Blauhelm-Mission
Wo der Bundeswehr-Einsatz in Mali steht

Der Einsatz im westafrikanischen Mali ist seit dem Rückzug aus Afghanistan der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Die Situation vor Ort wird wegen der schwierigen Zusammenarbeit mit der Militärjunta immer gefährlicher. Nun bereitet Deutschland den "Einstieg in den Ausstieg" vor.

    Bundeswehrsoldaten stehen an einem NH90-Hubschrauber im Camp Castor in Mali.
    Bundeswehrsoldaten stehen an einem NH90-Hubschrauber im Camp Castor in Mali (picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)
    Die Bundeswehr beteiligt sich seit Juli 2013 an internationalen Militäreinsätzen in Mali. Das Bundestagsmandat dafür wurde bis Ende Mai 2023 verlängert. Immer mehr UN-Partner ziehen sich aus Mali zurück, weil die Zusammenarbeit mit dem Militärregime des Landes inzwischen sehr schwierig geworden ist.
    Lange gab es Uneinigkeit zwischen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) über das weitere Vorgehen. Lambrecht plädierte für einen schnellstmöglichen Abzug der Bundeswehrtruppen aus Mali, Baerbock für eine Verlängerung des Einsatzes. Jetzt gibt es einen Kompromiss, der gemeinsam mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) gefunden wurde.
    Der sieht folgendes vor: Der Bundestag soll den Einsatz im Mai 2023 ein letztes Mal verlängern – danach soll die Bundeswehr das Land innerhalb der folgenden 12 Monate nach und nach verlassen. Man hofft, so noch einen Beitrag zur Sicherung der angekündigten Wahlen im Februar 2024 leisten zu können. Kritiker des Kompromisses halten das jedoch für nicht durchführbar, da die Soldatinnen und Soldaten schon jetzt fast ausschließlich damit beschäftigt seien, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen, heißt es.

    Wie ist die aktuelle Situation der UN-Mission in Mali?

    Mali mit seinen rund 20 Millionen Einwohnern hat seit 2012 drei Militärputsche erlebt. Seit dem jüngsten Putsch im Mai 2021 wird das Land von einer militärischen Übergangsregierung geführt. Das Militärregime hat sich vom Westen ab- und Russland zugewandt und macht den verbleibenden Militäroperationen die Arbeit schwer.
    Die Bundeswehr musste ihre Mission in Mali zwischenzeitlich aussetzen, weil die Militärjunta Überflugrechte für Nachschubtransporte aus Deutschland verweigerte. Zuletzt wurden auch Fluggenehmigungen für die Überwachungsdrohne Heron nicht mehr erteilt, die den Kern des deutschen Beitrages für die internationale MINUSMA-Mission ausmacht. Ziel der Mission ist es, das Land stabilisieren und die Bevölkerung vor allem vor islamistischen Milizen schützen.
    Mehrere Nationen haben bereits ihren Abzug beschlossen, darunter Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Schweden, Kanada und die Elfenbeinküste. Besonders der Abzug der Franzosen, die sogar ihre Entwicklungshilfe einstellen, hat zudem ein großes Loch in die Ausstattung der Mission gerissen. Es ist unsicher, inwieweit sich die Missionsgruppen bei einem gezielten Terror-Überfall schützen könnten.

    Warum hat Frankreich seine Truppen aus Mali abgezogen?

    In der Begründung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron hieß es dazu unter anderem: Frankreich könne nicht an der Seite der malischen Übergangsregierung engagiert bleiben, deren Strategie oder versteckten Ziele man nicht teile. Damit gemeint war unter anderem die Weigerung der aktuellen Regierung, demokratische Wahlen abzuhalten. Außerdem vernachlässige die Militärjunta den Kampf gegen islamistische Terroristen.

    Welche Rolle spielt die Bundeswehr in Mali?

