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20 Jahre Smartphone
"Kinder gehen intuitiver an die digitale Technik ran"

Viele Kinder besitzen wie selbstverständlich ein Smartphone. Sie wüssten oft intuitiv, wie sie Apps öffnen oder Inhalte ins Netz stellen können, sagte die IT-Expertin Pia Zimmermann im DLF. Dies gelte jedoch nicht für den sensiblen Umgang mit Daten. Zimmermann riet Eltern deshalb dazu, klare Regeln abzusprechen und Medienkompetenz zu vermitteln.

Pia Zimmermann im Gespräch mit Manfred Götzke | 15.08.2016
    Eine 13-jährige Jugendliche spieltauf ihrem Smartphone das Spiel "Candy Crush".
    Kinder spielen Smartphone-Spiele oft zur Entspannung, sagte IT-Expertin Pia Zimmermann im Interview mit Deutschlandfunk. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Manfred Götzke: Der Nokia 9000 Communicator hatte noch keine Facebook-App oder einen Google-Play-Store, denn beides gab es heute vor 20 Jahren noch nicht. Aber man konnte mit dem 400-Gramm-Handy ins Netz, und damit kann man das Gerät als erstes Smartphone bezeichnen. Damals waren die Dinger was für Manager mit Technikfimmel, heute hat fast jeder ein Smartphone und zwar auch fast jeder Jugendliche. Die IT-Expertin und Mutter Pia Zimmermann nennt sie, diese Jugendlichen, die Generation Smartphone. Und sie hat ein Buch über diese Generation geschrieben, darüber, wie Smartphones, die Digitalisierung, das Leben von Jugendlichen verändern und wie Eltern damit umgehen sollten. Ich habe sie vor der Sendung gefragt, ob die Smartphone-Nutzung der Kinder für die Eltern ein rotes Tuch ist.
    Pia Zimmermann: Na ja, für viele nimmt es Formen an, wo sie anfangen, nachdenklich zu werden. Wo einfach die Zeit zum einen anfängt, eine Rolle zu spielen, aber auch die Inhalte, vielleicht kritisch werden oder die Eltern sagen, hm, da bin ich jetzt nicht so mit einverstanden.
    "Kritischer und interessierter Umgang" mit digitalen Medien
    Götzke: Sie raten, wenn man Ihr Buch so liest, den Eltern zu mehr Gelassenheit im Umgang mit digitalen Medien, mit Smartphones, mit PC-Spielen, Computerspielen. Warum?
    Zimmermann: Gelassenheit, so würde ich es gar nicht ausdrücken, sondern ich würde sagen, sie sollen kritisch und mit dem Nachwuchs irgendwo im Gespräch bleiben. Also nicht die Kinder einfach konsumieren lassen, sondern informiert sein und auch schauen, wo gibt es Risiken? Wo gibt es Chancen? Was sind Dinge, die einfach praktisch sind? Beispiel digitales Lernen, wo kann man da vielleicht Dinge im analogen Leben ergänzen. Gelassenheit würde ich es nicht nennen, sondern, wie gesagt, eher den kritischen und interessierten Umgang.
    Götzke: Was sind denn für Sie, sagen wir mal, die drei wichtigsten Regeln für Eltern im digitalen Alltag ihrer Kinder?
    Zimmermann: Also auf jeden Fall das Interesse zeigen, was nutzt mein Kind. Da durchaus auch mal zusammen mit einem Kind AGB durchlesen und schauen, warum ist das vielleicht erst ab 13, und was impliziert das, wenn Kinder Fotos posten oder Dinge veröffentlichen, wenn im Gruppenchat vielleicht nicht ganz so respektvoll umgegangen wird. Dann wirklich auch Interesse zeigen, wenn Kinder jetzt einfach als Hobby haben, dass sie gerne Computerspiele spielen. Was macht der so, was für Spiele sind das, was ist es, was die Kinder daran so fasziniert. Da vielleicht auch Brücken zu schlagen …
    Smartphone-Umgang: "Im Bett muss das Ding nicht dabei sein"
    Götzke: Also mitspielen.
    Zimmermann: Nicht unbedingt mitspielen. Ich wäre jetzt gerade auf das Thema Gamedesign gekommen – das heißt, es gibt durchaus auch pädagogische Ansätze bei Computerspielen, da vielleicht einfach mal zu schauen, gibt es da Möglichkeiten entweder im Freizeitbereich oder vielleicht bietet ja auch die Schule irgendwie eine AG an. Dann, denke ich einfach, ist es wichtig, auch klare Regeln zu haben und zu sagen, Smartphone ja, ich würde sagen ab einem bestimmten Alter erst und dann nicht dauerhaft. Also da quasi zu schauen, wann braucht man es, wann ist es angemessen und angebracht. Und im Bett abends, denke ich persönlich, muss das Ding nicht unbedingt dabei sein.
