AfD-Mitglieder im Staatsdienst
Beamte müssen zum Grundgesetz stehen

Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz hat die Debatte angeheizt, ob Mitglieder der Partei Beamte sein dürfen. Zwei Länder haben verschärfte Maßnahmen gegen AfD-Mitglieder im Staatsdienst eingeleitet.

    Zwei Hände streichen über die Ränder eines deutschen Grundgesetzes.
    Beamte müssen sich laut Bundesverfassungsgericht mit der "freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates identifizieren". (IMAGO / Christian Ohde)
    Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft. Die Partei wehrt sich juristisch dagegen, die Einstufung liegt deshalb vorerst auf Eis. Wie das Verfahren ausgeht, könnte auch Konsequenzen für AfD-Mitglieder im Staatsdienst haben.

    Inhalt

    Was unternehmen die Länder gegen AfD-Mitglieder im Staatsdienst?

    Im Juli 2025 sorgte die Ankündigung des Innenministeriums von Rheinland-Pfalz, wonach eine Einstellung in den Staatsdienst für AfD-Mitglieder künftig ausgeschlossen sei, bundesweit für Aufsehen. Nach öffentlicher Kritik betonte das Ministerium, jeder Fall werde einzeln geprüft. Im Einstellungsverfahren soll es eine schriftliche Belehrung zur Verfassungstreue geben. Bewerberinnen und Bewerber werden gefragt, ob sie Mitglied in einer extremistischen Organisationen sind. Die Abfrage bezieht sich auf aktuelle Mitgliedschaften und auf die vergangenen fünf Jahre. Auf der Liste extremistischer Organisationen steht in Rheinland-Pfalz auch die AfD.
    „Wer sich in den Dienst dieses Staates stellt, muss jederzeit loyal zur Verfassung stehen, ohne Wenn und Aber“, sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD). Bewerber für den Staatsdienst, die die Erklärung verweigern „und dadurch begründete Zweifel an der eigenen Verfassungstreue im Rahmen einer Einzelfallprüfung nicht ausräumen“, würden „nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Auch für bereits bestehende Mitarbeitende könne die Mitgliedschaft in einer solchen gelisteten Organisation ein „disziplinarrechtlich relevantes Dienstvergehen“ darstellen.
    Entscheidend sei der jeweilige Einzelfall, betonte das Ministerium. Das Land Rheinland-Pfalz verschärfte eine bereits bestehende Verwaltungsvorschrift. Es kann also sein, dass AfD-Mitglieder bei einem Bewerbungsverfahren darlegen müssen, wie sie zu bestimmten Positionen der Partei stehen.
    Bereits im Juni 2025 hatte das von CSU und Freien Wählern regierte Bayern mitgeteilt, die AfD in das „Verzeichnis extremistischer und extremistisch beeinflusster Organisationen“ aufzunehmen, das Teil der Bekanntmachung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst sei. Auf eine gemeinsame Linie konnten sich die Bundesländer bisher nicht einigen, auch weil es unterschiedliche Einschätzungen der jeweiligen Verfassungsschutzämter zur AfD gibt. Offenbar warten einige Länder auch noch ab, ob die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz des Bundes vor den Gerichten Bestand haben wird.

    Was sagt das höchste deutsche Gericht zum Thema?

    Das Bundesverfassungsgericht hat den Beamtinnen und Beamten in Westdeutschland bereits im Jahr 1975 auferlegt, verfassungstreu zu sein. Da der Beschluss wichtige Nuancen aufweist, hier ein längeres Zitat:

    Gemeint ist (…) die Pflicht zur Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik üben zu dürfen, für Änderungen der bestehenden Verhältnisse - innerhalb des Rahmens der Verfassung und mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln - eintreten zu können, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. (…). Unverzichtbar ist aber, daß der Beamte den Staat - ungeachtet seiner Mängel - und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung, so wie sie in Kraft steht, bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. (…). Die politische Treuepflicht – Staats- und Verfassungstreue - fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, daß er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.

    Das Gericht verwies zudem darauf, dass maßgeblich für die Frage, ob ein Beamter in seinem Amt die politische Treuepflicht verletze, das Verhalten sei. Teil dieses Verhaltens, das für die geforderte Beurteilung der Persönlichkeit erheblich sein könne, kann auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein, die verfassungsfeindliche Ziele verfolge, - unabhängig davon, ob ihre Verfassungswidrigkeit durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt sei, heißt es in einem Artikel des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem Jahr 2021. 
    Die Bundesländer haben sich aufgrund der geltenden Rechtsprechung Grundsätze für die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den gesamten öffentlichen Dienst, also nicht nur für Beamte, gegeben – hier zum Beispiel eine Vorschrift aus NRW.

