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Wiederaufforstung in Lateinamerika
"Sekundärwälder kompensieren unsere Kohlenstoffemissionen"

Sekundärwälder lassen anders als Urwälder große Mengen Wasser zirkulieren und erneuern die Bodenfruchtbarkeit. Außerdem wachsen sie sehr schnell. Wenn 28 Prozent der gesamten Landfläche Lateinamerikas von ihnen bedeckt wären, könnten alle industriellen Prozesse, bei denen CO2 entweicht, ausgeglichen werden, sagte Lourens Poorter von der Universität Wageningen im DLF.

Lourens Poorter im Gespräch mit Monika Seynsche | 25.05.2016
    Sekundärwald am Rande des tropischen Regenwaldes in Honduras im Biosphärenreservat Las Marias.
    Sekundärwald am Rande des tropischen Regenwaldes in Honduras im Biosphärenreservat Las Marias. (imago/blickwinkel)
    Monika Seynsche: Sie waren lange Zeit die Stiefkinder der Ökologen: Sekundärwälder, also Bäume und Sträucher, die auf verlassenen Äckern und Plantagen wachsen statt in unberührten Urwäldern. Seit einiger Zeit allerdings mehren sich die Zeichen, dass diese Wälder zweiter Klasse sehr gut fürs Klima sind. Niederländische Forscher haben sich nun Lateinamerika vorgenommen, wo es besonders viele dieser Sekundärwälder gibt.
    Ich habe den Studienleiter Lourens Poorter von der Universität Wageningen gefragt, was genau er und seine Kollegen in ihrer Studie untersucht haben.
    Lourens Poorter: Nun, wir vermuten, dass diese Sekundärwälder sehr wichtig sind, was die Ökosystemdienstleistungen angeht, die sie liefern. Sie lassen große Mengen Wasser zirkulieren, sie erneuern die Bodenfruchtbarkeit und sie sind eine Schatzkammer der biologischen Vielfalt. Sie sind also wirklich wichtig. Nun sind große Gebiete der Tropen statt von mythischem, alten Urwald von solchen Sekundärwäldern bedeckt. Und wir haben uns angeschaut, welches Potenzial dieser Wälder haben, Kohlenstoff zu speichern.
    "Sekundärwälder wachsen etwa elfmal so schnell wie die alten Wälder"
    Denn in diesen jungen Wäldern erreichen noch große Mengen Sonnenlicht selbst die bodennahen Vegetationsschichten und die Biomasse ist noch nicht sehr dicht. Dadurch verfügen die jungen Wälder über jede Menge Ressourcen wie Licht, Nährstoffe und Wasser und können sehr schnell wachsen. Sie wachsen etwa elfmal so schnell wie die alten Wälder. Und dabei können sie natürlich enorme Mengen Kohlenstoff aufnehmen.
    Seynsche: Und wie haben Sie diese Sekundärwälder auf dem gesamten Kontinent gefunden? Südamerika ist ja sehr groß.
    Poorter: Ja, das war sehr schwierig. Bislang war es unmöglich, denn wenn Sie sich Fernerkundungsdaten anschauen, also Satellitenbilder, sehen Sie zwar eine Reflektion der Vegetation, aber es ist sehr schwer zu unterscheiden, ob das eine Plantage, ein junger Sekundärwald oder ein alter Urwald ist. Hier in dieser Studie ist es uns jetzt zum ersten Mal gelungen, die Sekundärwaldflächen genau abzuschätzen, indem wir einen Trick genutzt haben:
    Wir hatten eine Biomassekarte des gesamten lateinamerikanischen Kontinents, auf der die Höhe der Vegetation vermerkt war und nutzten dazu unsere eigenen Daten von Untersuchungsflächen im Feld, auf denen wir das Wachstum des Waldes messen. Dann konnten wir sagen: Ausgehend von dieser Biomasse an diesem Ort auf dem Kontinent und von der Niederschlagsmenge an diesem Ort sollte das Alter des Waldes so und so viele Jahre betragen. Denn wir wissen aus früheren Studien, wie schnell die Biomasse unter bestimmten Niederschlagsverhältnissen wächst. Das war ein Trick, der uns erlaubte, genau festzustellen, wo genau diese Sekundärwälder liegen, wie groß und wie alt sie sind und das alles war bislang nicht möglich.
    Poorter: Weniger CO2 durch Wiederaufforstungsprogramme
    Seynsche: Und was haben Sie mit diesen Untersuchungen herausbekommen? Wie viel Kohlenstoff speichern die lateinamerikanischen Sekundärwälder?
    Poorter: Wir stellten fest, dass die von Sekundärwäldern bedeckte Fläche dort riesig ist. Es sind 2,4 Millionen Quadratkilometer. Das sind 28 Prozent der gesamten Landfläche Lateinamerikas. Und wir wissen, dass sie zurzeit eine sehr große Menge Kohlenstoff speichern. Also modellierten wir, wie viel sie in Zukunft aus der Atmosphäre aufnehmen können um es in neuen Blättern und Ästen zu speichern.
    Dabei fanden wir heraus, dass sie in den kommenden 40 Jahren 8,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aufnehmen können. Das ist mehr als alle Länder Lateinamerikas zusammen in den vergangenen zwanzig Jahren an Kohlenstoffemissionen in die Atmosphäre gepumpt haben. Alle fossilen Energieträger, die verbrannt wurden, alle industriellen Prozesse, bei denen CO2 entweicht, werden ausgeglichen durch den natürlichen Prozess des nachwachsenden Waldes.
    Seynsche: Und was können Sie jetzt anfangen mit diesen Ergebnissen?
    Poorter: Nun, wir hatten ja den Klimagipfel in Paris letztes Jahr, auf dem beschlossen wurde, den Klimawandel zu stoppen und es gibt zwei prinzipielle Richtungen das zu tun:
    Erstens sollten wir natürlich die Kohlenstoffemissionen reduzieren. Und zweitens sollten wir mehr CO2 aus der Atmosphäre entnehmen, eben zum Beispiel durch Wiederaufforstungsprogramme. In Paris hat nun jeder Staat Absichtserklärungen abgegeben, wie viel Kohlenstoff er aufnehmen und wie viel Fläche er wieder bewalden will.
    Wir haben in unserer Studie nun Karten für jedes Land in Lateinamerika erstellt, auf denen man genau sehen kann, wo die Sekundärwälder sind und wie viel Kohlenstoff sie aufnehmen können.
    Jetzt hoffen wir, dass Politiker in diesen Ländern sagen werden, okay, wir schützen diese Sekundärwälder, wir lassen die Natur ihre Arbeit machen und können so unsere Kohlenstoffemissionen kompensieren.