Archiv

Zika-Infektion
Mutation im Virus-Genom führt zu Mikrozephalie

Das Zika-Virus hielt in den vergangenen beiden Jahren die Bevölkerung Südamerikas in Atem. Er schädigte Ungeborene im Mutterleib, die Kinder kamen mit Gehirnschädigungen auf die Welt. Jetzt wollen chinesische Forscher herausgefunden haben, was das Virus so gefährlich machte.

Zhiheng Xu Im Gespräch mit Joachim Budde |
    Eine Frau in Recife in Brasilien hält ihr Baby, das durch Mikrozephalie eine Schädelfehlbildung aufweist.
    Eine Frau in Recife in Brasilien hält ihr Baby, das durch Mikrozephalie eine Schädelfehlbildung aufweist. (dpa-news / AP / Felipe Dana)
    Eine Frage hat Virologen seit Beginn der Zika-Epidemie in Südamerika besonders beschäftigt: Warum ist das Virus, an dem in Brasilien so viele Kinder schwer erkrankten, vorher nie groß in Erscheinung getreten? Denn entdeckt haben es britische Forscher bereits 1947 in Uganda.
    Wann immer es Ärzte danach in Patienten fanden, waren deren Symptome leicht – eher wie bei einer Grippe, sagt Dr. Zhiheng Xu vom Institut für Genetik und Entwicklungsbiologie der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking:
    "Im Jahr 2013 begann das Virus, Mikrozephalie hervorzurufen, sodass Babys mit viel zu kleinem Kopf und Gehirn auf die Welt kamen. Wir haben deshalb einen alten Zikavirus-Stamm, der 2010 in Kambodscha isoliert wurde, mit Stämmen aus dem Jahr 2016 verglichen. Wir stellten fest, dass alle amerikanischen Stämme in Mäuseembryonen schwere Mikrozephalie verursachen. Der alte Stamm aus Kambodscha führt kaum zu solchen Schäden. Wenn man nicht genau hinschaut, übersieht man das glatt."
    Die Forscher vermuteten, dass sich das Genom des Zikavirus verändert hat und der Erreger dadurch gefährlicher geworden ist:
    "Wir fanden viele Mutationen im neuen Virus und überprüften sie. Als wir die Mutation S139N beim alten Virenstamm einbauten, löste dieser genauso häufig Mikrozephalie aus wie die amerikanischen Viren. Später haben wir festgestellt, dass alle bekannten südamerikanischen Stämme diese Mutation haben. Daraus schließen wir, das S139N hinter der Fähigkeit steckt, schwere Mikrozephalie auszulösen."
    Schon vor einem Jahr haben Zhiheng Xu und seine Kollegen gezeigt, dass die südamerikanischen Virenstämme besonders effektiv Neuroblasten infizieren können, also jene Zellen, aus denen sich später Hirn- und Nervengewebe entwickelt. Das untersuchten die chinesischen Forscher auch bei den modifizierten Zikaviren.
    Die Computer-Illustration des Zika-Virus zeigt einen bunten Ball, der aus kleineren Kügelchen zusammengesetzt ist. 
    Computer-Illustration des Zika-Virus (imago stock&people)
    Virus unterbricht die Entwicklung des Gehirns
    "Die Mutation verändert ein Protein in der Schutzhülle der Viren. Dadurch konnten sie Neuroblasten im Gehirn von Embryonen effizienter infizieren. Die Ansteckungsfähigkeit wuchs um das Zehnfache. Das heißt, die Entwicklung des Gehirns wurde unterbrochen, und das verursacht Mikrozephalie. Ich denke, das ist das wichtigste Ergebnis unserer Studie."
    Professor Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, verfolgt die Entwicklungen rund um das Zika-Virus seit Jahren. Er weist darauf hin, dass sich die Hypothese der chinesischen Forscher von der einzelnen Mutation als Ursache für die Gefährlichkeit des Virus als Kartenhaus entpuppen könnte.
    "Das ganze Haus würde natürlich in sich zusammenfallen, wenn man jetzt einen Zusammenhang zwischen Mikrozephalie und afrikanischen Stämmen herstellen kann, oder eben auch vor dem Jahr 2013 sozusagen retrospektiv jetzt solche Fälle entdecken würde, die dann eben nicht mit dieser hier beschriebenen Mutation in Zusammenhang zu bringen sind."
    These der Chinesen überzeugt nicht alle Zika-Experten
    Noch hat sie niemand gefunden, doch erst seit gut einem Jahr suchen Forscher überhaupt danach. Dafür umso intensiver.
    "Es gibt ja sozusagen zwei große Konsortien in Europa, die mit mehreren Millionen Euro gefördert werden, und die haben natürlich große Studien in Amerika, aber eben auch in Afrika, um genau diesen Zusammenhang zu zeigen."
    Viele Zika-Experten bemängeln zudem, die Hypothese der chinesischen Forscher könne nicht erklären, warum sich die Mikrozephaliefälle im Nordosten Brasiliens so extrem häufen. Sie erwarten deshalb, dass es über die Mutation hinaus weitere Faktoren gibt, die den Erreger gefährlicher machen.
    Immerhin sorgt das Zika-Virus nicht mehr für so viele neue Krankheitsfälle wie noch 2015 und 2016. Es zirkuliere zwar nach wie vor in der Karibik, in Süd- und Mittelamerika, sagt Jonas Schmidt-Chanasit:
    "Das kann sich aber natürlich auch wieder ändern, die Faktoren, die dazu führen, verstehen wir zum Teil auch noch nicht. Es wird jetzt spannend zu sehen, ob zum Beispiel im Rahmen dieser Wirbelstürme, die aufgetreten sind, ob diese Überschwemmungen und so weiter dazu führen, dass zum Beispiel auch wieder die Stechmückenpopulation größer wird und dass das wiederum diese Zikavirus-Ausbrüche anschiebt. Aber momentan gibt es keine großen Zikavirus-Ausbrüche, die uns irgendwie beunruhigen müssten."