    Wie geht der Bund mit Extremisten im Staatsdienst um?

    Erst im April 2024 war eine Reform des Disziplinarrechts des Bundes in Kraft getreten. Damit können „Verfassungsfeinde“ nach Angaben des Bundesinnenministeriums „schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden“.
    Künftig werden demnach alle Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der Entfernung aus dem Dienst, durch Disziplinarverfügung der zuständigen Behörde ausgesprochen: „Das langwierige verwaltungsgerichtliche Disziplinarklageverfahren entfällt. Dabei bleibt der Rechtsschutz für Betroffene gewährleistet“, heißt es in der Pressemitteilung. Außerdem gelte nun, dass eine rechtskräftige Verurteilung wegen Volksverhetzung bereits bei einer Freiheitsstrafe ab sechs Monaten zum Verlust der Beamtenrechte führt.
    Die Hochstufung der AfD stelle „die Feuertaufe des neuen Bundesdisziplinargesetzes dar“, schrieb der Verwaltungsrechtler und Dienstrecht-Experte Robert Hotstegs in einem Aufsatz für das Fachmagazin Legal Tribune Online. Dies gelte umso mehr, als der Bundestag dem Dienstherrn seit dem vergangenen Jahr die Möglichkeit eingeräumt habe, „alle denkbaren Disziplinarmaßnahmen durch eine Disziplinarverfügung auszusprechen“.

    Welche Kritik gibt es an den verschärften Regelungen?

    Die betroffene Partei reagiert erwartungsgemäß ablehnend. Die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel sprach mit Blick auf die Entscheidung in Rheinland-Pfalz von einer „erschreckenden Diskriminierung politischer Meinung“. Allgemeiner hatte die AfD schon vorher eine Handreichung erarbeitet, weil man offenbar fürchtet, Staatsdiener von der Partei abzuschrecken. Darin rät man, persönliche Angriffe zu unterlassen und sich von Äußerungen abzugrenzen, die man für verfassungsfeindlich hält.
    Der Verfassungsrechtler Josef-Franz Lindner von der Universität Augsburg sagte dem SWR: "Wenn ein Bewerber angibt, Mitglied in der AfD zu sein, dann muss der Dienstherr mit dem Bewerber ein Gespräch führen. Darin muss er zum Beispiel nachfragen, wie der Bewerber zu den verfassungsrechtlich problematischen Äußerungen der Partei steht, ob er sich damit identifiziert. Dann muss der Dienstherr nachhaken, ob der Bewerber nur passives Mitglied oder sogar aktives Mitglied ist. Ob er Ämter und Funktionen in der AfD hat. Warum er in die Partei eingetreten ist und so weiter."
    Ziel dieser Einzelfallprüfung sei es, festzustellen, ob der Bewerber mit beiden Füßen fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, sprich: verfassungstreu sei, so Lindner. Der Staatsrechtler Joachim Wieland von der Universität Speyer wies darauf hin, "es kann dabei herauskommen, dass jemand Mitglied der AfD ist und trotzdem deutlich machen kann, dass er fest auf dem Boden der Verfassung steht". Zudem sagte Wieland: „AfD-Mitglieder haben sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention Anspruch auf eine Prüfung im Einzelfall, ob ihre Mitgliedschaft in der AfD gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue verstößt.“

    Welche Präzedenzfälle in der Geschichte der Republik gab es?

    Kontrovers und erbittert wurde über die sogenannten Berufsverbote debattiert. 1972 fassten der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und die Ministerpräsidenten der mehrheitlich Unions-geführten Bundesländer den sogenannten Extremistenbeschluss. Die als „Radikalenerlass“ bekannt gewordene Anordnung an alle Staatsbehörden besagte: Anhänger radikaler politischer Gruppierungen sind vom öffentlichen Dienst fernzuhalten. In Zeiten der RAF zielte der Erlass vor allem auf Linksradikale ab. Ab 1985 wurde der Radikalenerlass schrittweise in den Ländern außer Kraft gesetzt. 1991 rückte auch Bayern davon ab.
    Es gibt aber auch aktuell ganz ähnliche Fälle: Anfang 2025 berichteten mehrere Medien, dass Bayern einer jungen Klimaaktivistin die Übernahme ins Referendariat als angehende Lehrerin verweigert. Die Lehramtsstudentin kündigte rechtliche Schritte an.

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