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"Wir müssen berücksichtigen, dass viele Frauen auch daheim bleiben wollen"

Die von CDU und CSU geplante Ausweitung des Ehegattensplittings zum Familiensplitting habe zwar nur dann Vorteile, wenn ein Einkommen weit höher sei als das andere sei, sagt der CSU-Familienpolitiker Norbert Geis. Das komme aber den vielen Familien entgegen, in denen die Mütter zu Hause bleiben wollten.

Norbert Geis im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Allzu viele Themen gibt es nicht mehr, bei denen sich die großen Parteien in diesem Bundestagswahlkampf unterscheiden. Aber die Familienpolitik, die ist definitiv ein Feld, auf dem es immer mal wieder kracht. Vor allem das Ehegattensplitting sorgt seit einigen Tagen für eine Kontroverse. Mehrere SPD-geführte Länder wollen eine Initiative starten, um diese Steuerersparnis für Ehepaare abzuschaffen. Die Grünen sind sowieso dagegen. Die Union dagegen möchte es sogar ausbauen zu einem Familiensplitting. Kritiker sagen, das Ehegattensplitting halte Ehefrauen vom Arbeiten ab und bevorzuge vor allem Familien, die sowieso schon über ein hohes Einkommen verfügen. Am Telefon ist jetzt Norbert Geis, Familienpolitiker der CSU. Schönen guten Morgen, Herr Geis.

    Norbert Geis: Guten Morgen.

    Armbrüster: Herr Geis, ist die CSU eine Partei, die vor allem denen gibt, die schon viel haben?

    Geis: Nein. Die CSU will mit dem Ehegattensplitting und dem Familiensplitting vor allem auf die Familien treffen, die im unteren Einkommensbereich und im mittleren Einkommensbereich sind. Also es ist nicht so, wie die SPD und wie die Grünen sagen, dass dies eine Wohltat nur für die Reichen wäre. Das ist nicht der Fall. Die CSU will am Ehegattensplitting festhalten und will es ausweiten zu einem Familiensplitting.

    Armbrüster: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat jetzt in dieser Woche vorgerechnet, dass eine typische Familie mit gutem Einkommen 840 Euro im Jahr spart mit dem Familiensplitting, das jetzt kommen soll, Familien mit geringem Einkommen dagegen nur 300 Euro und Hartz-IV-Empfänger kriegen wieder mal gar nichts. Ist das denn wirklich gerecht?

    Geis: Das ist aber auch falsch gerechnet. Vor allen Dingen sind die Voraussetzungen ja noch gar nicht festgelegt. Wir müssen erst mal den Gesetzentwurf abwarten. Es ist ja doch gar nicht so. Das wird einfach so hingeworfen und irgendeine Prämisse wird dann vorausgesetzt, und dann kommt man zu dem Ergebnis im DIW, dass das Familiensplitting nur die Reichen fördere, nicht aber die Armen berücksichtige. Das ist falsch! Wir wollen ja gerade, um dies zu verhindern, zum Beispiel das Kindergeld erhöhen und wir wollen den Kinderzuschlag, der ja nur für die ganz unteren Einkommen gilt, auch erhöhen. Also es ist nicht so! Die Frau Bundeskanzlerin hat erklärt, dass das Kindergeld um 35 Euro erhöht werden soll. Das ist ein gewaltiger Sprung. Zum letzten Mal haben wir es erhöht um 20 Euro 2010. Also gerade die Union versucht ja, die unteren und mittleren Einkommen, die Familien haben, zu stützen, weil wir auch gerade diese Einkommen, diesen Bereich sehr fördern müssen, damit dort auch Kinder zur Welt kommen.

    Armbrüster: Herr Geis, Sie wiederholen jetzt immer, dass Sie die Familien mit unterem und mittlerem Einkommen gern stützen wollen. Aber es ist doch bei all diesen Steuermodellen so, dass natürlich – das liegt in der Natur der Sache – die Leute mit hohem Einkommen am meisten Geld zurückbekommen.

    Geis: Das ist richtig, wenn Sie nur das Steuerliche an der ganzen Angelegenheit sehen. Aber ich habe ja eben gerade gesagt, dass wir vor allem auch das Kindergeld erhöhen wollen, und das würde dann den unteren Einkommen wieder zugutekommen.

    Armbrüster: Aber Fakt ist sicher, dass für Familien mit hohem Einkommen mehr rausspringt. Deshalb die Frage: Sollte der Politik nicht eigentlich jedes Kind gleich viel wert sein?

    Geis: Natürlich! Uns ist jedes Kind gleich viel wert. Und es ist auch nicht so, dass wir nur auf das Familiensplitting gehen. Wir haben ja viele andere Leistungen im Familienbereich in den vergangenen vier Jahren erbracht, die insbesondere die unteren und mittleren Einkommen stützen. Es ist richtig, dass der den größeren Vorteil hat, der mehr Steuern bezahlen muss, wenn dadurch Steuern gespart werden können, wie das beim Ehegattensplitting der Fall ist und wie das vor allen Dingen dann auch beim Familiensplitting einmal der Fall sein soll. Aber wir müssen den Ausgleich natürlich mit berücksichtigen. Wir können nicht die, die eh schon Geld haben, denen noch eine weitere Wohltat zukommen lassen, ohne nicht gleichzeitig auch die unteren Einkommen zu stützen. Das ist aber unsere Absicht.

