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ADAC-Skandal
Glaubwürdigkeit angekratzt

Manipulationen beim Autotest "Gelber Engel" und Vorstandsflüge mit Rettungshubschrauber: "Die Glaubwürdigkeit des ADAC hat einen Kratzer abbekommen" sagte der SPD-Verkehrspolitiker Sören Bartol im Deutschlandfunk. Er forderte eine zügige Aufklärung und mehr Transparenz in der Vereinsarbeit.

Sven Bartol im Gespräch mit Thielko Grieß |
    Thielko Grieß: Der ADAC-Autopreis "Gelber Engel" ist offenkundig doch nichts wert, weil die Zahlen frisiert sind, die Pannenstatistik wird in Zweifel gezogen und das management des ADAC ist in den letzten Jahren fast 30-mal mit Hubschraubern geflogen, mit den Hubschraubern, die sonst als Notretter unterwegs sind in leuchtend gelber Farbe. Clubsprecher Klaus Reindl verteidigt den ADAC gegen Vermutungen, diese Managementflüge seien zulasten von Patienten gegangen!
    O-Ton Klaus Reindl: Das bedeutet, dass immer 15 Hubschrauber als Reserve vorgehalten werden oder in Wartung unterwegs sind oder verlegt werden. Und so ein Ersatzhubschrauber, wenn Sie so wollen, ist bei diesem Flug wohl benutzt worden.
    Grieß: Klaus Reindl, der ADAC-Sprecher. Dennoch könnten diese Berichte aus den vergangenen Tagen Stück für Stück am vielleicht größten kapital des auch an Geld nicht armen ADAC kratzen, seiner Glaubwürdigkeit. Verbunden mit einigen Fragen, die etwa die Größe und die Finanzkraft aufwerfen. Am Telefon ist jetzt Sören Bartol, Fraktionsvize der SPD im Bundestag, und hat in seinem Fachportfolio unter anderem den Verkehr. Guten Morgen, Herr Bartol!
    Sören Bartol: Guten Morgen, Herr Grieß!
    Grieß: Sind Sie ADAC-Mitglied?
    Bartol: Nein.
    Grieß: Sind Sie noch nie abgeschleppt worden, also auf der…
    Bartol: Doch, mir ist schon mal der Reifen geplatzt, aber das hat dann Volkswagen erledigt.
    Grieß: Und Sie waren noch nie angewiesen auf die Hilfe der Gelben Engel?
    Bartol: Nein, war ich noch nicht. Ich hatte die Inspektion gemacht und dann hat das Volkswagen selber gemacht.
    Grieß: Hat die Glaubwürdigkeit des ADAC denn gelitten, sodass Sie nun auch künftig keinen Eintritt erwägen?
    Bartol: Also, die Glaubwürdigkeit des ADAC hat einen Riesenkratzer. Und die Frage ist, wird der Kratzer immer tiefer und steht am Ende der ADAC ohne Glaubwürdigkeit da. Ich glaube, das ist jetzt die Frage, die sich der ADAC vor allen Dingen stellen muss.
    Grieß: Woran liegt das denn, ist er zu groß geworden?
    Bartol: Der ADAC ist ein riesiger, unübersichtlicher Verein, wo, glaube ich, die wenigsten Mitglieder wissen überhaupt, wie dieser Verein funktioniert. Und ich glaube, dass die meisten Mitglieder im ADAC vor allen Dingen die gute Pannenhilfe in Anspruch nehmen, und es gibt auch welche, die sicherlich wegen so was wie zum Beispiel der Luftrettung im ADAC sind. Ich glaube, das sind die Hauptmotivationsgründe.
    Grieß: Kann so ein Verein wie der ADAC, der – Sie haben das gesagt – 19 Millionen Mitglieder hat ungefähr, einen Jahresumsatz, der mit allen Tochterfirmen gemeinsam die Milliarde an Euro im Jahr überschreitet, kann so ein Verein eigentlich ein Verein sein?
    Klare Trennung gefordert
    Bartol: Das ist eine sehr gute Frage, das ist eine gute Frage, das sollte sich der ADAC spätestens jetzt auch stellen, diese Frage, weil, es gibt ja viele Vereine, die auch groß gewachsen sind, die dann aber klare Trennungen – ich glaube, aktuell sehen sie es beim HSV, wo man dann eine klare Trennung zwischen auf der einen Seite dem ehrenamtlichen Verein und auf der anderen Seite der Profi-Abteilung macht –, ich glaube, das ist ganz wichtig. Und vor allen Dingen, es geht ja auch um Transparenz. man kann natürlich auch, wenn man groß ist, für Transparenz sorgen, und das ist im Moment – so sieht es jedenfalls aus – nicht der Fall.
