden iranischen Energiesektor zu investieren. Der Iran verfügt über die weltweit viertgrößten Ölressourcen. Dazu kommt eine bildungsorientierte, ehrgeizige Jugend. Wahrscheinlich hätte Iran Saudi-Arabien ohne die Jahrzehnte währenden Sanktionen längst wirtschaftlich überflügelt. Jetzt aber kann Iran zum Aufschwung ansetzen.
    Da liegt es nahe, dass die Ökonomen in Saudi-Arabien darauf spekulieren, mit niedrigen Öl-Preisen den Iran zu einem unrentablen Ort für Investitionen zu machen. Und sei es um den Preis, dass die Saudis sich selbst schaden. Möglicherweise hofft das Königshaus schlichtweg, dass es dank seiner Devisenreserven die Ölpreisflaute durchhalten kann. Allerdings könnte diese Rechnung platzen: Die saudische Wirtschaft lahmt, viele Jobs wurden mit Ausländern besetzt. Dabei ist über die Hälfte der saudischen Staatsbürger jünger als 25 Jahre und muss, so rechnet die Beratungsfirma McKinsey, in den kommenden Jahren mit mehr als vier Millionen Arbeitsplätzen versorgt werden. Ansonsten drohen Unzufriedenheit und Unruhe im Königreich.
    Ende 2015 erstmals seit Langem wieder größere Staatsanleihen aufgelegt
    Doch Abdul Rahman al-Raa'shed, der Leiter des Ibn Khaldoun-Forschungszentrums in Riad, zeigt sich optimistisch: "Diese Krise wird dem Königreich und seiner Wirtschaft am Ende zugutekommen, weil viele Konkurrenten aussteigen werden."
    Allerdings fürchtet die Führung des Königreiches offenbar doch, dass sie sich in den zurückliegenden Jahren übernommen hat: Sie hat Ende 2015 erstmals seit Langem wieder größere Staatsanleihen aufgelegt. Ein kleines Rettungsprogramm - genau wie die offenbar angestellten Überlegungen, den staatseigenen Ölkonzern Aramco an die Börse zu bringen. Aus Aramco-Kreisen heißt es, man könne einen "angemessenen Anteil der Aktien des Unternehmens" platzieren - kurz: Geld ins Königshaus bringen.
    New York Mercantile Exchange, kurz Nymex, die größte Rohstoffbörse der Welt. Hier werden Zucker, Kakao, Metalle und sogar Uran gehandelt - und natürlich Öl. Auf dem Parkett der Nymex werden auch die Wetten auf steigende oder fallende Ölpreise abgeschlossen. Zuletzt haben die gewonnen, die auf den Preisverfall gesetzt haben. Die aktuelle Situation hat es den Spekulanten leicht gemacht. Denn in den vergangenen Monaten bestimmten ganz offensichtlich nicht nur Angebot und Nachfrage den Ölpreis. Der Ölpreis ist politisch, sagt der unabhängige Finanzexperte Chris Zwermann: "Mit großer Sicherheit, denn der Ölpreisrückgang hat sich ja intensiviert mit der Ukraine-Krise, mit den Sanktionen gegen Russland. Das heißt, an dieser Stelle war das sicherlich auch politisch bedingt, vielleicht auch mit der Hilfe von Saudi-Arabien."
    Die Warenterminbörse New York Mercantile Exchange (Nymex) in New York City. 
    Die Warenterminbörse New York Mercantile Exchange (Nymex) in New York City. (imago/UPI Photo)
    Es geht also um mehr als um den Disput zwischen Schiiten und Sunniten im Mittleren Osten. Die saudischen Herrscher am Golf sind nur ein – wenn auch wichtiger – Akteur im Kampf um den Preis und den Gewinn mit dem Öl. Dass mit Russland ein weiterer Konkurrent am Anbietermarkt geschwächt wird, liegt durchaus auch im Interesse der USA.
    Der russische Außenhandel ist fast um ein Drittel eingebrochen. Doch auch andere Länder leiden, die von ihren Rohstoffen abhängen: Venezuela ebenso wie Brasilien und von den etablierten Industriestaaten unter anderem Großbritannien und Norwegen, die Öl und Gas in der Nordsee fördern.
