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Terror in Paris
Der Angst trotzen, die Trauer verarbeiten

Die Ermittlungen zu den Anschlägen von Paris laufen noch, dennoch gibt es schon Forderungen nach Konsequenzen. Der französische Innenminister spricht über strengere europäische Kontrollen und Regeln, Ex-Präsident Sarkozy will mutmaßliche Gefährder direkt festsetzen und der Chef der Sozialisten ist für einen "totalen Krieg" gegen den IS.

Von Burkhard Birke | 16.11.2015
    Viele Franzosen gedachten der Opfer der Anschläge vor der Kathedrale Notre Dame in Paris am 15.11.2015.
    Viele Franzosen gedachten der Opfer der Anschläge vor der Kathedrale Notre Dame in Paris. (picture alliance / dpa / Vladimir Pesnya)
    Der Angst trotzen, die Trauer verarbeiten. Sie singen voller Inbrunst die Nationalhymne und rufen: L'amour plus forte que la haine - Die Liebe ist stärker als der Hass. Frankreichs Hauptstadt sucht trotz Staatstrauer bis Dienstag den Weg zurück in die Normalität und wird doch auch von Panik heimgesucht wie am Abend am Platz der Republik. Schulen, Museen, Theater und Kinos werden wieder öffnen, während die Regierung 10 000 Soldaten mobilisiert. Frankreich befindet sich im Krieg gegen den Terror. Der Feind ist der Islamische Staat. Ihm galten die Luftschläge am Abend und werden weitere gelten: Der IS soll vernichtet werden, diese Demarche hat die Regierung als Antwort auf die Terrorattacke ausgegeben. Man stellt sich auf einen langen Krieg ein. Der Feind im Inneren ist heimtückisch und schwer zu packen: zumindest einer der acht Attentäter vom Freitag ist auf der Flucht. Gesucht wird Salah Abdelsam.
    Ermittler gehen weiteren Spuren nach
    Stück um Stück fügen die Ermittler das Puzzle der Attacken zusammen: Drei parallel agierende Terrorgruppen hatten am Freitagabend ab 21:20 binnen einer halben Stunde an sechs Lokalitäten ein Blutbad angerichtet. Mehr als 130 Tote, hunderte Verletzte, darunter noch immer mehr als drei Dutzend in Lebensgefahr: das ist die vorläufige Bilanz. Gefunden wurden ein VW Polo und ein SEAT Leon, letzterer mit drei Kalaschnikow. Identifiziert sind bislang vier Täter anhand ihrer Fingerabdrücke: Vier Franzosen, davon zwei aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek, auch der noch flüchtige. Die heißeste Spur des nach Aussage von Innenminister Cazeneuve von außen geplanten Anschlags führt also nach Belgien. Beide Länder kooperieren auf's Engste wie Cazeneuve nach einem Treffen mit seinem belgischen Amtskollegen Jan Jambon betonte. Auf einem Sondertreffen der EU Innenminister hoffen beide auf konkrete Beschlüsse. Bernard Cazeneuve:
    "Beim Kampf gegen den illegalen Waffenhandel, zweitens soll der Fluggastdatenaustausch endlich umgesetzt werden und drittens sollen systematische und koordinierte Kontrollen im Schengen Raum durchgeführt werden."
    Frankreich vor tiefen Einschnitten
    Der Druck auf die Regierung ist groß: Vor seiner Rede vor dem Kongress, also beiden Häusern des Parlamentes in Versailles, suchte Präsident Francois Hollande den Schulterschluss aller Parteien für seinen Kampf gegen den Islamischen Staat und eine Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen im Land.
    "Ein totaler Krieg gegen den islamischen Staat, der unser Land angegriffen hat, größtmögliche Sicherheit und nationale Eintracht" formulierte Sozialistenchef Christophe Cambadelis die Vorstellungen. Während Zentrumspolitiker Bayrou eine Nationalgarde vorschlug, will Nicolas Sarkozy eine drastische Verschärfung der Innenpolitik:
    "11.500 Personen werden von den Diensten als Sicherheitsrisiko eingestuft. Sämtliche Attentäter der letzten Zeit waren in dem entsprechenden Register geführt. Ich schlage vor, darüber nachzudenken, sämtliche Personen unter Hausarrest zu stellen."
    Bzw. mit elektronischen Fußfesseln auszustatten. Hassprediger des Landes verweisen, zurückkehrende Syrienkämpfer ins Gefängnis stecken, gegebenenfalls die Nationalität abzuerkennen, die europäische Migrationspolitik anzupassen und eine Allianz zur Bekämpfung des IS zu schmieden, allerdings ohne Bodentruppen nach Syrien zu schicken: Solche und andere Vorschläge hat nicht nur der frühere Präsident präsentiert. Frankreich steht vor tiefen Einschnitten und zählt dabei auf die Solidarität der europäischen Partner.