Samstag, 27. April 2024

Archiv

WADA-Sonderermittler McLaren
"Russland hat ein institutionalisiertes Schema, um Dopingproben zu manipulieren"

Es gebe einen Kampf zwischen verschiedenen Gruppen im Sport, was die Bedeutung seiner Ermittlungsergebnisse zum Doping in Russland betrifft, sagte der WADA-Sonderermittler Richard McLaren im DLF. Um zu zeigen, dass er Beweise habe und nicht nur Anschuldigungen tätige, habe er die Ermittlungsergebnisse ins Internet gestellt.

Richard McLaren im Gespräch mit Matthias Friebe | 10.12.2016
    Der kanadische Sonderermittler Richard McLaren hat am Freitag in London seinen Abschlussbericht zum russischen Staatsdoping vorgelegt.
    "Um zu zeigen, dass es sehr wohl Beweise gibt", hat WADA-Sonderermittler Richard McLaren seine Ergebnisse zum russischen Doping ins Netz gestellt. (AFP - Adrian Dennis)
    Matthias Friebe: Ist es klar bestätigt, dass es ein Staatsdoping-System in Russland gibt?
    Richard McLaren: Was ich gemacht habe, war, einen Bericht zu erstellen, der alle Fakten enthält, die ich kenne und wie sie zusammengehören in den verschiedenen Teilen. Ich möchte es den Menschen überlassen zu entscheiden, ob es ein staatlich unterstütztes System gibt, oder welche andere Bezeichnung man vergeben kann. Ich würde sagen, es ist ein institutionalisiertes, zentralisiertes Schema, um Dopingproben zu manipulieren und vertuschen. Darüber hinaus muss jeder, der den Bericht liest, entscheiden, ob es mehr ist als das.
    Friebe: Sie haben in Ihrer Rede gesagt, es ist Zeit, dass die Geiselnahme des Sports zu Ende ist. Können Sie das erklären?
    Beweise im Netz
    McLaren: Es scheint für mich ein Hin und Her, einen Kampf zwischen dem IOC, der WADA, internationalen Verbänden und anderen Gruppen zu geben, Vorwürfe, dass ich nur Anschuldigungen mache und keine Beweise habe.
    Das ist einer der Gründe, warum ich alles auf eine öffentliche Internetplattform gestellt habe, um zu zeigen, dass das nicht der Fall ist, dass es sehr wohl Beweise gibt. Hier sind sie. Schaut sie euch an und entscheidet selber!
    Friebe: Also glauben Sie, dass es sehr wichtig ist, diese Datenbank im Internet zu haben?
    McLaren: Absolut. Ich denke, die Welt kann meine Arbeit sehen und bewerten. Man kann es kritisieren oder auch sagen: "Gut gemacht!"
    Friebe: Sie haben in Ihrer Rede heute gesagt, dass Sie es schwierig finden, dass Sportinstitutionen nicht in Ihrem Team mitspielen. Was sagt uns das über das IOC, die WADA und die Sportorganisationen?
    McLaren: Das geht etwas über meine Arbeit als Ermittler hinaus. Ich bin nicht sicher, was es Ihnen sagt, was im Sport abläuft. Ich bin kein Insider dieser Organisationen. Ich schaue von außen hinein. Ich kann wirklich keinen Befund nennen.
    Friebe: Aber Sie hatten vor der Untersuchung andere Erwartungen an den Willen des IOC?
    Ein Bericht, drei Reaktionen
    McLaren: Ich habe einen Bericht geschrieben. Wir hatten drei verschiedene Reaktionen. Eine vom IAAF, eine vom Internationalen Paralympischen Komitee, eine vom IOC. Und die sind alle unterschiedlich, obwohl sie alle die gleiche Faktenbasis hatten. Sie müssen das erklären, ich kann es nicht erklären. Aber nach jedem Bericht, der auf Fakten basiert, können Menschen unterschiedliche Perspektiven einnehmen, nach denen sie ihre Entscheidungen abwägen. Es ist deren Sache, etwas zu tun, nicht meine.
    Friebe: Also könnte es möglich sein, dass Ihre Erkenntnis, dass das Russische Olympische Komitee nicht Teil des Dopingsystems war, möglicherweise ein Notausgang für das IOC sein könnte?
    McLaren: Wir haben keinen Beweis für die Verstrickung des Komitees, wir haben Beweise dafür, dass Individuen beteiligt waren. Das steht im Bericht, aber das Komitee als Komitee ist nicht involviert. Nein!
    Friebe: Welches Bild haben Sie von der Welt des Sports heute?
    Enttäuscht von der Welt des Sports
    McLaren: Mein Bild von der Welt des Sports? Schon häufig, wenn ich Sport geschaut habe: enttäuscht. Jetzt denke ich, ich muss mir selber die Frage stellen: Was läuft hier? Ist das wirklich sauberer Sport?
    Friebe: Gibt es eine Chance auf einen Wandel?
    McLaren: Was Russland angeht, denke ich, dass es auf jeden Fall eine gute Chance für einen Wandel gibt. Sie machen große Schritte beim Versuch, etwas zu verändern und wir sollten ihnen die Chance geben, das zu tun.
    Friebe: Aber, letzte Frage, die ersten Reaktionen aus Russland werfen Ihnen vor, dass Sie haltlose Anschuldigungen machen. Was denken Sie über solche Reaktionen?
    McLaren: Ich denke, sie haben den Bericht zu schnell gelesen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.