    Seit dem Rückzug der Nato aus Afghanistan ist die Beteiligung an MINUSMA der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Rund 1.200 Bundeswehrsoldaten sind noch dort. Sie sind für die militärische Aufklärung zuständig. Die Beteiligung an einer EU-Ausbildungsmission hat sie mittlerweile eingestellt.
    Zwei Soldaten sind in Mali gestorben. Sie kamen 2017 beim Absturz eines deutschen Kampfhubschraubers nach einem technischen Defekt ums Leben. Am 28. Juni 2021 wurden zudem unter anderem zwölf Bundeswehrsoldaten bei einem Anschlag verletzt - drei von ihnen schwer.
    Die Bundeswehr in Mali: Karte der Einsatzgebiete und Nachbarländer
    Die Bundeswehr in Mali: Karte der Einsatzgebiete und Nachbarländer (picture-alliance / dpa / Bundeswehr)
    Angesichts des Rückzugs mehrerer Partnerländer sah Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) der Zukunft des deutschen Einsatzes zuletzt skeptisch entgegen - auch in Bezug auf die Sicherheit. Da es in Mali immer wieder zu Anschlägen kommt, sei das Risiko, dass Soldatinnen und Soldaten zu Schaden kommen, groß. Zudem will man ein zweites Afghanistan vermeiden, wo die Bundeswehr überhastet abziehen musste, weil man sich ohne die Amerikaner nicht schützen konnte. Dazu kommen grundsätzliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Einsatzes, weil die Sicherheitslage sich eher verschlechtert denn verbessert hat.
    Seit April 2013 haben sich die Einsatzorte der Bundeswehr im Land gewandelt: So waren deutsche Soldaten und Soldatinnen in Mali insgesamt an drei Standorten stationiert: Gao, Bamako und dem Flughafen. Ein Teil des deutschen Kontingents war außerdem im benachbarten Niger auf einem Lufttransportstützpunkt untergebracht und organisierte von dort aus den Transport und die Verwundetenversorgung. Der Standort ist einer der Sektor-Hauptquartiere der G5-Sahel-Einsatztruppe in Niger, Tschad und Mauretanien.
    Am 20. Mai 2022 hatte der Bundestag für eine Verlängerung des Bundeswehrmandats in Mali um ein weiteres Jahr gestimmt. Damit wurde auch eine Rückzugsklausel verabschiedet, da wegen des angekündigten Rückzugs der französischen Einheiten zu diesem Zeitpunkt mehrere Fragen ungeklärt waren, darunter auch der weitere Schutz der Mission mit Kampfhubschraubern.

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    Bundesverteidigungsministerin Lambrecht setzte den Einsatz der Bundeswehr Mitte August wegen der wiederholt verweigerten Überflugrechte aus. Die Bundeswehr charterte schließlich eine zivile Maschine für die überfällige Truppenrotation. Auch für den Flug zwischen der Hauptstadt Bamako und dem Feldlager am Rande des Flughafens in der Stadt Gao wurden zivile Maschinen eingesetzt.

    Welche Folgen könnte ein deutscher Rückzug aus Mali haben?

    Dramatische Folgen, erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die als bis dahin einzige westliche Ministerin im Frühjar 2022 unmittelbar mit der Militärregierung vor Ort gesprochen hat. Sie warnte vor einem "Dominoeffekt, der die Mission im Ganzen schwer treffen würde und zwar nicht nur für die westlichen Truppensteller, sondern auch für Truppensteller aus Bangladesch, Sri Lanka, Nigeria oder dem Senegal".
    Baerbock betont immer wieder, wie strategisch wichtig die Sahel-Region ist. Die Menschen vor Ort bräuchten Stabilität - auch, um die nächsten Wahlen vorzubereiten. Baerbock will außerdem zeigen, dass Deutschland ein verlässlicher Partner ist und keine Lücke für die Russen lassen, die ihren Einfluss in Mali weiter ausbauen könnten, wenn weitere westliche Länder gehen. Fraglich ist dann auch, inwieweit Entwicklungshilfe-Aktionen noch einen sicheren Boden hätten.
    Unmittelbar betroffen von einem Bundeswehr-Rückzug wären vor allem europäische Partner: Belgien, Estland, Irland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz sind bei ihren kleineren Beteiligungen an dem MINUSMA-Einsatz existenziell von deutschen Transport, Logistik und Sicherungskapazitäten abhängig.

    Wie ist generell die Sicherheitslage in Mali?

