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Türkei
Putsch-Anklage gegen Fußballfans

Im Juni 2013 bekamen die Regierungsgegner im Istanbuler Gezi-Park Verstärkung. Ihnen schlossen sich Fans des Fußballvereins Besiktas Istanbul an. Nun hat die Staatsanwaltschaft 35 Mitglieder der Fangruppe "Carsi" angeklagt - wegen Putschversuchs. Die Fans fühlen sich diffamiert - gerade wegen ihres sozialen Engagements.

Von Thomas Bormann |
    Bei einer Demonstration reckt der Bräutigam die linke Faust zum Himmel, neben ihm seine Braut, beide sind umringt von Demonstranten in Trikots mit Flaggen.
    Ein Hochzeitspaar demonstriert zusammen mit dem Besiktas-Istanbul-Fanclub Carsi im Juni 2013 in Istanbul. (picture alliance / dpa / Kerim Okten)
    Kein Fußball-Fan-Club in der Türkei ist so aktiv, so stolz und so engagiert wie Carsi – der Fan-Klub von Besiktas Istanbul. Als sich die anderen Fußball-Fan-Clubs längst wieder aus der Protest-Szene verabschiedet hatten, riefen die Besiktas-Fans bei jedem Auswärts-Spiel immer noch den Schlachtruf der Gezi-Protestbewegung:
    "Überall ist Taksim-Platz. Überall ist Widerstand."
    Doch nun schlägt der Staat mit Wucht zurück. Damals, im Juni vergangenen Jahres, hatten sich in Besiktas Demonstranten und Polizisten regelrechte Straßenschlachten geliefert. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft wirft den Besiktas-Fans vor, sie hätten die anderen Protestierenden aufgehetzt mit dem Ziel, die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Erdogan zu stürzen. Ein absurder Vorwurf, meint einer der Angeklagten, der Chef des Carsi-Fan-Klubs Cem Yakiskan:
    "Die Anklage behauptet: Wir, die Fans, hätten dazu angestiftet, den Istanbuler Amtssitz des Ministerpräsidenten hier in Besiktas anzugreifen. Aber genau das haben wir verhindert. Ich hab dafür Zeugen! Und da sind doch überall Überwachungskameras. Da muss doch jeder sehen, dass diese Behauptungen nicht stimmen!"
    Aus Sicht der Istanbuler Staatsanwaltschaft ist Cem Yakiskan ein Putschist, der lebenslang hinter Gitter gehört. Mit ihm sind 34 weitere Besiktas-Fans angeklagt; auch ihren droht lebenslange Haft.
    Fanclub ist bekannt für sein soziales Engagement
    Mehmet Dervis gehört ebenfalls zum Carsi-Fan-Klub in Besiktas; gleichzeitig ist er Rechtsanwalt. In der Anklageschrift, so meint er, werden die Tatsachen auf den Kopf gestellt:
    "Es waren doch Polizei-Beamte, die damals bei Carsi in Besiktas angerufen hatten. Sie hatten die Carsi-Fans ausdrücklich gebeten, zu den Demonstranten zu gehen, damit sie beruhigend auf sie einwirken, denn die Polizei weiß: die Leute von Carsi genießen Respekt im Viertel."
    Anwalt Dervis ist empört:
    "Auf den ersten Blick schon wird klar: Die Anklageschrift ist falsch und eigentlich selbst reif für die Anklagebank."
    Der Besiktas-Fanclub Carsi ist in der gesamten Türkei bekannt für sein soziales Engagement. Ob beim Erdbeben in Van oder beim Grubenunglück in Soma - Carsi-Fans fahren hin und helfen den Opfern. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft aber wird Carsi als illegale Organisation dargestellt. Carsi habe sich bewaffnet, habe gewalttätige Ausschreitungen initiiert und das Ziel verfolgt, die Regierung zu stürzen.
    Es ist unfassbar, schreibt ein junger Mann in einem Internet-Forum und meint:
    "Es ist das erste Mal in der Welt, dass ein Fußball-Fanclub wegen Putschversuchs angeklagt wird."
    Alte Feindschaften wieder im Vordergrund
    Am 16. Dezember soll der Prozess gegen Carsi beginnen.
    Vor einem Jahr noch hatten Fußball-Fans in einem Rap-Song den gemeinsamen Kampf von Galatasaray, Besiktas und Fenerbahce hochleben lassen: "Steht aufrecht, leistet Widerstand", sangen sie. Aber der gemeinsame Kampf der drei Fußballvereine gegen die autoritäre Regierung ist längst vorbei; die alten Feindschaften zwischen den Fan-Gruppen sind wieder in den Vordergrund gerückt. Genau das findet ein Fußball-Fan angesichts der Putsch-Vorwürfe gegen den Carsi-Fancub von Besiktas völlig falsch:
    "Fans von allen Mannschaften müssen jetzt Carsi unterstützen!"
    schrieb er in einem Internet-Forum und hofft jetzt auf eine breite Protestwelle, damit die Carsi-Fans vom Putschvorwurf freigesprochen werden.