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NATO-Streit mit Russland
"Dialog in jedem Falle aufrecht erhalten"

Der ehemalige NATO-General Egon Ramms sieht die Beziehungen zu Russland nicht an einem Wendepunkt. Die Entscheidung, russische Akkreditierungen zu entziehen, sei angemessen und "nicht wahnsinnig dramatisch". Wichtig sei es, dass man den Dialog mit Russland weiterführe, sagte Ramms im Dlf.

Egon Ramms im Gespräch mit Peter Sawicki |
    Egon Ramms in einer Aufnahme von 2011.
    Anders als der britische Außenminister Boris Johnson sieht der ehemalige Nato-General Egon Ramms (im Bild) die Beziehungen zu Russland an keinem Wendepunkt (imago/Rainer Unkel)
    Peter Sawicki: Wohin führt der diplomatische Schlagabtausch zwischen EU, NATO und Russland und welche Folgen könnten die heutigen Maßnahmen aus Brüssel haben? Darüber sprechen wir mit dem General a.D. Egon Ramms. Er war früher Oberbefehlshaber einer Einheit der NATO. Schönen guten Abend!
    Egon Ramms: Guten Abend, Herr Sawicki.
    Sawicki: Boris Johnson, der britische Außenminister sagt, das Ganze ist jetzt ein Wendepunkt in den Beziehungen zu Russland. Hat er recht?
    Ramms: Das würde ich so noch nicht sehen. Es wird sich weiter zeigen müssen, wie sich der Fall Skripal entwickelt. Ich glaube zwar, dass man sich auf die britische Polizei, den britischen Geheimdienst und die Terrorermittler verlassen kann. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Terrorermittler und der britische Geheimdienst die Premierministerin in die falsche Richtung geführt haben. Von daher glaube ich schon, dass an den Vorwürfen mit Blick auf den Anschlag gegen Skripal und seine Tochter eine ganze Menge dran ist. Ich würde das aber noch nicht so hochhängen, dass ich sagen würde, die Beziehungen zu Russland ändern sich fundamental.
    Nato hat angemessen reagiert
    Sawicki: Lassen Sie uns auf die Vorwürfe und den Stand der Ermittlungen gleich noch mal eingehen. Aber hat die NATO aus Ihrer Sicht angemessen reagiert?
    Ramms: Die NATO ist genauso wie die Europäische Union eine Wertegemeinschaft von liberalen Demokraten, die sich an Menschenrechte, die sich an die Grundreche und vergleichbare Grundlagen halten, und ich sehe das so, dass die NATO mit der Entscheidung, die heute getroffen worden ist, sieben Akkreditierungen zu entziehen und drei neue nicht zuzulassen, sich letztendlich in diese Solidargemeinschaft, die sich ja auf Anregung Großbritanniens in der EU bereits gebildet hatte, angeschlossen hat.
    Sawicki: Also angemessen aus Ihrer Sicht?
    Ramms: Jawohl!
    Sawicki: Trotzdem bleibt ja festzuhalten, dass in der EU auch nicht alle sich daran beteiligt haben. Also teilweise Solidarität, wenn man so will?
    Ramms: Ja, wobei das bei der NATO nach meinem Dafürhalten anders aussieht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Generalsekretär Stoltenberg vor die Kameras gegangen ist, diese zurückgezogenen Akkreditierungen ausgesprochen hat, ohne sich vorher im NATO-Rat und bei den Botschaftern der NATO-Länder entsprechend rückzuversichern.
    "Arbeiten weiter an Vorbereitung für NATO-Russland-Rat"
    Sawicki: Schauen wir mal auf die praktischen Konsequenzen daraus. Das sind jetzt einige Diplomaten, die da ausgewiesen sind. Was bedeutet das jetzt für die Arbeitsebene zwischen NATO und Russland?
    Ramms: Wir reden von der russischen Vertretung bei der russischen Botschaft - so würde ich das bezeichnen - bei der NATO. Um dieses deutlich zu machen: Es handelt sich um Personal, welches im überwiegenden Teil Diplomaten sind. Einige von ihnen werden wahrscheinlich auch dem russischen Geheimdienst zuzuordnen sein, was ja nicht verboten ist. Man kann ja in anderen Ländern sich umsehen, gar keine Frage.
    Die Arbeitskapazität dieser Einrichtung wird jetzt gesenkt werden, ich sage mal, auf zwei Drittel von dem, was sie vorher gehabt hat. Man hatte 30 und 30 sind auch die erlaubte Obergrenze für diese russische Botschaft, und es werden jetzt 20 die Arbeit weitermachen können. Wobei man da auch wieder im Hinterkopf wissen muss, dass nicht alle 20 Zugang zum NATO-Hauptquartier haben.
    Sawicki: Also gar keine so scharfe Maßnahme?
    Ramms: Ich betrachte das noch nicht als wahnsinnig dramatisch. Mich hat vor allem einigermaßen beruhigt jetzt aus der Position der NATO, dass der Generalsekretär gesagt hat, wir arbeiten weiter an der Vorbereitung des nächsten NATO-Russland-Rates. Von daher, sage ich mal, gehen die Geschäfte weiter. Es wird jetzt von Russland auch abhängen, ob man diese Vorbereitung für den NATO-Russland-Rat entsprechend weiter vorantreibt.
    Sawicki: Was schätzen Sie? Wird sich Russland jetzt darauf einlassen?
    Ramms: Es könnte sein, dass Russland hier wie schon in vergangenen Jahren - Stichwort Krim-Krise, Stichwort andere Ereignisse, die wir mit Russland gehabt haben, die von Russland nicht so begrüßt worden sind -, dass die Russen dann von ihrer Seite anfangen, auf die Bremse zu treten.