    Götzke: Wie sieht das mit den Zeiten aus? Sie haben gesagt, im Bett nehmen Sie das dann Ihrer Tochter oder Ihren Kindern ab, oder?
    Zimmermann: Nein, also abends ist klar, da wird das Handy ins Wohnzimmer gelegt. Und gleich ist es bei den Hausaufgaben, also Hausaufgaben mit Handy, finde ich, geht gar nicht, weil da einfach die Ablenkung zu groß ist.
    Götzke: Ist das Problem dabei, dass die Kinder, die Schüler da einfach auch smarter mit dem Smartphone umgehen können und umgehen als die Eltern?
    Zimmermann: Die Kinder gehen intuitiver an die digitale Technik ran, also haben jetzt keine Probleme, wo klicke ich, wo muss ich da wischen, wie öffne ich irgendwas oder wie stelle ich es ein. Nichtsdestotrotz fehlt ihnen, finde ich, oftmals das informatische Grundwissen – also Datensicherheit, warum, Datenschutz, was bedeutet das –, da fehlt, finde ich, oftmals tatsächlich ein Wissen und auch ein Weitblick.
    Götzke: Das findet in der Schule ja nur teilweise statt, informatisches Grundwissen vermitteln, Medienkompetenz oftmals ja gar nicht – müssen die Eltern das dann leisten, wenn die Schule genau diese Angebote nicht schafft?
    Zimmermann: Also in Deutschland ist es tatsächlich so. Meine eigenen Kinder haben keinen Informatikunterricht und werden auch irgendwann sicherlich ihr Abitur gemacht haben, ohne informatisches Grundwissen erlangt zu haben von der Schule. Ich beobachte, dass es verschiedene Institutionen gibt, die da einspringen, beispielsweise gibt es Präventivkurse von der Kriminalpolizei, die an die Schulen gehen. Nichtsdestotrotz, im internationalen Vergleich sind wir in Deutschland da relativ rückständig, das muss man so sehen.
    Smartphone-Nutzung: "Dieses 'zu viel' ist oft schleichend"
    Götzke: Ich möchte noch mal auf das Thema Computerspiele, auch Smartphone-Spiele kommen. Wie viel ist angemessen und wie viel ist zu viel aus Ihrer Sicht?
    Zimmermann: Ich glaube, da gibt es keine pauschale Antwort. Das ist oft schleichend dieses "zu viel". Das mögen manchmal nur Phasen sein, manchmal sind die Phasen dann aber so ausgedehnt, dass es wirklich bedenklich ist. Bei meinen eigenen Kindern beobachte ich, wenn quasi die Spiele ab und zu zur Entspannung, auch wenn man aus der Schule kommt, acht Stunden Schule hatte, so wie man früher vielleicht den Fernseher eingeschaltet hat, einfach mal eine Stunde daddelt, okay. Ich habe ein Problem, wenn es dann über Stunden, über mehrere Tage und wenn das vor allem Spiele sind, wo man online sozusagen in einer Community ist und da auch im Zugzwang ist, weil einfach man in einem Team spielt und da weiterkommen muss und die Zeit so ein bisschen durch die Finger gleitet.
    Götzke: Vor ein paar Jahren hat der Neurologe Manfred Spitzer Smartphone-Nutzung und PC-Spiele mit digitaler Demenz in Verbindung gebracht – sind unsere Kinder oder werden sie digital dement?
    Zimmermann: Ich denke, man muss aufpassen. Man kann ja alles googeln, man kann alles auf Wikipedia nachlesen – wozu soll ich irgendwas auswendig lernen? Ich denke, es ist wichtig, dass auch in der Schule noch drauf gepocht wird, dass Kinder Dinge auswendig lernen, dass eben nicht alles irgendwo mal kurz gegoogelt und nachgeschlagen werden kann.
    Götzke: Sagt die IT-Expertin Pia Zimmermann. Heute erscheint Ihr Buch "Generation Smartphone", und wir bleiben gleich noch mal beim Thema Smartphone und Bildung und sagen Ihnen, wie man das Gerät als Musikinstrument nutzen kann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.