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Trotz Spionage-Affäre
Merkel hält an Handelsabkommen fest

Bundeskanzlerin Angela Merkel will trotz der US-Spionage in Deutschland an den Verhandlungen über das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP festhalten. Das sagte die Kanzlerin in einem Fernsehinterview. Zuvor hatte sich CDU-Innenpolitiker Bosbach im DLF für einen Verhandlungs-Stopp ausgesprochen.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt am 27.03.2014 im Kanzleramt in Berlin bei einer Pressekonferenz..
    "Hofft" auf eine Verhaltensänderung der USA: Bundeskanzlerin Angela Merkel (Maurizio Gambarini, dpa picture-alliance)
    Deutschland kann nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel kein Ende der US-Spionage hierzulande erzwingen. "Ich glaube, es ist nicht so ganz einfach, die Amerikaner davon zu überzeugen (...), die Arbeit der Nachrichtendienste jetzt völlig umzukrempeln", sagte die CDU-Politikerin am Samstag dem ZDF. Es gelte nun "ruhig und beharrlich" deutlich zu machen, wo die unterschiedlichen Auffassungen liegen, so Merkel bei der Aufzeichnung des ZDF-"Sommerinterviews". Sie "hoffe natürlich, dass sich etwas ändert".
    Die Kanzlerin bekräftigte ihre Kritik am Verhalten der USA. "Wir wollen die partnerschaftliche Zusammenarbeit. Dazu gehört, dass man sich nicht gegenseitig ausspioniert", so Merkel. Und weiter: "Wir leben nicht mehr im Kalten Krieg, wo jeder wahrscheinlich jedem misstraut hat". Dennoch habe sie die Geheimdienste nicht angewiesen, die Zusammenarbeit mit den US-Diensten zurückzufahren. Diese sei für die Abwehr terroristischer Gefahren nötig. Auch an den Verhandlungen über das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wolle sie festhalten. Das Abkommen läge im deutschen Interesse.
    Maas: TTIP in Gefahr
    Dagegen sieht Justizminister Heiko Maas das Handelsabkommen gefährdet. Angesichts der Spionageaffäre schwinde dafür die "gesellschaftliche Zustimmung", erklärte der SPD-Politiker im "Kölner Stadt-Anzeiger". CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach plädierte im Deutschlandfunk für eine Zäsur in den TTIP-Verhandlungen. Die Enttäuschung über die US-Spionage sei groß, sagte Bosbach. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte in der "Welt am Sonntag", die Verhandlungen sofort zu stoppen.
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief dazu auf, die transatlantische Freundschaft zwischen Deutschland und den USA "ehrlich" neu zu beleben. Dabei erwarte die Bundesregierung von Washington "einen tatkräftigen Beitrag", sagte er der "Welt am Sonntag". Steinmeier hat angekündigt, am Rande Verhandlungen über das iranische Atomprogramm am Sonntag in Wien mit seinem US-Kollegen John Kerry über die Geheimdienst-Affäre zu sprechen.
    Verhalten wie "von den Russen, Iranern und Nordkoreanern"
    In Washington sorgte die bisher beispiellose Ausreiseaufforderung an den obersten Vertreter der US-Geheimdienste in Berlin für Verstimmung. Differenzen im Geheimdienstbereich sollten über "bewährte private Kanäle" geklärt werden, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses am Freitag. Zugleich betonte er das US-Interesse an einer weiter engen Zusammenarbeit mit Deutschland. Deutliche wurde der Chef des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers. Er sagte im Nachrichtensender CNN, der Rauswurf des CIA-Stationsleiters in Berlin sei ein Wutanfall der Bundesregierung. "Das ist etwas, was wir von den Russen, den Iranern und Nordkoreanern erwarten, nicht etwas, was wir von den Deutschen erwarten."
    Mehreren Medienberichten zufolge gibt es Hinweise auf eine Verbindung der Fälle des BND-Mannes und des Mitarbeiters im Verteidigungsministerium. Der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes soll demnach ein internes Dokument gekannt haben, indem Vermutungen über die Spionagetätigkeit des Ministeriumsbediensteten geäußert werden.