    Grieß: Sie sagen, das sollte man den ADAC fragen, das sollten auch die Mitglieder des ADAC ihren Verein fragen. Aber ich wollte gerne noch mal Sie fragen!
    Bartol: Ja, Sie können mich da gerne fragen, nur das ist so ein bisschen der Punkt, eigentlich müssten sich jetzt die Mitglieder des ADAC fragen: Ist sozusagen die struktur, für die ich jeden Monat meinen Beitrag bezahle, ist diese Struktur in Ordnung, ist es richtig? Was ich mich persönlich frage, ist, ob der ADAC sozusagen noch den richtigen Instinkt besitzt, also vor allen Dingen die Spitze des ADAC. Man muss ja auch aufpassen, dass man jetzt nicht alle unter einen Hut steckt. Aber wenn ich sehe, dass man mit Luftrettungshubschraubern zu Terminen fliegt, dann mag das komfortabel sein, aber es zeugt von einer gewissen Distanz zur Wirklichkeit.
    Alles muss jetzt auf den Tisch
    Grieß: Glauben Sie, dass das ADAC-Management zurücktreten sollte?
    Bartol: Auch diese Frage, finde ich, kann man schlecht von außen beantworten. Ich glaube, es ist fatal, wenn scheibchenweise immer neue Sachen jetzt das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Also sozusagen, eine Führungsfunktion beinhaltet auch, dass man in Krisensituationen reinen Tisch macht, dass man sich Hilfe von außen holt, dass man auch in den Verein reinschauen lässt, dass man jetzt möglichst schnell und möglichst zügig für Aufklärung sorgt. Problematisch wird es immer, wenn man am Ende Teil des Problems wird.
    Grieß: Also noch einmal die Frage an Sie: Stimmen die politischen Rahmenbedingungen für Vereine wie den ADAC?
    Bartol: Vereinsrecht ist jetzt nicht sozusagen mein politischer Schwerpunkt. Ich glaube schon, dass sich das Vereinsrecht in Deutschland insgesamt sehr bewährt hat. Ich glaube aber, dass, gerade wenn man so einen großen Verein hat, sozusagen die Frage von ehrenamtlichem Engagement und sozusagen Interessensvertretung für die Mitglieder auf der einen Seite und die Frage wirtschaftlicher Betätigung auf der anderen Seite wesentlich klarer und wesentlich deutlicher voneinander getrennt werden muss, auch im Interesse der Mitglieder, weil es natürlich ansonsten auch zu Verquickungen kommen kann von Interessen.
    Grieß: Ich meine, es wird schon auch Menschen geben, die etwa in Sportvereinen oder anderen kleineren Vereinen tätig sind, die gelegentlich Prüfungen über sich ergehen lassen müssen, ob sie denn den Vereinsstatus zu Recht haben, ob sie nicht auch profitorientiert sind. Und die lesen jetzt in der Zeitung, aha, eigentlich müssten wir nur eine halbwegs intelligente Struktur aufbauen, dann könnten wir auch Profit machen!
    Bartol: Ja, ich hoffe auch, dass der ADAC immer sauber und ordentlich geprüft wurde, dass sozusagen das, was der ADAC sich aufgebaut hat, auch das relativ verschachtelte System…
    Grieß: Oh, Herr Bartol, Sie sind nicht mehr in der Leitung, glaube ich? Doch, da sind Sie wieder, Herr Bartol, hören Sie mich?
    Bartol: Ja, ich höre Sie noch!
    Grieß: Da ist ein halber Satz verloren gegangen! Setzen wir noch mal ein mit der Frage oder mit dem Aspekt des Lobbyismus! Wie erleben sie als Verkehrspolitiker den ADAC und dessen Lobbymacht?
