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Sicherheitsexperte zum Mali-Einsatz
"Vor Ort hat die Bundeswehr vergleichsweise wenig bewegt"

Erstmals seit 2013 sind zwölf Bundeswehrsoldaten in Mali bei einem Anschlag verletzt worden. Angesichts der korrupten Regierung fehle der internationalen Gemeinschaft ein Hebel, einen Frieden umzusetzen, so SWP-Sicherheitsexperte Markus Kaim im Dlf. Deutschland stecke in einem Dilemma, ein Rückzug sei problematisch.

Markus Kaim im Gespräch mit Jasper Barenberg |
Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Verteidigungsministerin, wird im Ausbildungszentrum der malischen Streitkräfte mit militärischen Ehren empfangen.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in Mali: Der Einsatz dort ist die derzeit gefährlichste Aufgabe deutscher Soldaten. (pa/AP/Arne Immanuel Bänsch)
Seit rund acht Jahren sind deutsche Soldaten in dem westafrikanischen Krisenstaat Mali stationiert. Die Mission gehört mit zu den gefährlichsten Einsätzen. Erst im Mai hatte der Bundestag das Mandat um ein weiteres Jahr verlängert. Als Teil der UNO-Mission Minusma übernimmt die Bundeswehr mit bis zu 1.100 Solaten unter anderem Aufklärungsaufgaben.
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Mittlerweile gab es bei dieser UNO-geführten Stabilisierungsmission mehr als 250 Tote, die meisten afrikanische Soldaten, viele Franzosen, jetzt aber sind zum ersten Mal auch deutsche Soldaten bei einem Selbstmordanschlag in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Zahl der Anschläge ist über die Jahre deutlich gestiegen, die Zahl der Gebiete, die der Kontrolle der Zentralregierung unterstehen sollten und ihr entglitten sind, wurde immer größer. Es sei nie gelungen, Stabilität zu gewährleisten angesichts von islamistischem Terrorismus, organisierter Kriminalität und Bandentum, sagte der Sicherheitsexperte Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf. Die Grenzen seien fließend.
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Zwar solle die malische Regierung befähigt werden, selbst für Sicherheit zu sorgen. Doch wenn die Regierung korrupt sei und sich ganz gut eingerichtet habe, fehlten der internationalen Gemeinschaft die Hebel, einen Frieden umzusetzen, die Effekte seien völlig perpufft. Die Bundesregierung stecke in einem Dilemma: Es sei problematisch für Deutschland, sich aus Mali zurückzuziehen. Dies würde den multilateralistischen Bekenntnissen widersprechen. Kaim sagte, er sei sehr skeptisch, was die Mission in Mali betreffe. Die UN-Mission in Mali gelte als gefährlichster Einsatz nicht nur der Vereinten Nationen, sondern auch als der gefährlichste Einsatz der Bundeswehr, sagte er im Dlf.

Deutsche Soldaten erstmals in Mitleidenschaft gezogen

Markus Kaim: Das ist für diejenigen, die das Geschäft ein bisschen enger, näher verfolgen, keine Neuheit, aber für eine breitere Öffentlichkeit ist das jetzt noch mal deutlich geworden. Die Mission, die von den Vereinten Nationen geführt wird seit 2013, gehört mit zu den gefährlichsten, wenn man alleine auf die Opferzahlen unter den Soldaten und Soldatinnen schaut, die zu beklagen sind seit 2013. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, liegt die Zahl bei mittlerweile über 250 Toten, davon die meisten afrikanische Soldatinnen und Soldaten, aber mittlerweile eben auch viele Franzosen, und jetzt ist auch zum ersten Mal Deutschland betroffen. Es hat zwar bis jetzt zwei deutsche Tote gegeben, das war aber ein Hubschrauberabsturz, ein technischer Defekt. Also zum ersten Mal sind deutsche Soldaten jetzt wirklich in Mitleidenschaft gezogen worden in Mali.

"Die Koordination mit westlichen Verbündeten ist gar nicht so einfach"

Jasper Barenberg: Wir lesen, islamistische Dschihadisten und regionale Milizen greifen malische Sicherheitskräfte an im Land, sie terrorisieren die Zivilbevölkerung, in letzter Zeit gibt es eben – dafür ist der Anschlag jetzt ja nur ein Beispiel – immer öfter auch Attacken auf die internationalen Truppen, die dort stationiert sind. Warum ist die Situation in den letzten Jahren nicht besser geworden, sondern immer schlechter?
Kaim: In der Tat, ich glaube, man muss das noch mal unterstreichen Ihren letzten Satz: Die Situation hat sich verschlechtert, nicht verbessert seit wenigen Jahren. Die Zahl der Anschläge, die von den Vereinten Nationen nachgehalten werden, ist deutlich gestiegen, und die Zahl der Gebiete, die der Kontrolle der Zentralregierung entglitten sind, wird immer größer, und, wie soll man sagen, die Aufgabe der Vereinten Nationen ist dadurch nicht einfacher geworden. Es ist nie gelungen, letztlich einen Frieden, der 2015 zwischen den Aufständischen und der Regierung geschlossen worden ist, in die Tat umzusetzen, das Waffenstillstandsabkommen zu überwachen und damit Stabilität zu gewährleisten. Häufig sind auch die Grenzen zwischen dem, was wir islamistischen Terrorismus nennen, organisierter Kriminalität und einfachem Bandentum fließend. Dementsprechend ist es häufig auch nicht so ganz einfach zu sagen, gegen wen die Minusma eigentlich vorgehen soll. Und ein Weiteres kommt hinzu: Diejenigen Kräfte, die in Mali tätig sind, ziehen in unterschiedliche Richtungen – Frankreich mit einer separaten Militärmission versucht Terrorismusbekämpfung zu machen, das darf Deutschland gemäß dem Mandat für Minusma gar nicht, dementsprechend ist auch die Koordination mit westlichen Verbündeten gar nicht so einfach.
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"Diese Regierung ist von Korruption zerrüttet"

