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Unfallrisiko Alter

Die Sicht wird schlechter, die Reaktionszeiten länger - unangenehme Folgen des Alterns können im Straßenverkehr gefährlich werden. Welche Herausforderungen die Verkehrsteilnahme für Senioren mit sich bringt, war Thema einer gemeinsamen Tagung der Unfallforschung der Versicherer und der Deutschen Seniorenliga im Bonner Wissenschaftszentrum.

Von Susanne Kuhlmann | 18.04.2013
    Viele ältere Autofahrer sind nur noch auf kurzen, vertrauten Strecken unterwegs, zum Supermarkt etwa oder zum Arzt. Aber das Konzept, schwierige Situationen zu vermeiden, geht nicht immer auf, wie der enorme Anstieg von Unfällen älterer Fahrer an Kreuzungen und Einmündungen zeigt. Dreiviertel der Autounfälle von Menschen über 75 Jahre sind selbst verschuldet, sagt Siegfried Brockmann. Er leitet die Unfallforschung der Versicherer:

    "Das liegt einfach daran, dass komplexe Situationen, je älter man wird, umso schwieriger erfassbar sind. Dann macht man Fehler beispielsweise, indem man noch drauf achtet, welches Auto kommt mir entgegen, aber nicht mehr sieht, dass gleichzeitig ein Fußgänger über die Straße wollte, zum Beispiel."

    Die körperliche Verfassung ändert sich schleichend, sodass Betroffene es lange kaum bemerken. Aber der Anteil älterer Verkehrsteilnehmer steigt stetig weiter, und darauf müssen sich alle einstellen, meint Erhard Hackler, geschäftsführender Vorstand der Seniorenliga.

    "Es geht also darum, dass der ältere Verkehrsteilnehmer als Autofahrer beispielsweise einsieht, dass er vielleicht nicht mehr so gut sieht, dass er weniger gut hört, dass er also die anderen Verkehrsteilnehmer nicht so wahrnimmt, wie er das in langer Zeit des Autosteuerns gewohnt war.

    Unsere Veranstaltung will hier Hilfestellung geben einmal für den Älteren selbst, aber auch das Bewusstsein der anderen Verkehrsteilnehmer unter dem Aspekt schärfen wollen: Nehmt Rücksicht."

    Im Polizeipräsidium Düsseldorf ist die Verkehrsunfallprävention für Senioren schon seit Jahren ein wichtiges Thema. Der zuständige Polizeikommissar entwickelte zum Beispiel ein Verkehrssicherheitsprogramm für Menschen, die mit dem Rollator unterwegs sind und Angebote zu Themen wie Demenz und Autofahren, Schwerhörigkeit im Straßenverkehr und Senioren auf Landstraßen und Autobahnen.

    Fehler mit schlimmen Folgen passieren aber auch, wenn Ältere mit dem Fahrrad unterwegs sind oder zu Fuß eine Straße überqueren.

    "Sie machen viele Fehler, zum Beispiel, mitten auf der Fahrbahn wieder umzudrehen. Als Radfahrer ist es so, dass sie oft ohne Einwirkung Dritter zu Schaden kommen, einfach, weil ihr Gleichgewichtssinn nicht mehr derselbe ist wie früher. Und wo sie kollidieren, beispielsweise mit Autofahrern, ist es auch so, dass die Reaktionsfähigkeit nachlässt oder die Möglichkeit, die Situation sofort richtig zu erfassen. Wenn man nicht schnell genug reagiert als Radfahrer, hat man oft schon schlechte Karten."

    Siegfried Brockmann glaubt, dass Mediziner bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit von Senioren mehr eingebunden werden sollten.

    "Was bedeutet, dass auch eine aktuelle Brille auf den Augen sitzt und auf der anderen Seite, dass man auch sagt: Mach doch mal ein Fahrtraining, geh mal in die Fahrschule und lass dir zeigen, was du noch kannst und was du vielleicht nicht mehr kannst."

    Senioren akzeptieren in diesem Zusammenhang den Rat ihres Arztes eher als den ihrer Kinder. Die Versicherer haben auch ein Forschungsprojekt angestoßen, in dem zusammen mit Psychologen und älteren Menschen nach Wegen gesucht wird, das Thema Autofahren im Alter so anzusprechen, dass sich Senioren nicht direkt angegriffen und in die Defensive gedrängt fühlen.

    Ein weiteres aktuelles Thema sind Fahrräder mit Elektroantrieb, Pedelecs also, mit denen jetzt auch Menschen unterwegs sind, die jahrelang nicht auf einem Rad gesessen haben.

    "Das bedeutet auch, dass Ältere, die bisher gar nicht mehr mobil waren, jetzt wieder mobil sind. Auf der anderen Seite sind die recht zügig mobil und können Strecken zurücklegen, die sie vorher nicht zurücklegen konnten. Und das heißt, dass es zunehmend Unfälle mit alten Leuten und Pedelecs geben wird. Die Frage ist nur, ob das überproportional ist. Mehr Leute auf Fahrrädern bedeuten mehr Unfälle.

    Da gibt es zurzeit zwei Forschungsprojekte insbesondere zu der Frage: Können Kraftfahrer die Geschwindigkeit eines entgegenkommenden Pedelecs richtig einschätzen, wenn da ein offensichtlich alter Mann drauf sitzt?"

    Im Straßenverkehr unterwegs zu sein, ist auch eine geistige Herausforderung. Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer zeigte, dass sich kognitive Fähigkeiten auch im Alter trainieren lassen und dass dieses Training dabei hilft, als Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer aufmerksamer und aufnahmefähiger zu sein.

    Mehr zum Thema

    Die Unfallforschung der Versicherer gibt Ratschläge zu Hirnleistungstraining und Unfallvermeidung.