    Norwegen plant für die Zeit nach dem Öl
    Norwegen plant schon lange für die Zeit nach dem Öl. Die staatlichen Öleinnahmen fließen in einen Fonds, aus dem in der Zukunft unter anderem die Renten bezahlt werden sollen. Das Geld aus dem an sich schmutzigen Ölgeschäft wird dabei sogar gewaschen, denn es fließt nur in Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften. Öl, Kohle, Gas und Atom sind tabu. Die niedrigen Ölpreise belasten den Staatsfonds, erklärt Markus Güntner von der auf nachhaltige Geldanlagen spezialisierten Fondsgesellschaft Swisscanto.
    "Der norwegische Staatsfonds hat natürlich im Hinblick darauf, dass der Ölpreis verfallen ist, das Problem, dass er weniger Einnahmen hat. Aber der Bestand des Staatsfonds ist ja nach wie vor vorhanden, und dort wird nach dem Kohleausstieg in nachhaltige Unternehmen investiert. Das bleibt also beibehalten, das heißt: Das verändert sich nach wie vor positiv, denn wenn der Staatsfonds positiv wirtschaftet, sprich Zinsen, Erträge, wird er diese wieder anlegen, somit geht's weiter."
    Trotzdem schrumpfen die Einnahmen. In den ersten neun Monaten des Jahres 2015 zahlte die norwegische Regierung drei Milliarden Euro ein. In den vergangenen zehn Jahren waren es im gleichen Zeitraum durchschnittlich 18 Milliarden Euro. Wie die meisten Förder-Staaten auch, wartet Norwegen auf teureres Öl.
    Die "Schwarze Null" liegt auch am schwarzen Gold
    Wenn es allerdings nach den Ländern geht, die Öl importieren, darf die Preiswende gerne noch dauern. Zum Beispiel in Deutschland kann Finanzminister Wolfgang Schäuble sich freuen. Die Wirtschaft läuft, die Steuereinnahmen sprudeln. Da fällt es ein Stück leichter, das Lied vom ausgeglichenen Haushalt wieder und wieder zu singen - wie vor Kurzem auf einem Bankenkongress in Frankfurt: "Wir können vielleicht im nächsten Jahr ohne Defizite auskommen. Solange wir noch Spielraum haben, verteidigen wir die Null. Wenn die Null einmal weg ist, ist es viel schwerer zu verhindern, dass die Dämme einbrechen."
    Dass es die "Schwarze Null" gibt, liegt auch am schwarzen Gold. Der niedrige Ölpreis wirkt wie ein Konjunkturprogramm. Unternehmen und Verbraucher müssen für Energie weniger Geld ausgeben. Und was nicht fürs Tanken draufgeht, kann anderweitig ausgegeben werden. Der Konsum hat sich im vergangenen Jahr so stark entwickelt wie seit 15 Jahren nicht mehr. Firmen sparen Transport- und Produktionskosten. Unterm Strich bleibt mehr Gewinn hängen. Und das bedeutet mehr Steuern für den Bundeshaushalt. Dora Borbely, Energieexpertin der Deka Bank, rechnet mit einem spürbaren Wachstumsschub: "Also gerade für die Länder, die Öl verbrauchen, rechnet man damit, dass das Wachstum durch die niedrigen Ölpreise um ein paar Zehntel angestiegen sein könnte, also das schiebt auf jeden Fall das Wachstum."
    2015 ist die deutsche Wirtschaft so stark gewachsen wie seit vier Jahren nicht mehr. Das Statistische Bundesamt meldete ein Plus um die 1,7 Prozent. Wie viel genau das billige Öl dazu beigetragen hat, ist umstritten. Noch haben nicht alle Konzerne ihre Jahreszahlen auf den Tisch gelegt. So langsam wird aber klar, dass der niedrige Ölpreis hierzulande auch eine schädliche Wirkung entfaltet.
    Über kurz oder lang soll dieses Geräusch aus unserem Leben verschwinden. Der Verbrennungsmotor – ein Auslaufmodell. Seit Jahren rufen die Autohersteller das Elektro-Zeitalter aus, doch bei den aktuellen Spritpreisen scheint das Ende ferner denn je. Beim Verbraucher gefragt sind SUVs, kraftstrotzende CO2-Schleudern. Und entgegen dem aktuellen Aufruhr ums E-Auto liegt die Forschung für die Zeit nach dem Öl auf Eis, sagt Jürgen Pieper, Autoexperte beim Bankhaus Metzler:
    Ein P85 Elektrofahrzeug von Tesla am 15.03.2015 in Hamburg an einer öffentlichen Elektro- Ladestation am Hauptbahnhof.
