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50 Jahre Star Trek
"Beamen ist theoretisch machbar"

Star Trek habe die Wissenschaft immer inspiriert, sagte Metin Tolan, Professor für experimentelle Physik an der TU-Dortmund im Deutschlandfunk. Die Star-Trek-Geschichten würden eine Zukunft beschreiben, wie sie tatsächlich sein könnte - sogar Beamen sei theoretisch möglich.

Metin Tolan im Gespräch mit Mario Dobovisek | 08.09.2016
    Die Crew des "Raumschiffes Enterprise" in dem Film "Star Trek VI", (l-r) Walter Koenig, George Takei, DeForest Kelley, Nichelle Nichols, William Shatner, James Doohan und Leonard Nimoy.
    Beamen: aus Physikersicht theoretisch machbar - in der Praxis eher schwierig (dpa/ picture-alliance/ Paramount)
    Mario Dobovisek: Der Weltraum, unendliche Weiten. Heute vor 50 Jahren flog es zum ersten Mal über die Mattscheiben, das Raumschiff Enterprise. Doch Captain Kirk und seine pyjamatragenden Kollegen floppten in den ersten Jahren. Erst später kam der Durchbruch, weitere Serien folgten: The next Generation, Deep Space Nine, Raumschiff Voyager und Enterprise. Über 700 Star Trek-Folgen und Filme gibt es inzwischen, darum herum ein eigenes Fan-Universum, zu dem erstaunlich viele Wissenschaftler und Ingenieure gehören. So inspirierte Star Trek immer wieder Entwicklungen in der realen Welt, das Tablet mit Touchscreen zum Beispiel oder das aufklappbare Handy. Zugeschaltet ist mir Metin Tolan, er ist Professor für experimentelle Physik an der TU Dortmund und hat für sein neues Buch das Star Trek-Universum wissenschaftlich unter die Lupe genommen.
    Wie erklären Sie sich den fast ein halbes Jahrhundert währenden Erfolg einer Serie und Filmreihe, in der es manchmal statt Hollywood-Action nur, sagen wir mal, minutenlange Fachsimpeleien über Subraumspalten, Singularitäten und Tachyonen-Rückstände gibt?
    Metin Tolan: Na ja. Ich denke, erst mal müssen die Geschichten natürlich auch gut sein, und die sind bei Star Trek nicht nur gut, sondern manchmal auch tiefsinnig. Ich vermute mal, das hat auch am Anfang den kleinen Misserfolg verursacht, aber später dann eben nicht mehr. Die Geschichten sind tiefsinnig. Aber eben auch in der Tat: Man hat sozusagen seine Ecke gefunden, nämlich nicht nur einfach Science Fiction zu machen, das konnten auch andere, sondern Science Fiction zu machen, die technologisch ist und eine Zukunft beschreibt, wie sie tatsächlich sein könnte.
    Dobovisek: Nur etwas für Nerds?
    Tolan: Star Trek ist zweifellos etwas für Nerds. Aber ich kenne ganz viele Leute, die ich als Nicht-Nerds bezeichnen würde, die auch Star Trek gucken mit ganz großer Begeisterung.
    "Die Wissenschaft wird von Star Trek inspiriert"
    Dobovisek: Auf der einen Seite Science Fiction im Fernsehen, auf der anderen Seite die mühsame Forschung im realen Labor auf der Erde, hier bei uns in diesem Jahrhundert, in diesem Jahrtausend. Was lernt die Wissenschaft von Star Trek?
    Tolan: Die Wissenschaft wird von Star Trek inspiriert. Sie hatten schon technologische Geräte genannt, aber zum Beispiel wird ein Material in dem 1986 ausgestrahlten Film "Zurück in die Vergangenheit" verwendet, das wird als transparentes Aluminium bezeichnet, ein Material, was besonders leicht sein soll und dabei besondere Festigkeitseigenschaft hat. Ein solches Material ist heute bereits verfügbar mit den Eigenschaften, die damals genannt worden sind in dem Film. Die Materialwissenschaft ist inspiriert davon, immer neue Materialien zu entwickeln, damit man so eine Umgebung, hätte ich jetzt fast gesagt, wie bei Star Trek schaffen kann.