    Armbrüster: Herr Geis, Deutschland ist nun bei diesen direkten Leistungen, bei diesen direkten Zahlungen an Familien Weltmeister. Es gibt inzwischen aber viele Wirtschaftsforscher und auch zahlreiche Politiker, die sagen, Deutschland solle aufhören, das Geld immer direkt an die Familien zu verteilen, stattdessen sollten die Politiker das Geld lieber in den Ausbau der Kitas stecken. Wäre das nicht der bessere Weg?

    Geis: Nein. Wir geben ja viel Geld in die Kita. Kein Land gibt mehr Geld für den Ausbau der Kitas, der Kindertagesstätten vom ersten Lebensjahr bis zum dritten Lebensjahr. Dafür ist es ja gedacht. Wir haben das Elterngeld eingeführt, das kommt doch den Familien unmittelbar zugute. Warum soll der Staat immer meinen, wenn er das Geld unter sich verteilt, indem er beispielsweise Kitas baut, deren Eigentümer ja in der Regel die Kommunen sind, dass das der bessere Weg ist. Das ist ein Weg und den gehen wir auch ganz konsequent und dafür haben wir viel getan in den letzten vier Jahren. Aber wir dürfen dabei nicht andere Wege unberücksichtigt lassen.

    Armbrüster: Ein weiterer Vorwurf ist, dass das Ehegattensplitting viele Ehefrauen davon abhält, wieder arbeiten zu gehen. Sollten Frauen besser zu Hause bleiben?

    Geis: Das Ehegattensplitting hat natürlich nur dann Vorteile, das wissen wir, wenn ein Einkommen höher, weit höher ist als das andere, weil es dann zusammengerechnet wird und dann um die Hälfte dividiert wird und dann zahlt jeder eben einen von der Progression her gesehen niedrigeren Steuersatz.

    Armbrüster: Und deshalb ist der Anreiz groß, dass einer tatsächlich arbeiten geht und der andere oder in den meisten Fällen die andere zu Hause bleibt.

    Geis: Es ist natürlich so: Wir müssen berücksichtigen, dass viele Frauen auch daheim bleiben wollen und ihr Kind daheim erziehen wollen, sie wollen das Kind nicht in andere Hände geben. Das muss man auch berücksichtigen. Und das sind gar nicht wenige! Wir haben ja nicht für 60 Prozent die Kitas gebaut, sondern wir haben nach Umfragen und nach Erfahrungen für 40 bis 45 Prozent der Kleinkinder Kitas gebaut, weil nämlich die anderen Eltern ihre Kinder nicht so gern in solche Einrichtungen geben, sondern sie zum Beispiel selbst erziehen wollen. Hinter diesem Vorwurf steckt immer eigentlich eine gewisse Dummheit, denn die Leute, die daheim bleiben, die daheim die Kinder erziehen, die Frau oder der Mann, der erbringt eine riesengroße Leistung für die Gesamtgesellschaft. Das müsste man mal unterm Strich zusammenrechnen, dann würde man sehr schnell zu dem Ergebnis kommen: Es ist gar nicht so schlecht, wenn vielleicht Frauen eine gewisse Zeit oder Männer auch, Väter und Mütter, eine gewisse Zeit daheim bleiben, um sich der Kindererziehung zu widmen. Das ist eine großartige Leistung, auf die ein Volk überhaupt nicht verzichten kann.

    Armbrüster: Sind Kitas dann familienfeindlich?

    Geis: Nein. Das wäre wiederum das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn ich einmal diesen Vergleich gebrauchen darf. Die Kitas sind nicht familienfeindlich, sondern sie helfen mit, dort wo Ehepaare beide zur Arbeit gehen wollen, ihrem Beruf nachgehen wollen, dass sie dennoch Kinder haben können und dass sie Beruf und Familie besser vereinbaren können. Wer das will, der soll das haben, und dafür tun wir eine Menge. Wir haben ja über fünf Milliarden allein vom Bund ausgegeben, um die Kitas zu bauen, obwohl es nicht Aufgabe des Bundes ist, sondern Aufgabe der Länder ist. Aber da ziehen wir uns nicht zurück. Das haben wir ja gemacht und das wollen wir auch gar nicht bereuen, im Gegenteil. Wir brauchen diese Möglichkeit der Wahlfreiheit für die Väter und Mütter, die beispielsweise in diesem Fall, wenn sie ihr Kind in die Kita geben, ihrem Beruf nachgehen wollen. Diese Möglichkeiten müssen wir ihnen bieten, das wollen wir und haben wir auch versucht und wir werden das auch weiterhin ausbauen.

    Armbrüster: Der CSU-Familienpolitiker Norbert Geis live bei uns hier heute Morgen in den "Informationen am Morgen". Besten Dank, Herr Geis, für das Gespräch.

    Geis: Ich danke Ihnen auch. Danke schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.