    "Dialog in jedem Falle aufrecht erhalten"
    Sawicki: Was bedeutet das dann für die Zusammenarbeit mit Russland insgesamt, weil es gibt ja Themen, bei denen man mit Russland zusammenarbeiten will und muss - Stichwort Syrien, Stichwort Iran. Wird das damit noch mal schwerer?
    Ramms: Die Zusammenarbeit wird mit Sicherheit durch diese Umstände, die wir jetzt haben, durch die ganze Affäre nicht erleichtert werden. Wenn der Wille auf beiden Seiten besteht, angefangen von den USA bis zum letzten europäischen Staat, der Sanktionen beziehungsweise Ausweisungen ausgesprochen hat, wenn der Wille zur Zusammenarbeit besteht, kann das Geschäft wie normal weitergehen. Das ist abhängig von beiden Seiten.
    Den Eindruck, den ich zurzeit habe, sowohl von der Europäischen Union als auch von Seiten Deutschlands und von Seiten der NATO, ist der, dass man den Dialog in jedem Falle aufrecht erhalten muss. Syrien, Sie haben es gesagt, Iran, möglicherweise auch die Einsätze der Türken im nordsyrischen, möglicherweise demnächst auch nordirakischen Raum, verlangen den Dialog, der weiter fortgeführt werden muss.
    "Quellen müssen geschützt werden"
    Sawicki: Ist es dann aber nicht verheerend, wenn gerade in diesen Feldern möglicherweise Gesprächskanäle beschädigt sind aufgrund dieser Auseinandersetzung?
    Ramms: Welche Alternative haben wir? Sollen wir über das, was die Russen, wahrscheinlich die Russen mit Herrn Skripal und seiner Tochter gemacht haben, hinwegsehen und sollen wir damit letztendlich Verstöße gegen internationales Recht und Menschenrecht billigen? Das ist die Alternative dazu. Einfach die Augen schließen und nichts sagen geht auch nicht.
    Sawicki: Nun ist es aber auch so, dass Großbritannien die Beweise, von denen sie sprechen, bisher nicht öffentlich gemacht haben. Das kritisieren ja viele auch innerhalb der EU. Wird es Zeit, dass Großbritannien da jetzt mit offenen Karten spielt?
    Ramms: Ich kann mir gut vorstellen, dass Theresa May bei der entsprechenden Sitzung der Staats- und Regierungschefs bei der EU in der vergangenen Woche Klartext gesprochen hat. Nur das geht dann auch wieder unter geheim, so dass die Staats- und Regierungschefs, die möglicherweise mehr Informationen haben als Sie und ich, nicht in der Lage sind, über diese Sachen in der Öffentlichkeit zu reden. Das ist auch wohl begründet.
    Sawicki: Nicht in der Lage, oder nicht willens?
    Ramms: Nicht in der Lage sind, weil das von Großbritannien in der Bekanntgabe geheim eingestuft wird. Dann darf ich als entsprechender Verbündeter oder entsprechender Partner in der Europäischen Union über diese Dinge nicht anfangen zu reden. Solche Informationen, wenn sie von Geheimdiensten kommen, kommen aus Quellen und diese Quellen müssen geschützt werden. Sonst passiert ihnen möglicherweise dasselbe wie Herrn Skripal.
    Sawicki: Aber müsste Großbritannien nicht selber einfach konkreter in der Öffentlichkeit benennen, was Sache ist?
    Ramms: Das ist schwierig. Das ist schwierig, einfach aus dem Grund, weil sie häufig aufgrund von Informationen und Hinweisen, die dort dann gehandelt werden, auch in die Öffentlichkeit getragen werden, von der anderen Seite her Rückschlüsse ziehen können, von wo diese Informationen stammen.
    "Großbritannien steht mächtig unter Druck"
    Sawicki: Braucht es nicht aber mehr Transparenz, um die eigene Glaubwürdigkeit zu unterstreichen?
    Ramms: Ich gebe Ihnen vom Grundsatz her recht, wobei ich diesen besonderen Fall vielleicht ein bisschen anders gewichte, als es der normale Bürger bei uns im Lande tut. Ich bin für Offenheit und für Transparenz und ich bin auch davon überzeugt, dass diese Offenheit und Transparenz dann hergestellt wird, wenn damit kein Risiko für andere Personen und für weitere Personen mehr verbunden ist.
    Sawicki: Und was passiert, wenn die Beweise als nicht stichhaltig genug angesehen werden, auch teilweise in der Europäischen Union, wenn sie dann auf dem Tisch liegen?
    Ramms: Dann müsste die Europäische Union und auch die anderen Staaten, die Diplomaten ausgewiesen haben, diese Ausweisungen zurücknehmen, was - ich sage das mal - ein fürchterlicher Schaden dann für das gesamte Vorgehen dieser Staaten wäre.
    Sawicki: Also Großbritannien steht schon gewissermaßen unter Druck?
    Ramms: Großbritannien steht mächtig unter Druck, nachdem man die Sache von der britischen Seite her so hochgefahren hat, bis auf die Ebene der Staats- und Regierungschefs, bis in die Europäische Union rein, wo die Briten ja, ich sage mal, zurzeit beginnen, ihren Abschied vorzubereiten, bis in die NATO hinein. Das wäre ein Gesichtsverlust für Großbritannien. Der hätte ein immenses Ausmaß.
    Sawicki: Der frühere NATO-General Egon Ramms heute Abend bei uns im Deutschlandfunk. Wir haben das Gespräch kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.