AfD-Einstufung
Wie geht der Rechtsstreit zwischen AfD und Verfassungsschutz weiter?

Die AfD klagt gegen ihre Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz. Dieser setzt die Bewertung vorerst aus. Was steht im geleakten AfD-Gutachten? Und wie geht es juristisch weiter?

    Die Bronzestatue der Justitia vor dem Logo der AfD – Symbolbild für den Rechtsstreit um die Einstufung der Partei als "gesichert rechtsextremistisch".
    Recht gegen Rechts? Die AfD klagt gegen ihre Einstufung durch den Verfassungsschutz – das Gericht muss entscheiden. Bis dahin gilt die Partei nur noch als Verdachtsfall. (IMAGO / Herrmann Agenturfotografie / Udo Herrmann)
    Am 2. Mai 2025 hat der Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Grundlage ist ein über 1000 Seiten langes Gutachten, das die Behörde bislang unter Verschluss hält. Inzwischen ist es jedoch über verschiedene Medien einsehbar.
    Gegen die Einstufung wehrt sich die AfD juristisch mit Klage und Eilantrag. Der Verfassungsschutz setzte daraufhin die öffentliche Einstufung vorerst aus – mit einer sogenannten Stillhaltezusage.

    Inhalt

    Was steht im Verfassungsschutzbericht?

    Von offizieller Seite ist das vollständige Dokument weiterhin unter Verschluss, da es laut Innenministerium auch schutzbedürftige nachrichtendienstliche Quellen enthält. Das Magazin Cicero veröffentlichte inzwischen jedoch das ganze Gutachten. Es stützt sich in der überwiegenden Mehrheit auf öffentlich einsehbare Aussagen von AfD-Funktionären, die aus Sicht der Behörde eine verfassungsfeindliche Haltung der Partei auf Bundesebene belegen.
    Dabei geht es vor allem um Postings über die Kanäle des AfD-Bundesvorstands. Außerdem um Äußerungen von Mitgliedern des Bundesvorstands, von den Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla.
    Die freiheitlich demokratische Grundordnung als Schutzgut wird in mehrere Bereiche untergliedert. Zu diesen einzelnen Bereichen hat das Bundesamt Belegsammlungen über AfD-Aussagen angelegt. Konkret geht es um die Menschenwürde, das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip und die Haltung zum Nationalsozialismus. Darüber hinaus werden auch Verbindungen zu anderen Organisationen, die als rechtsextrem eingestuft sind, belegt.
    Zentrale Themenfelder, die den Vorwurf des Rechtsextremismus untermauern sollen, sind beispielsweise ein ethnisch definiertes Volksverständnis, das Menschen mit Migrationsgeschichte systematisch ausgrenzt. Des Weiteren eine dauerhafte Fremdenfeindlichkeit, zugespitzt mit Begriffen wie „Messermigration“ oder „Abschieben schafft Wohnraum“.  Eine islamfeindliche Rhetorik, etwa durch Warnungen vor einem „Kalifat Deutschland“ ebenso wie gezielte Angriffe auf demokratische Institutionen – darunter Verschwörungserzählungen.
    Der Soziologe und Rechtsextremismusforscher Matthias Quent sah schon in den 17 Seiten, die Tage vor dem gesamten Gutachten geleakt worden waren, klare Hinweise auf eine Radikalisierung an der Spitze der Partei: „Der wichtigste Punkt ist, dass viele Belegstellen darauf verweisen, dass der Rechtsextremismus in der AfD nichts Randständiges ist, sondern dass die zentralen, völkisch-nationalistischen [...] Aussagen und Positionen auch von relevanten Mitgliedern des AfD-Bundesvorstandes getätigt werden.“

    Was bedeutet die "Stillhaltezusage" des Verfassungsschutzes?

