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Universität Greifswald
Auf Werbetour in Polen

Die Zahl der Studierenden an der Uni Greifswald sinkt seit Jahren. Um dem Trend entgegenzuwirken, wirbt die Hochschule auch unter jungen Polen für ein Studium in Deutschland. Für viele ist das eine gute Option - auch, aber nicht nur wegen eines einfacheren Zugangs zu einigen Studiengängen.

Von Lenore Lötsch | 24.04.2018
    Das Hauptgebäude der Universität Greifswald.
    Die Universität Greifswald wirbt in Polen um neue Studierende (imago - Harald Wenzel)
    Sie kommen mit Rollkoffern, Stativen und Karten – und sie kommen zu spät. Wortreich entschuldigen sich Hannah Weißbrodt und Studentin Jowita Rogowska bei den 60 Schülerinnen und Schülern des 9. Lyzeums in Stettin für ihre Verspätung, bauen Präsentationsständer auf und entfalten ihre Landkarte, auf der Greifswald das Zentrum ist.

    "Etwa so zwei Stunden von Stettin entfernt, also es ist gar nicht so weit weg."
    Erzählt Hannah Weißbrodt, und preist die Vorzüge der Universität mit Adjektiven wie überschaubar, kurzwegig, international, persönlich. Und übergibt dann an Jowita Rogowska. Die ist seit dem letzten Frühjahr so etwas wie die Polenbeauftrage der Universität Greifswald, sie stellt die Studienangebote und die Universität Greifswald an Schulen in Stettin und Posen vor, an denen das "Deutsche Sprachdiplom Zwei" – kurz "DSD 2" abgelegt wird.
    "Die Prüfung, die hier an den Schulen gemacht wird, also die Schulen übernehmen die Kosten und normalerweise sind die Prüfungen sehr teuer, das ist gleichzeitig eine Hochschulzulassung, damit kann man sich auf jeden Fall bewerben."
    Brexit macht Deutschland attraktiver
    Stephan Sommer unterrichtet Geschichte in deutscher Sprache am Lyzeum. Der Auslandslehrer wird vom Land Niedersachsen bezahlt. Eine große Nachfrage nach Deutschunterricht bemerkt er in Stettin momentan nicht, allerdings hat Stephan Sommer von Lehrern aus Warschau erfahren,
    "...dass dort die Nachfrage nach Deutsch und dem DSD 2 stark zugenommen hat, wohl unter dem Eindruck auch des Brexit, dass viele Polen – oder polnische Eltern, muss man ja sagen – eben dann eher Möglichkeiten im europäischen Ausland außer Großbritannien sehen."
    Für seine Schüler Ola und Bartek steht schon fest, dass sie sich bewerben wollen an einer deutschen Universität. Die beiden lernen seit elf Jahren Deutsch, legen im Mai ihre Abiturprüfungen ab. Als die Fragerunde eröffnet wird, schnellen ihre Arme in die Höhe: Ist es nun besser, sich erst im nächsten Jahr zum Sommersemester zu bewerben für ein Pharmaziestudium?
    "Der Vorteil wäre, dass der NC, also die Punkteanzahl, die du erreichen musst, wäre ein bisschen niedriger, also ein bisschen kleiner als zum Wintersemester."
    Ola und Bartek nicken, bedanken sich bei Jowita Rogowska für den Tipp. Zwei Studienorte kommen für sie in Frage:
    "Greifswald oder in Leipzig. Ich habe gesehen, dass diese Universität an die Studenten sehr denkt, und es gibt auch nicht so viele Leute wie in anderen größeren Städten."
    Mehr Praxis, einfacherer Zugang
    Etwa die Hälfte der 20 Schüler in ihrer Klasse mit erweitertem Deutschunterricht ist ernsthaft interessiert an einem Studium im Nachbarland. Der hohe Grad der Verschulung, und wenig Wahlmöglichkeiten beim Zusammenstellen der Seminare, das hält Bartek von einem Studium in Polen ab. Und noch etwas hat ihn überzeugt:
    "Es gibt so viel Praktikübungen in Deutschland während des Studiums. Ich finde das besser, statt nur Worte und Bücher zu sehen."
    Und Ola ergänzt, dass die beiden wenig Chancen hätten, ein Pharmaziestudium an einer großen polnischen Universität zu beginnen:
    "Eigentlich braucht man in Polen ein Abitur in Biologie dafür, und wir waren in einer Klasse, wir hatten kein Biologie, nur ein Jahr; und in Deutschland braucht man nur die Abidurchschnittsnote."
    Vor allem Universitäten in Ostdeutschland interessieren die polnischen Schüler. Und so stellen sich auch die Viadrina Frankfurt/Oder und die Technische Hochschule Cottbus mittlerweile in polnischen Schulen vor. Doch es geht bei der Entscheidung längst nicht nur um die geographische Nähe zur Heimat, erzählt Jowita Rogowska.
    "Natürlich auch die Lebenshaltungskosten sind im Osten Deutschlands ein bisschen günstiger. Man muss auch gucken, wie man das Studium finanziert, und da ist es schon wichtig, dass der Wohnraum vielleicht nicht allzu teuer ist."
    Nach einer Stunde werden die Kartenständer wieder eingepackt, auf der Tafel im Geschichtskabinett steht die private Emailadresse von Jowita Rogowska, und die Masterstudentin der Germanistik und Slawistik bietet an, die polnischen Schülerinnen und Schüler bei Gelegenheit selbst durch Greifswald zu führen. 46 Studierende aus Polen gibt es derzeit an der Universität Greifswald, wenn sie heute überzeugend war, sind es im nächsten Semester ein paar mehr.