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Syrien
Lübecker Container-Krankenhaus für das zerstörte Homs

Die 31-jährige Architektin Sarah Friede aus Lübeck wollte sich eigentlich beruflich mit der Sanierung von Altbauten beschäftigen. Doch dann kam ihr die Idee für ein Krankenhaus, gebaut aus Modulen und Containern, das die Hilfe in Krisengebieten revolutionieren könnte. Eines der ersten Hospitale könnte schon bald im syrischen Homs errichtet werden.

Von Johannes Kulms |
    Zerstörung in Homs, hier am 28. März 2015
    Ein Weg, den Menschen im zerstörten Homs zu helfen: Die Errichtung eines Krankenhauses in Containerschnellbauweise. (dpa / picture-alliance / Ygor Lotsman)
    Das Modell befindet sich in einem nüchternen Büro der Lübecker Fachhochschule. Es vermittelt einen Eindruck, welche Form und welche Voraussetzungen ein solches Krankenhaus haben muss, um in einer apokalyptischen Umgebung wie in Syrien -aber auch in anderen Krisenregionen dieser Erde - errichtet zu werden.
    "Das Gebäude hat ein bisschen was burghaftes. Es sind sieben Geschosse. Das ist erst mal ziemlich mächtig und groß, noch knapp unter der Hochhauslinie, wenn ich das so sagen darf."
    Sarah Friede hat sich das ausgedacht. Die 31-jährige Architektin hat das Gebäude in knapp zwei Monaten geplant und als Modell gebaut. Eigentlich wollte die Mutter zweier Kinder in ihrer Abschlussarbeit etwas anderes machen – und auch nach dem Ende ihres Studiums dachte sie eher an die Sanierung von Altbauten. Doch dann war da dieses Thema. Und Sarah Friede nahm die Herausforderung an.
    Eine Oase im Bürgerkrieg
    Das entworfene Krankenhaus soll Platz haben für 400 Betten. Dank der besonderen Modulbauweise soll die eigentliche Bauphase nur wenige Monate dauern – und das Gebäude doch mindestens drei bis fünf Jahrzehnte stehen.
    Die äußere Fassade des Krankenhaus-Modells wirkt etwas klotzig. Ganz anders die Innenhöfe. Hier sollen Grünflächen Rückzugsraum schaffen – und den Patienten Erholung bieten:
    "Also, wenn man sich jetzt die zerstörten Teile von Homs anguckt, dann hat das schon etwas wüstenartiges. Dort ist nicht mehr viel. Und wenn man jetzt so ein Bild schaffen würde und dieses Gebäude ransetzen würde, ist das schon ein bisschen eine Oase."
    Ein Krankenhaus, das intakt ist, allen Patienten Schutz bietet und das in einem Land, das mittendrin ist in einem Bürgerkrieg. Um sich das vorzustellen, bedarf es doch einiges an Fantasie an diesem trüben Herbstnachmittag in Lübeck. Schließlich werden in Syrien immer wieder die Krankenhäuser selbst zur Zielscheibe!
    Das weiß auch Oliver Rentzsch. Der Professor für internationale Gesundheitswissenschaften sitzt neben Sarah Friede. Er hat die Idee vom neuen Typus eines Krisen-Krankenhauses mitgebracht von seinen Reisen nach Syrien für die WHO. Zuerst hatte er einem Kollegen an der Fachhochschule davon erzählt.
    "Und er sagte spontan: Ja, das machen wir! Dann kam sehr schnell Frau Friede mit auf den Zug, die es am Ende des Tages ja auch gemacht hat. Und wir eine Lösung haben wollten, die schon gewisse Kriterien erfüllt. Das ist nicht einfach nur ein Krankenhausbau, das ist nichts Besonderes. Sondern die Rahmenbedingungen in Krisengebieten, die machen es besonders:
    Schnell zu bauen, an die lokale Kultur angepasst, also, dass es auch akzeptiert wird, lokal erstellbar, also nicht irgendwo im Ausland gebaut und dann da hin transportiert und eben auch kostengünstig, das ist eine zwingende Voraussetzung. Weil die Menge an Dingen, die dort getan werden muss, ist so groß, dass man diese Flexibilität braucht."
    Auf Flexibilität kommt es an
    Der Entwurf von Sarah Friede stoße auf große Resonanz bei der UNO wie auch der syrischen Regierung, sagt Rentzsch. Sie hat besondere örtliche Bedingungen aufgenommen: Größere Zimmer für die Patienten, weil sich dort oft ganze Familien aufhalten. Weniger Büros als in deutschen Kliniken, auch die Einkaufsmöglichkeiten fallen weg. Der Entwurf bringt Modulbauweise und Containerbauweise zusammen. Das heißt: Die Räume sind bereits fast fertiggestellt, bevor sie in das Gebäude eingesetzt werden – manche könnten sogar bereits davor möbliert werden, sagt Friede.
    "Deswegen haben wir ein einheitliches Modul entwickelt, das für uns die optimalen Abmessungen hat, die dann eben sich auch in dieser Entwurfsplanung bestätigt haben. Und es ist halt ein einheitliches Maß, dadurch können wir in Masse produzieren, immer mit dem gleichen Außenmaß, das dann hier ein Flächenmaß von drei mal sechs Metern hat. Und das ist so lang wie zwei Mal breit und damit ist es unglaublich flexibel kombinierbar. Es lassen sich Gebäude unterschiedlichster Größe erstellen. Man kann damit auch wunderbar Anbauten oder Aufstockungen realisieren."
    Ein Krankenhaus nach diesen Plänen - das ließe sich nicht nur in Syrien errichten. Ebenso im Irak oder möglicherweise auch im Jemen. Davon ist Oliver Rentzsch überzeugt. Der erste Bau soll in der syrischen Stadt Homs entstehen. Die Verhandlungen mit dem syrischen Innenminister und dem Gesundheitsminister seien gut verlaufen.
    "Eine Regierung hat immer das Sagen im Land. Das ist einfach eine Tatsache. So und die WHO ist unterstützend in diesem Bereich tätig, deswegen müssen Sie mit den lokalen Verantwortlichen darüber reden- Sie können ja nicht einfach ein Krankenhaus dahin bauen!
    Deswegen ist meine Aufgabe, das zu besprechen. Und die Bedingungen zu formulieren und die Rahmenbedingungen abzustimmen. Das ist letztendlich so eine Art Kümmerer."
    Natürlich ist sich Rentzsch bewusst darüber, dass eine solche Unterstützung auch Gefahren mit sich bringt. Ähnlich wie bei der Lieferung von Arzneimitteln in Krisengebiete könne man nie ganz sicher sein, was am Ende mit ihnen passiere. Bekommen in Homs bald wirklich alle Menschen eine Behandlung?
    "Eins muss klar sein: Wenn ein solches Projekt politisch missbraucht wird, indem eine Partei im Konflikt ausgeschlossen wird, und zwar egal von welcher Seite, ist für uns dieses Projekt zu Ende. Weil dann sind wir in der Politik und in der haben wir nichts zu suchen."
    Das Risiko will er eingehen, er will die Menschen in Syrien nicht alleine lassen. Wenn er Ende des Jahres zurück im Bürgerkriegsland ist, sollen alle wichtigen Entscheidungen fallen. In zwei Jahren könnte das erste Krankenhaus stehen.