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Syrien
Rotes Kreuz warnt vor Katastrophe in Aleppo

In Syrien leben etwa eine halbe Millionen Menschen in belagerten Städten. Ende Februar ist für Aleppo eine Waffenruhe in Kraft getreten, doch die ist brüchig. Das Internationale Rote Kreuz warnt davor, dass die Gefechte rund um Aleppo zu einer Katastrophe führen könnten.

Von Sabine Rossi |
    Menschen versuchen am 28.04.2016 in Aleppo (Syrien) Opfer unter den Trümmern eines Luftangriffs von der Nacht zuvor zu bergen. Bei dem Angriff wurde auch ein Krankenhaus schwer getroffen und mindestens 30 Menschen getötet.
    Menschen versuchen am 28.04.2016 in Aleppo (Syrien) Opfer unter den Trümmern eines Luftangriffs von der Nacht zuvor zu bergen. (dpa / picture alliance / Hadi Alabdallah)
    Mit Taschenlampen und bloßen Händen suchen die Helfer in den Trümmern. Ein Mann trägt den leblosen Körper eines kleinen Mädchens zu einem der eilig herbei geschafften Autos. Das Gesicht des Mädchens ist grau vom Staub und rot vom Blut. Einem anderen Mann versagt die Stimme.
    In der Nacht war das Krankenhaus, das vom Internationalen Roten Kreuz und von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen unterstützt wird, im Osten der Stadt Aleppo angegriffen worden. Zahlreiche Patienten, Ärzte und Krankenpfleger starben. Mitarbeiter sagen, dass mindestens ein Luftschlag das Gebäude getroffen hat. Ärzte ohne Grenzen und das Rote Kreuz verurteilen den Anschlag. Die syrische Regierung weist die Verantwortung zurück.
    Zunehmende Kämpfe
    Jan Egeland, bei den Vereinten Nationen zuständig für humanitäre Fragen in Syrien, zeigt sich mit Blick auf die zunehmenden Kämpfe in Aleppo und in anderen Landesteilen besorgt.
    "Während die Menschen verbluten, können die Helfer ihrer Arbeit nicht nachgehen, denn auch sie werden angegriffen. Die UN haben in den vergangenen Tagen zwei Konvois nach Homs geschickt. Einer wurde von einer Granate getroffen, der andere musste immer wieder anhalten, denn die Gegend war unter Beschuss. Wir werden unseren Plan nicht einhalten können und alle Menschen in Syrien erreichen."
    Etwa eine halbe Million Menschen in Syrien leben in belagerten Städten. Sie erhalten nur unregelmäßig Lebensmittel. Viele haben kein sauberes Trinkwasser, und es fehlen Medikamente. Dass diese Menschen Hilfe erhalten, war eine der Bedingungen, an die die syrische Opposition ihre Teilnahme an den Verhandlungen in Genf geknüpft hat.
    Das Internationale Rote Kreuz warnt davor, dass die Gefechte rund um Aleppo zu einer Katastrophe führen könnten. Die Lebensmittel und Medikamente gingen bald zu Ende, sagt der Büroleiter des Roten Kreuz in Aleppo, und Nachschubwege seien abgeschnitten.
    Brüchige Waffenruhe
    In Aleppo ist die Waffenruhe, die Ende Februar in Kraft getreten ist, seit Langem brüchig. Die syrische Regierung und die mit ihr verbündete russische Luftwaffe nehmen nach eigenen Angaben Kämpfer ins Visier, die von der Feuerpause ausgenommen sind. Dazu gehören die Nusra-Front, der syrische Ableger von Al-Qaida und die Terrororganisation IS. In und um Aleppo lassen sich jedoch kaum klare Grenzen ziehen, welche bewaffnete Gruppe wo aktiv ist.
    Immer wieder werden Zivilisten getötet – ein Grund, warum sich die Opposition aus Genf zurückgezogen hat. Ob sie wieder kommt, ist offen. Jan Egeland ruft wie sein Chef – der UN-Sondervermittler für Syrien – die internationale Gemeinschaft auf, den Friedensprozess für Syrien nicht scheitern zu lassen.
    "Der Strang, an den Hundertausende, wenn nicht Millionen Menschen ihre Hoffnung auf Besserung geknüpft haben, könnte gerissen sein. Lässt er sich reparieren. Ja, denn es erinnert mich an den Jahresbeginn, als es genauso schlimm war wie jetzt, mit Bombardierungen überall. Deshalb lautet der Appell des UN-Sondergesandten De Mistura an die USA, Russland und alle, die den Friedensprozess für Syrien unterstützen: "Was ihr einmal geschafft habt, könnt ihr wieder schaffen." Diesmal steht noch mehr auf dem Spiel, dann die Menschen haben noch weniger, um eine weitere Krise zu überstehen."