    Elektroautos haben bei dem Benzinpreis keine Chance. (picture alliance / dpa / Foto: Markus Scholz)
    "Ich denke, auch in den letzten zwei Jahren hat man die Forschungsgelder eher zurückgefahren. Man sieht auch beispielsweise bei BMW, dass nach dem i3 und dem i8 erst einmal nichts mehr kommt. Auch da hat man die Aktivitäten klar erst einmal auf Halten gestellt. Bei all den anderen sieht das ähnlich aus. Die Zulieferer sind da teilweise wesentlich krasser noch in ihren Aussagen. Die sagen, E-Mobilität hat bislang total gefloppt, und das Ganze wird sich nicht wirklich beleben können, wenn die Benzinpreise und die Dieselpreise weiter so niedrig bleiben."
    Die Ölindustrie schnallt den Gürtel enger
    Das billige Öl lähmt die Forschung, bremst Investitionen. Das ist nicht nur bei den Autobauern so. Die Ölindustrie selbst schnallt den Gürtel enger, weil die Einnahmen nicht mehr so sprudeln wie zu Boomzeiten. Der Chemie- und Pharmakonzern BASF ist über seine Tochter Wintershall dick im Geschäft, fördert weltweit Öl und Gas und verarbeitet den Rohstoff weiter. Jahrelang bereitete das Unternehmen seinen Eigentümern viel Freude. Doch schon kleine Schwankungen beim Ölpreis haben für den Ertrag, im Fachjargon Ebit genannt, große Wirkung, wie Hans Ulrich Engel, Finanzvorstand bei BASF, erklärt: "Beim Öl gilt – nur fürs Öl-und Gasgeschäft – bei einer Veränderung um einen US-Dollar bei Brent - eine Veränderung um 20 Millionen im Ebit."
    BASF konnte die entstandenen Löcher im Ölgeschäft mit Gewinnen aus anderen Geschäftsfeldern nur zum Teil ausgleichen. Der Konzerngewinn brach um 18 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro ein. Noch härter trifft es da noch die Spezialisten, die sich ganz auf das Öl konzentriert haben. "Zum Beispiel alle Anlagebauer, die in der Energie-Produktion und Weiterverarbeitung ihren Schwerpunkt haben. Da geht die Nachfrage natürlich zurück, weil Investitionen bei so niedrigen Ölpreisen wesentlich weniger rentabel sind", sagt Stefan Schneider, Deutsche Bank.
    Ölpreis macht Fracking zu schaffen
    Noch größere Probleme haben Firmen, die noch den letzten Tropfen Öl aus der Erde pressen wollen. Beim Fracking werden Gesteinsschichten gesprengt. Chemikalien spülen die begehrten Rohstoffe heraus. Diese ökologisch umstrittene Technik lohnt nur bei hohen Ölpreisen. Hier entfalten die Ölpreise ihre positive Wirkung, sagt Markus Güntner von der Fondsgesellschaft Swisscanto: "Wenn aufgrund der niedrigen Preise die hohen Kosten für das Fracking nicht hereingeholt werden können, und deshalb kein Fracking stattfindet, ist das natürlich schon ein direkter Umweltschutz. Es müssen natürlich Alternativsysteme entwickelt werden, oder Alternativen zum Fracking entwickelt werden."
    Natürlich sieht man das in Regionen, die sich dem Fracking verschrieben haben, ganz anders. Im US-Staat Oklahoma zum Beispiel hängt einer von fünf Arbeitsplätzen direkt oder indirekt an der Ölindustrie. Und so sind auch die Steuereinnahmen abhängig von der Situation der lokalen Erdölbranche. Der rapide fallende Ölpreis hat ein großes Loch in das Budget des Bundesstaates gerissen. So groß, dass der Finanzminister von Oklahoma, Preston Doerflinger, einen Haushaltsnotstand ausrufen musste. "Wir haben ein Problem, Leute. Alle Steuerarten sinken, weil unsere wichtigste Industrie im Sinkflug ist."