    Star Trek hat Physiker auch inspiriert zu ganz anderen Überlegungen. Die verwenden da ja diesen Warp-Antrieb, um diese riesigen Distanzen im Universum zu überbrücken. Nun ist es so: Den werden wir nie haben, weil die Energiemengen, die wir dafür brauchen, ein bisschen groß sind. Trotzdem haben sich dann Leute angefangen, mal Gedanken zu machen, wie ist denn das Universum eigentlich aufgebaut, kann man den Raum wirklich so zusammenfalten, wie das bei Star Trek passiert. Und da sind dann tatsächlich richtige seriöse wissenschaftliche Veröffentlichungen in dem Gebiet entstanden.
    Dobovisek: Der Antrieb ist ja der Schlüssel für die Raumfahrt, nicht nur bei Star Trek, sondern auch in der realen Welt. Ich habe vor ein paar Tagen mit Jan Wörner darüber gesprochen, dem Chef der Europäischen Raumfahrtagentur, der ESA, und er hat ganz klar gesagt: Wir befinden uns noch nicht einmal annähernd auf dem Weg hin zu einem solchen Antrieb. Nun müssen wir ihn nicht unbedingt Warp-Antrieb nennen, aber wie könnte ein solcher Antrieb der Zukunft aussehen und was lernen wir da aus Star Trek?
    Tolan: Sie brauchen auf der einen Seite natürlich einen Antrieb. Aber das, warum wir so einen guten Antrieb brauchen, ist eher diese gigantische Größe des Universums. Das Universum ist frustrierend groß. Das muss man einfach sagen. Unser kosmischer Nachbar, Alpha Centauri oder Proxima Centauri, ist über 40 Billionen Kilometer von uns entfernt.
    Dobovisek: 4,2 Lichtjahre?
    Tolan: 4,2 Lichtjahre, und da ist unser Nachbar. Das ist der Nachbar, der nächste. Deswegen braucht man Antriebe und unsere normalen Raketenantriebe, wie wir sie im Augenblick haben, auch die allerbesten, würden immer noch 50, 60.000 Jahre benötigen, um uns da hinzubringen. Das einzige was man sich vorstellen könnte wäre, wenn es uns gelänge, in der Zukunft die Kernfusion zu handhaben, die Energiequelle zu nutzen, die auch die Sonne speist. Und wenn man dann eine solche Kernfusion hätte und solche Sachen so verkleinern könnte, dass man sie als Antrieb in ein Raumschiff baut, dann könnten tatsächlich nennenswerte Geschwindigkeiten erzielt werden, zum Beispiel zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit.
    "Sie könnten mich tatsächlich in Strahlungsenergie auflösen"
    Dobovisek: Es gibt ja wahrscheinlich niemanden, der sich nicht schon einmal einen Transporter gewünscht hätte - da sind wir weiter bei dem Überbrücken von Distanzen -, sich einfach an einem Ort auflösen und im gleichen Augenblick an einem anderen weit entfernten wieder materialisieren, wieder auftauchen. Ein filmisches Hirngespinst, oder theoretisch möglich, das Beamen?
    Tolan: Als leidgeprüfter Bahnfahrer wünsche ich mir das natürlich jeden Tag, das Beamen, aber dazu muss man natürlich sagen: Auch wieder theoretisch: Von der physikalischen Seite her machbar. Denn ich glaube, die berühmteste Formel in der Physik ist E gleich MC-Quadrat, hat jeder vielleicht schon mal gehört, Relativitätstheorie. Die Formel sagt aber aus, dass einer Masse eine Energie entspricht. Sie könnten mich tatsächlich in Strahlungsenergie auflösen, genauso wie das bei Star Trek gesagt wird und gemacht wird. Sie können mich dann auch wieder aus dieser Strahlungsenergie zurückverwandeln. Die Formel geht nämlich in beide Richtungen. Sie können auch Energie in Materie verwandeln. Jetzt kommt aber das Aber. Das Aber ist folgendes: Wenn Sie das mit mir täten, mich in Strahlungsenergie zu verwandeln, dann können Sie mal ausrechnen, wieviel Energie entsteht. Da kommt so viel Energie heraus wie die gesamte Bundesrepublik Deutschland in einem Jahr verbraucht, alle Autos, alles was Sie an Wärme brauchen, alles, alles - also eine gigantische Energiemenge, was übrigens nicht an meiner zu großen Masse liegt, die da verwandelt wird, sondern daran, dass das mit dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit multipliziert wird. Sie müssten sich einen Apparat vorstellen, der erst mal diese große Energiemenge, die dann frei wird - das wären ja ein Mehrfaches von Tausenden von Hiroshima-Bomben -, dieser Apparat müsste diese Energiemenge erst mal verkraften. Dann müsste dieser riesige Strahl, dieser Vernichtungsstrahl, hätte ich jetzt fast gesagt, irgendwo hingestrahlt werden, und da müsste ich wieder rückverwandelt werden.