Barenberg: Versuchen Sie noch mal, uns zu erklären, warum das so gekommen ist? Wir lernen, es sind erhebliche Truppenstärken dort zu verzeichnen, aus vielen Ländern, aus afrikanischen wie aus europäischen, sag ich jetzt mal, und wir müssen aber festhalten, keines der Ziele - Sie haben sie genannt, die Waffenruhe überwachen, für Sicherheit sorgen, für Stabilität im Land sorgen, die Bevölkerung schützen -, keines dieser Ziele ist auch nur annähernd erreicht.
Kaim: Wie so häufig stellen wir fest, dass es bei diesen Missionen ja eines lokalen Partners bedarf, und das ist die malische Regierung. Das überwölbende Ziel ist ja, diese zu befähigen, selbstständig für Sicherheit zu sorgen, also ein vergleichbares Mandat wie in Afghanistan. Wenn wir aber dann zur Kenntnis zu nehmen haben, dass diese Regierung von Korruption zerrüttet ist, als illegitim betrachtet wird, ihren staatlichen Aufgaben gar nicht mehr nachkommt und – ich glaube, so muss man das sagen - sich mit diesem Gleichgewicht von moderater Instabilität und internationaler Hilfe ganz gut eingerichtet hat, dann stellen wir fest, dass der westlichen intervenierenden Gemeinschaft, also hier den Vereinten Nationen, letztlich auch die Hebel fehlen, um wirksame Veränderungen im Land zu bewirken. Und das ist hier fast noch deutlicher mit der zweiten Mission, in die Deutschland involviert ist, mit der Trainingsmission für Sicherheitskräfte in Mali, also für Soldaten, wo man über Jahre etwa 30.000 Soldaten ausgebildet hat, aber letztlich ist der Effekt völlig verpufft.
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Das Dilemma der Glaubwürdigkeit deutscher Bekundungen

Barenberg: Es war sogar die Rede davon, dass man erst Soldaten ausbildet und trainiert, die dann eben geputscht haben die Regierung, also viel Instabilität auf der Seite des Partners, auf den man angewiesen ist, wie Sie sagen. Nun hat Frankreich ja schon eine Konsequenz gezogen und angekündigt, sie will ihr Engagement insbesondere im Antiterrorkampf grundsätzlich überdenken, da ist die Bundesregierung ja viel zurückhaltender. Die Verteidigungsministerin hat gerade erst gesagt, gerade die Trainingsmission ist von allen Vorbehalten zunächst einmal ausgenommen. Ist das der richtige Weg?
Kaim: Ich kann verstehen, weshalb die Verteidigungsministerin und auch andere Vertreter der Regierung jetzt nicht alles über Bord werfen wollen, weil es kommt ja noch ein ganz anderes Argument hinzu: Das ist die einzige Mission, wo Deutschland substanziell zu den friedenserhaltenden Missionen der Vereinten Nationen beiträgt, und Deutschland begreift sich gerade unter dieser Bundesregierung als besondere Speerspitze des Multilateralismus internationaler Organisationen und deren Effektivität. Es wäre ein, sagen wir mal vorsichtig, problematisches Signal, wenn die Bundesregierung jetzt überstürzt aus dieser Mission sich zurückzieht, weil dann natürlich andere Staaten in der internationalen Politik fragen würden, wie glaubwürdig denn die deutschen Bekundungen für Multilateralismus, für internationale Friedenssicherung, für internationales Konfliktmanagement wäre. Das ist das Gegenargument, um bei Mali auf absehbare Zeit erst mal zu bleiben, aber vor Ort hat die internationale Präsenz und damit auch die Bundeswehr vergleichsweise wenig bewirkt.
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"Legitimität des Partners vor Ort de facto gar nicht mehr gegeben"

Barenberg: Also was braucht es jetzt, letzte Frage, Herr Kaim, was braucht es jetzt, um eine Verbesserung zu erreichen?
Kaim: Da gibt’s keine einfache Antwort drauf.
Barenberg: Hab ich mir gedacht.
Kaim: Das ist eine typische Dilemmasituation, wo die Bundesregierung priorisieren muss zwischen einer Verpflichtung in der internationalen Politik - das würde dafür deutlich sprechen, in verändertem Gewande im Lande zu bleiben - und auf der anderen Seite eben die bescheidenen Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und abzuziehen. Was für das Zweite spricht, ist etwas, was Sie gerade eben angesprochen haben, dass es ja vor Kurzem den zweiten Putsch innerhalb von wenigen Monaten gegeben hat, das heißt, auch die Legitimität des Partners vor Ort, der malischen Regierung, ist de facto gar nicht mehr gegeben. Von daher bin ich sehr zurückhaltend, was den weiteren Einsatz betrifft.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.