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Vor 50 Jahren
Als die Raumsonde Mariner 9 den Mars erreichte

Außer der Erde laufen sieben weitere Planeten um unsere Sonne. Teleskope lassen dort wenig erkennen. Mit der Raumsonde Mariner 9 schwenkte am 13. November 1971 erstmals ein irdischer Flugkörper in den Orbit eines Planeten – und plötzlich stellte sich die Frage nach Leben auf dem Mars neu.

Von Dirk Lorenzen | 13.11.2021
Eine Grafik auf Grundlage von Nasa-Bildern von zeigt eine Mariner- Raumsonde auf den Roten Planten zusteuernd Illustration einer Mariner-Raumsonde nahe dem Mars
Illustration einer Mariner Raumsonde nahe dem Mars (Imago / agefotostock)
Fünfeinhalb Monate lang war Mariner 9 unterwegs zu unserem Nachbarplaneten Mars. Als die Raumsonde von den Ausmaßen eines Kleinwagens am 13. November 1971 ihr Ziel erreichte, war die Enttäuschung zunächst groß. Denn auf dem Mars tobte ein gewaltiger Staubsturm, der fast den gesamten Planeten einhüllte und auf der Oberfläche kaum etwas erkennen ließ.
Nach einigen Wochen legte sich der Staub – und die ersten klaren Fotos von Mariner 9 sorgten für Begeisterung, erklärt Ernst Hauber, Planetengeologe beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof:
"Das Revolutionäre war, dass man auf den Aufnahmen Hinweise auf Wasser auf dem Mars gesehen hat und auf einen wesentlich abwechslungsreicheren, potenziell lebensfreundlichen Planeten, als man das vorher vermutet hatte auf Grundlage der Bilder von Mariner 4 und dann 6 und 7."

Ein Logenplatz für die Erforschung des Mars

Die Vorgänger-Sonden von Mariner 9 hatten nur im Vorbeiflug am Mars ein paar Schnappschüsse gemacht, die vor allem Bereiche mit zahlreichen Kratern zeigten. Der Mars schien – wie unser Erdmond – eine öde, tote Welt zu sein.
Marskrater, aufgenommen von Mariner 4
Marskrater, aufgenommen von Mariner 4 (NASA)
Die neue Sonde aber umkreiste erstmals den Planeten wie ein Satellit – und hatte so geradezu einen Logenplatz für die Erforschung des Mars, wie es seinerzeit in einem Film der NASA hieß:
"Aus der Umlaufbahn bestimmt die Raumsonde die Dichte der Atmosphäre und sie erfasst, ob die dünnen Mars-Wolken aus Kohlendioxid oder Wasserdampf bestehen. Ein Infrarot-Instrument misst die Temperatur auf dem Mars, die zwischen minus 100 und plus 20 Grad Celsius liegt. Und ihre beiden Kameras erfassen den gesamten Planeten und schicken mehr als 7.000 Aufnahmen zur Erde."

Warum der Mars nun potenziell bewohnbar scheint

Mariner 9 kam auf ihrer lang gestreckten Umlaufbahn bis auf 1.500 Kilometer an den Mars heran. Die Nahaufnahmen der Sonde zeigten atemberaubende Details auf dem Planeten mit der markanten orange-rötlichen Farbe, so Ernst Huber:
"Mariner 9 hat auf den Bildern vor allen Dingen Talformen gesehen, die durch Erosion eines flüssigen Mediums entstanden sind. Man wusste also danach: Zumindest in seiner Frühzeit muss Mars ein sehr viel wasserhaltigerer Planet gewesen sein. Wasser war an der Oberfläche. Und das macht ihn natürlich sehr viel habitabler, also potenziell bewohnbarer."

Heutzutage kann auf der Marsoberfläche kein flüssiges Wasser existieren. Dazu ist es zu kalt und der Druck der dünnen Mars-Atmosphäre viel zu gering. Aber vor mehr als einer Milliarde Jahren sah der Mars offenbar ganz anders aus, wie die Spuren an der Oberfläche zeigten. Plötzlich war die Idee von Leben auf dem Mars nicht mehr pure Science-Fiction, sondern ein großes Forschungsthema, freute sich kurz nach der Ankunft der Sonde Gerald Soffen, ein Biologe bei der NASA:
Mehrere Aufnahmen von Mariner 9 - wie diese von Nirgal-Vallis - zeigten den Marsforschern, dass es früher flüssiges Wasser auf dem Mars gegeben haben könnte
Mehrere Aufnahmen von Mariner 9 - wie diese von Nirgal-Vallis - zeigten den Marsforschern, dass es früher flüssiges Wasser auf dem Mars gegeben haben könnte (NASA)
"Eine der großartigen wissenschaftlichen Möglichkeiten unserer Zeit ist die Suche nach dem Leben auf dem Mars. Sie wird unser ganzes Verständnis vom Leben und seiner Entstehung verändern."

Mikroben statt grünen Männchen

Doch die erste Euphorie nach den Mariner-9-Entdeckungen war schnell verflogen. Bis heute ist unklar, ob es auf dem Mars Leben gegeben hat oder womöglich sogar noch gibt. Dabei geht es aber allenfalls um Mikroben, nicht um die sprichwörtlichen kleinen grünen Männchen. Doch noch in diesem Jahrzehnt, hoffen Ernst Hauber und seine Kollegen in aller Welt, werden Raumsonden den Mars nicht nur umkreisen oder auf ihm landen, sondern erstmals Bodenproben zur Erde bringen.
Die Oberfläche des Mars zeigt an vielen Stellen Spuren möglicher früherer Wasserströme
Idee zur Sauerstoffgewinnung auf dem roten Planeten
In der Raumfahrt herrscht gerade eine gewisse Aufbruchstimmung: NASA und ESA testen bald ihr Raumschiff Orion, das Menschen zum Mond bringen soll – und Firmen wie SpaceX träumen bereits von Reisen zum Mars.
"Das wäre die nächste ganz, ganz große Revolution in der Marsforschung, weil nur mit solchen Proben, von denen man weiß, woher sie kommen, die man mit modernsten Methoden in den besten Labors auf der Erde untersuchen kann, wird man so genau nach Leben suchen können, wie es bisher nicht möglich war."
Die Merkur-Sonde BepiColombo der ESA wird zweimal die Venus für Bahnmanöver nutzen (Animation)
BepiColombo, Merkur und das natürliche Bremsen
Seit drei Jahren ist die Raumsonde BepiColombo unterwegs zum Merkur. Nun zieht sie nur etwa 200 Kilometer entfernt am innersten Planeten vorbei – sie ist am Ziel, aber noch lange nicht angekommen.
Sollte sich Leben auf dem Mars finden lassen, würde sich endlich der Traum erfüllen, den die Fachleute seit den Bildern von Mariner 9 hegen. Die Raumsonde selbst ist schon lange nicht mehr in Betrieb, zieht aber noch immer ihre Bahn um den roten Planeten. Erst in einigen Jahren wird sie in die Marsatmosphäre eintreten und verglühen.