    Wie gesagt: Aus Physikersicht würde ich jetzt sagen, rein technische Probleme, sollen unsere Ingenieure sich mal ein bisschen hinsetzen und das konstruieren. Dann müssten vorher noch die Orte aller meiner Atome bestimmt werden und das müsste abgespeichert werden. Das hätte auch noch gewisse Probleme, denn wir haben zwar große Speicher heutzutage, aber dafür würden Sie noch viel größere brauchen. Sie sehen: Das ist doch eher unwahrscheinlich, dass man das schafft.
    Dobovisek: Sie haben vorhin gesagt, der Weltraum sei frustrierend groß. Und man kann das ja auch ganz gut beobachten bei Star Trek: Die Raumschiffe rasen an einem Klasse M-Planeten nach dem nächsten vorbei, an erdähnlichen Planeten, auf denen intelligentes, auch menschliches Leben möglich wäre. Die große Frage, Herr Tolan: Sind wir allein da draußen?
    Tolan: Das Faszinierende ist, dass die Wissenschaft in den letzten 20 Jahren dieser Frage wirklich so nahe gekommen ist, die Frage zu beantworten, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte. Das muss ich Ihnen wirklich sagen. Das halte ich für mit die fantastischsten Resultate, die da erzielt worden sind. Wir wissen heutzutage, dass das, was wir bei uns in unserem Sonnensystem sehen, dass da ein Stern ist und der wird dann von ein paar Felsklumpen umkreist, dass das offenbar im Universum der Normalfall ist. Das hätte ja auch ganz selten sein können, dann wäre es natürlich auch für Leben schlecht, aber das scheint der Normalfall zu sein. Überall wo man mit Teleskopen hinguckt, findet man Planeten. Sogar auch bei unserem kosmischen Nachbarn, wie wir vor zwei Wochen ja gehört haben. Es gibt so was wie Planeten. Das ist schon mal eine gute Nachricht. Das wusste man nicht vor 20 Jahren. Vor 20 Jahren wusste man nicht, ob es überhaupt Planeten gibt.
    Dann hat man noch näher geguckt und gesehen, es gibt auch unwahrscheinlich viele Planeten im richtigen Abstand. Richtiger Abstand, damit meine ich: Wenn sie zu dicht an ihrem Stern dran sind, ist es zu heiß; wenn sie zu weit weg sind, ist es zu kalt. Wir auf der Erde sind genau im richtigen Abstand. Bei uns ist es nicht zu warm und nicht zu kalt, sondern da ist es im richtigen Abstand, dass so komplexe Lebensformen wie wir entstehen können. Davon scheint es auch viele Planeten im Universum zu geben. Das wissen wir heute mit wissenschaftlicher Präzision sozusagen. Das ist nicht mehr Spekulation, das wissen wir. Wir wissen allerdings noch nicht, was auf diesen Planeten vor sich geht. Das kann man noch nicht nachweisen. Aber die nächste Generation der Teleskope wird da noch einen genaueren Einblick ermöglichen. Und wenn Sie mal überlegen, wie weit das weg ist, und wir können über diese Distanz Informationen mit einer solchen Genauigkeit gewinnen, das finde ich die faszinierendsten Resultate der letzten 20 Jahre. Ich hätte nie gedacht, dass ich vielleicht in meiner Lebensspanne vielleicht noch die Meldung in der Tagesschau hören werde, man hat Leben gefunden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.