    Der Verfassungsschutz hat zugesagt, die AfD vorerst nicht weiter als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ zu bezeichnen. Die Behörde reagierte damit auf einen Eilantrag und eine Klage der AfD, die die Partei Anfang Mai beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht hatte. Mit der sogenannten Stillhaltezusage will der Verfassungsschutz dem Gericht ermöglichen, das Verfahren in Ruhe zu prüfen. Bis eine Entscheidung gefallen ist, wird die AfD also weiterhin nur als Verdachtsfall behandelt.
    „Diese Stillhaltezusage ist durchaus üblich und hat überhaupt keine Aussage über die Erfolgsaussichten der AfD in ihrem Klageverfahren und dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren“, erklärt der Rechtswissenschaftler Johannes Buchheim. Sie sei „der rechtsstaatliche Normalfall“ und eine Form der Zusammenarbeit zwischen Gericht und Behörde, bei der das Gericht keine sofortige Zwischenentscheidung – einen sogenannten Hängebeschluss – treffen muss.
    Buchheim zufolge könnte die Behörde die Stillhaltezusage jederzeit wieder zurückziehen, zum Beispiel, wenn sie eine besonders gefährliche Entwicklung innerhalb der AfD beobachtet. Dann dürfte sie auch vor Abschluss des Verfahrens nach der neuen Einstufung handeln.
    Die AfD sieht in der Aussetzung einen politischen Erfolg. Parteichefin Alice Weidel sprach von einem „ersten Schritt in die richtige Richtung“.

    Wie geht es jetzt juristisch weiter?

    Der Rechtswissenschaftler Johannes Buchheim rechnet mit einem langwierigen Verfahren: Auf den Eilantrag der AfD beim Verwaltungsgericht Köln dürfte ein Hauptsacheverfahren folgen. Darin prüft das Gericht, ob die Hochstufung als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ rechtlich zulässig war und ob der Verfassungsschutz dauerhaft weitergehende Befugnisse anwenden darf. Der Rechtsstreit um die Frage, ob die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden darf, könnte sich über mehrere Jahre hinziehen. 
    Auch Verfassungsrechtler Alexander Thiele rechnet mit einem langen Prozess. Solche Verfahren, so Thiele, seien wichtig, um den Verdacht politischer Einflussnahme auszuräumen. Für die Bewertung einer ganzen Partei reichten einzelne extreme Aussagen nicht aus. Entscheidend sei, dass sich eine verfassungsfeindliche Haltung durch die Partei als Ganzes ziehe.

    Was würde sich durch die Hochstufung der AfD zur „gesichert rechtsextremen“ Partei ändern?

    Bei einer Hochstufung sinken für den Verfassungsschutz die Hürden, um nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen, darunter zum Beispiel V-Leute, Observationen verdeckte Ermittlungen oder Bild- und Tonaufnahmen.
    Spürbare Folgen könnte die Hochstufung auch für Beamtinnen und Beamten mit AfD-Parteibuch haben. Denn: „Die Mitgliedschaft in einer gesichert rechtsextremen Organisation kann durchaus zu Disziplinarmaßnahmen führen“, erklärt Verfassungsrechtler Alexander Thiele. Das gilt vor allem, wenn Beamte aktiv in der Partei tätig sind, etwa in Funktionärsrollen.
    Auch ein Parteiverbot der AfD folgt nicht automatisch aus der Hochstufung, erklärt Thiele. Den Antrag auf ein Parteiverbot können nur der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung stellen. Über ein Parteiverbot entscheidet dann das Bundesverfassungsgericht. Und das muss alle Beweise unabhängig vom Verfassungsschutz selbst prüfen. Das Gutachten könnte dabei aber eine wichtige Rolle spielen.
    Fakt ist: Mit einer neuen Bewertung könnte die AfD offiziell als verfassungsfeindlich gelten. Das könnte auch Folgen für ihre staatliche Parteienfinanzierung haben. Seit 2017 kann Parteien, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeiten, der Anspruch auf staatliche Mittel entzogen werden.

    ema, jk