    Alle Teile der öffentlichen Verwaltung und Dienstleistungen müssen Kürzungen hinnehmen. Einzelne Behörden werden geschlossen, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes werden entlassen. Lehrer müssen sich auf unbezahlten Urlaub einstellen. Im Haushalt von Oklahoma, insgesamt 7,2 Milliarden Dollar, fehlen mindestens 900 Millionen, Tendenz steigend. Niemand kann sagen, wie lange die Ölpreisflaute andauert, dementsprechend richte er sich auf Kürzungen auch in den nächsten Jahren ein, erklärt der Parlamentspräsident von Oklahoma, der Republikaner Jeff Hickman. "Ich denke, das Budgetloch könnte in diesem und nächstem Jahr sogar noch wachsen. Jetzt Panik zu entwickeln, hat keinen Zweck. Wir müssen die Situation nützen, um Dinge zu tun, die wir sonst nicht tun würden."
    Ein Fracking-Bohrturm in der Abenddämmerung. 
    Fracking-Bohrturm nahe Tunkhannoclk, Pennsylvania, USA (dpa/picture alliance/Jim Lo Scalzo)
    Doerflinger will in Zukunft einen größeren Notfonds für solche Situationen ansparen. Der Bundesstaat hat sich zu sehr auf die Einnahmen der Ölindustrie verlassen. Andere Bundesstaaten der USA wie zum Beispiel North Dakota haben große Teile der Einnahmen aus dem Fracking-Boom in einen großen Sparfonds eingezahlt, mit dem jetzt die Flaute bei den Staatseinnahmen ausgeglichen wird. Die Ölindustrie sei schon immer besonders konjunkturanfällig gewesen, sagt Finanzminister Doerflinger. "Fallende Einnahmen aus der Ölindustrie haben schon oft zu Löchern in unserem Haushalt geführt."
    Netto gesehen eine gute Botschaft für die amerikanische Volkswirtschaft
    Auch in anderen Bundesstaaten führt der sinkende Ölpreis zu sinkenden Steuereinnahmen, so in Alaska, Texas und Louisiana. Doch die amerikanischen Verbraucher freuen sich über fast halbierte Benzinpreise. Vor drei Jahren kostete die Gallone fast vier Dollar, jetzt ist sie für zwei Dollar zu haben, worauf auch Barack Obama in seiner State-Of-The-Union-Rede hinwies. "Gas under two bucks a gallon ain´t bad, either." Ein Benzinpreis von unter zwei Dollar pro Gallone sei ja wohl nicht übel, so Obama.
    Volkswirtschaftlich sind die insgesamt niedrigen Energiepreise ein Geschenk, so auch der Wirtschaftswissenschaftler Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics in Washington, DC. "Netto gesehen ist das eine gute Botschaft für die amerikanische Volkswirtschaft. Es gibt zwar in der Tat Regionen des Landes wie Texas und North Dakota, die darunter leiden. Auch die Fracking-Industrie leidet darunter. Aber das ist nur ein kleiner Teil der amerikanischen Wirtschaft. Aber es ist eine Tatsache, dass der Fall des Ölpreises, der sich ja direkt auf den Benzinpreis auswirkt, wie eine Steuersenkung auswirkt."
    Fracking ist viel konkurrenzfähiger als gedacht
    Unklar sei, was die Konsumenten mit dieser de facto Abgabensenkung machen, so Jacob Kirkegaard. "Der durchschnittliche Amerikaner kann damit mehr Geld ausgeben. Ob er sich dafür entscheidet, ist die Frage - denn viele Leute werden eher ihre Schulden abbauen. Aber insgesamt wird das gut sein für die amerikanische Wirtschaft."
    Das in den USA geförderte Öl darf nicht exportiert werden, verringert also deutlich die Abhängigkeit von arabischem Öl. Deswegen versuche die Organisation erdölexportierender Staaten OPEC mit Saudi-Arabien vornean derzeit, mit einer ungebremsten Förderungsmenge die lästige amerikanische Konkurrenz zum Aufgeben zu bringen – ohne besonderen Erfolg, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Kirkegaard. "Die Fracking-Industrie hat sich als viel konkurrenzfähiger erwiesen, bei einem sehr viel niedrigeren Ölpreis, als die Saudis oder irgendjemand sonst vorhergesagt hat. Und deshalb denke ich, dass die amerikanische Fracking-Industrie noch lange im Geschäft bleiben wird. Länger als viele Regierungen der OPEC-Staaten."