    ADAC hat eine große Lobbymacht
    Bartol: Der ADAC hat eine sehr große Lobbymacht, natürlich auch deswegen, weil er sehr, sehr viele Mitglieder hat. Es gibt wenig so große Organisationen in Deutschland und natürlich setzt er das auch aus. Der ADAC kann sich im Gegensatz zu anderen Vereinen auch eine eigene Öffentlichkeit schaffen durch seine Mitgliederzeitschrift. Aber auf der anderen Seite, wenn ich jetzt mal unterteile zwischen dem, was in München passiert, und dem, was in Berlin passiert: In Berlin habe ich den ADAC immer transparent und ehrlich und sauber in seiner Lobbyarbeit erlebt. Ich finde, am Ende muss jeder Abgeordnete selber für sich entscheiden, lässt er sich sozusagen von Argumenten beeindrucken, ja oder nein. Ich finde, das ist im Lobbyismus immer so, dass man am Ende selber auch entscheiden muss. Und da unterscheidet sich der ADAC nicht von anderen Lobbygruppen, die ja mittlerweile kaum mehr zu zählen sind in Berlin.
    Grieß: Es gibt ein Beispiel aus der vergangenen Legislaturperiode: Schwarz-Gelb hat den Busverkehr auf den deutschen autobahnen zwischen den Städten liberalisiert, der ADAC hat darauf hingewirkt, hat dafür die Lobby betrieben und hat jetzt umgehend ein eigenes Busunternehmen gegründet zusammen mit der Deutschen Post. Ist das legitim?
    Bartol: Das ist legitim, das ist auf jeden Fall legitim. Ich kann das auch sagen, weil ich selber verhandelt habe. Und da ich selber verhandelt habe, weiß ich auch, dass der ADAC natürlich auch ein Gesprächspartner war, aber am Ende sozusagen ja nicht an den Entscheidungsprozessen in dem sinne mitgewirkt hat. Also, wenn Sie wüssten, wie viele Leute gerade in diesem Bereich versucht haben, ihre Interessen durchzusetzen, dann dürfte am Ende in Deutschland kein einziges Busunternehmen mehr mit Fernbussen fahren, weil eigentlich alle versucht haben damals, auf die politischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Das ist so in Berlin, es gibt unglaublich viele Interessen in der Bundesrepublik Deutschland und alle versuchen, ihre Interessen da, wo es entschieden wird, nämlich beim Deutschen Bundestag, einzubringen. Ich finde, am Ende liegt da die Verantwortung bei den Abgeordneten, und ich finde, das sollten wir auch nicht auf andere wegdrücken.
    Grieß: Ich frage mal andersherum: Wozu brauchen Sie als Politiker, als Verkehrspolitiker Organisationen wie den ADAC?
    Bartol: Solche Organisationen, auch der ADAC, haben natürlich in vielen Bereichen eine hohe Reputation. Deswegen ist es ja auch so wichtig, die jetzt nicht zu verspielen. Ich denke an Tunneltests, ich denke an den Test von Produkten aus der Automobilwelt, aber auch an Crashtests und andere Dingen. Und natürlich ist es interessant, sich über solche Fragen dann auch mit Experten auszutauschen. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig für Politik, dass Politik nicht immer meint, alles alleine entscheiden zu müssen und zu können, also sich auch Fachwissen von außen reinzuholen. Das ist für mich auch sozusagen ein Pool an Fachwissen. Ob man am Ende sozusagen die einzelne Organisation braucht, das ist natürlich Quatsch. Es gibt im Automobilbereich sehr viele Organisationen, wo sehr viel Fachwissen vorhanden ist, aber ich habe den ADAC bei allem, was man auch sehr strittig und kritisch miteinander diskutiert hat, am Ende dann natürlich auch an der einen oder anderen Stelle als guten Ratgeber gesehen.
    Grieß: Und als ehrlich, haben Sie in einer Antwort kurz zuvor gesagt. Wann ist Einfluss ehrlich?
    Bartol: Wenn Transparenz stattfindet. Wenn es transparent stattfindet, wenn es mit offenem Visier ist, wenn es nicht hintenrum passiert, sondern wen man sagt: Ich als ADAC bin der Meinung, das und das sollte gemacht werden. Dann habe ich die Möglichkeit, dieses Argument für mich abzuwägen, mit anderen abzugleichen und am Ende für mich auch zu einer Entscheidung zu kommen. Was immer schlimm ist, ist Lobbyismus – und wie gesagt, das gilt für alle –, der hintenrum geht, wo man nicht mehr weiß, ist das nur Lobbyismus oder ist das eine andere Tätigkeit. da wird es dann immer gefährlich und da muss sich jede Lobbyorganisation immer wieder fragen, mache ich das richtig, erfülle ich dort die Regeln.
    Grieß: Der ADAC, seine Glaubwürdigkeit und seine Lobbymacht. Das war Sören Bartol, SPD-Fraktionsvize im Bundestag, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch!
    Bartol: Ja, bitte, auf Wiedersehen!
    Grieß: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.