    In Mali hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Tausende Zivilisten wurden Opfer von Gewalt, bewaffnete islamistische Gruppen bringen immer mehr Gebiete unter Kontrolle, hinzu kommen blutige Konflikte zwischen unterschiedlichen Volksgruppen und zwei Militärputsche seit 2020. Im August 2020 putschte das Militär gegen den gewählten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta. Auf Druck der internationalen Gemeinschaft sowie des westafrikanischen Wirtschaftsbündnisses ECOWAS wurde im Januar 2021 eine zivile Übergangsregierung unter Präsident Bah N'Daw und Premierminister Moctar Ouane eingesetzt. Die wurde allerdings im Mai 2021 durch einen international heftig kritisierten erneuten Putsch entmachtet.
    Armee-Oberst Assimi Goïta, der die Putschisten in beiden Fällen anführte, wurde vom Verfassungsgericht zum Übergangspräsidenten erklärt. Bei seiner Vereidigung am 7. Juni 2021 gab er eine Garantie ab, dass Mali zur Demokratie zurückkehren werde. Er hatte wiederholt versprochen, dass die angekündigten Wahlen im Februar 2022 stattfinden sollen, dieses Versprechen wurde aber nicht eingelöst. Im Juni 2022 kündigte das malische Militär dann an, bis Ende 2024 Wahlen abhalten und die Macht anschließend an eine zivile Regierung abgeben zu wollen.
    Westafrikanische Länder verurteilten die Machtübernahme der Militärs in Mali scharf. Das wichtige Wirtschaftsbündnis ECOWAS setzte die Mitgliedschaft Malis aus, verhängte aber keine Wirtschaftssanktionen.
    Die Sicherheitslage in der gesamten Sahelzone, die sich südlich der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer erstreckt, ist prekär. Etliche bewaffnete Gruppen sind dort aktiv. Einige haben den Terrorgruppen "Islamischer Staat" (IS) oder Al-Kaida die Treue geschworen. Mali steht dabei im Zentrum der Terrorismusbekämpfung in Westafrika. Die Instabilität der Region hat unter anderem auch einen direkten Einfluss auf die Migration Richtung Europa.

    Welche Rolle spielt Russland in Mali?

    Die Putschisten-Regierung löst sich mehr und mehr vom Westen und auch von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und wendet sich stattdessen Russland zu. Zwischen dem von Präsident Wladimir Putin regierten Land und den Vertretern der Militärjunta um Interimspräsident Goïta gibt es schon lange enge Verbindungen: Zahlreiche der Putschisten sind in Russland militärisch ausgebildet worden – einige Minister der Übergangsregierung studierten in Moskau.
    Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen Europa und Mali versucht Russland seine Beziehungen zu dem westafrikanischen Staat weiter auszubauen. Unter anderem sprach Präsident Putin mit Goïta über mögliche Lieferungen von Lebensmitteln, Dünger und Treibstoff, wie der Kreml mitteilte.
    In den vergangenen Jahren hat sich Russland nach Angaben des Friedensforschungsinstituts SIPRI bereits zum größten Waffenlieferanten für Afrika entwickelt. An Mali seien unter anderem AK-47-Sturmgewehre, Kampfhubschrauber und Panzer geliefert worden. Gezahlt wird mit finanziellen Zugeständnissen und Bergbaukonzessionen, durch die Russland seinen Einfluss auf dem afrikanischen Kontinet ausdehne, so SIPRI.
    Vermutungen, dass der Krieg in der Ukraine Russlands Mali-Strategie verändern könnte, haben sich vorerst nicht bestätigt. Im Gegenteil: Seit dem Abzug der französischen Soldatinnen und Soldaten haben russische Kräfte die Kasernen übernommen, die Frankreich hinterlassen hat. Gleiches gilt für den Flughafen von Gao, von dem das deutsche Feldlager nur einen Kilometer entfernt ist.
    Mit der deutlich sichtbareren Präsenz russischer Truppen hat sich die Zusammenarbeit zwischen der militärischen Übergangsregierung und der MINUSMA-Mission verschlechtert. Zugleich betont die malische Regierung immer wieder, die UN-Mission sei weiterhin willkommen. Zuletzt tat dies etwa Außenminister Abdoulaye Diop Mitte Juni In einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat.

    Warum wächst die Kritik an der UN-Mission?

    Unter anderem die russlandfreundliche Bewegung „Yerewolo debout sur les remparts“ fordert den Abzug der UN-Mission. Sie macht die ehemalige Kolonialmacht Frankreich für den islamistischen Terror in Mali verantwortlich und bezeichnet auch die UN-Truppen als Besatzer. Zugleich wirft sie der MINUSMA vor, die Bevölkerung nicht ausreichend vor dem islamistischen Terror zu schützen. Geschürt wird die Haltung möglicherweise durch gezielte russische Propaganda im Internet.
    Tatsächlich hat sich die Sicherheitslage laut dem Soziologe Fodie Tanzigoura mit Beginn der russischen Präsenz rasant verschlechtert. Die Zahl der schweren Menschenrechtsverletzungen habe um fast 50 Prozent zugenommen. Russische Truppen sollen zum Teil äußerst brutal vorgehen und Verdächtige kurzerhand töten, malische Sicherheitskräfte und die Islamisten sollen ähnlich vorgehen. Leittragende ist die Zivilbevölkerung, die immer mehr Opfer zu beklagen hat. Vor diesem Hintergrund wächst in der Bevölkerung tatsächlich der Unmut, weil die UN-Mission dies nicht verhindert.
    Quellen: Stephan Detjen, Ann-Kathrin Büüsker, Bundeswehr, Französisches Verteidigungsministerium, dpa, AFP, epd, pto, uwe, ww, og