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AfD
Selbstbewusstsein mit Programm

Der Islam war das zentrale Thema auf dem AfD-Parteitag in Stuttgart. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" heißt es wörtlich im Grundsatzprogramm. Es gab viele selbstbewusste Reden, es gab Klagen über eine Intoleranz der "Altparteien" - und die parteiinternen Debatten waren weniger chaotisch als sonst.

Von Henry Bernhard | 01.05.2016
    Sie sehen viele Arme, die Zettel hochhalten, und im Hintergrund AfD-Chefin Petry.
    Die AfD-Vorsitzende Petry während einer Abstimmung auf dem Programmparteitag in Stuttgart. (AFP / Philipp Guelland)
    Zwei Tage harter Arbeit liegen hinter den gut 2.000 AfD-Mitgliedern, die sich in Stuttgart versammelt hatten. 1.400 Seiten Änderungsanträge zum erarbeiteten Grundsatzprogramm lagen ihnen vor, sie diskutierten stimmenreich und kontrovers. Im Großen und Ganzen konnte sich der Leitantrag der Bundesprogrammkommission durchsetzen.
    Die AfD bleibe, so Jörg Meuthen, eine "modern-konservative, freiheitliche und patriotische Partei". Sie sei "nicht neoliberal" und "nicht reaktionär". Ihr Parteiprogramm sei ein "Fahrplan in ein anderes Deutschland",

    "…und zwar in ein Deutschland weg vom links-rot-grün-verseuchten 68er-Deutschland, von dem wir die Nase voll haben."

    Die AfD spricht sich in ihrem Grundsatzprogramm für eine grundlegend andere Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik aus. Der "irregulären Einwanderung über das Asylrecht" sei Einhalt zu gebieten, Einwanderung und Asyl dürften nicht vermischt werden, die europäischen Grenzen sollten dichtgemacht und auch die deutschen Grenzen geschützt werden.

    Der – Zitat – "irregeleitete Humanitarismus" der Bundesregierung berge die Gefahr von "sozialen und religiösen Unruhen" und drohe, die europäischen Kulturen schleichend auszulöschen. Auch die Freizügigkeit innerhalb der EU-Staaten solle gegebenenfalls eingeschränkt werden.
    Keine Minarette, kein Muezzin-Ruf
    Der Islam in Deutschland war das zentrale Thema der zweitägigen Debatten: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" heißt es wörtlich im Grundsatzprogramm. Minarette und den Muezzin-Ruf lehnt die AFD ab. Moscheen dürften weder von anderen Staaten noch von nicht-deutschen islamischen Organisationen finanziert werden, ebenso wenig von verfassungsfeindlichen Vereinen.
    Zwar wolle man dem Islam die Religionsfreiheit des Grundgesetzes zugestehen, aber nicht im vollen Umfang, wie der Islamwissenschaftler Hans-Thomas Tillschneider unter Beifall ausführte.

    "Der Islam ist bei uns fremd, und deshalb kann er sich nicht im gleichen Umfang auf die Religionsfreiheit berufen wie das Christentum. Das heißt, er kann sich natürlich auch auf die Religionsfreiheit berufen, aber nicht im gleichen Umfang. Es gilt da ein Kulturvorbehalt."

    Anträge, die lediglich den politischen Islam ablehnten, fanden keine Mehrheit.
    Auch zur Staatsverfassung der Bundesrepublik hat das beschlossene AfD-Programm viele Änderungswünsche: Der Bundespräsident solle direkt gewählt, Volksentscheide nach Schweizer Vorbild eingeführt werden; Abgeordnete sollten maximal vier Legislaturperioden in Parlamente gewählt werden dürfen. Es sei denn, sie erringen Direktmandate.
    Zur Außen- und Sicherheitspolitik: Die AfD fordert den Abzug aller NATO-Truppen und aller Atomwaffen aus Deutschland. Einwände, dass die Bundeswehr momentan gar nicht in der Lage wäre, Deutschland zu verteidigen, blieben unerhört. Dafür solle die Wehrpflicht wieder eingesetzt werden. Die Türkei solle niemals Mitglied der EU werden können.
    Mittelfristig mitregieren
    Familien und deren Kinder will die AfD politisch wie steuerlich besser stellen; die Zahl der Abtreibungen soll sinken. Dies soll durch eine veränderte Beratung von Schwangeren erreicht werden. Damit und nicht durch Zuwanderung sollen die demographischen Probleme Deutschlands gelöst werden. Überhaupt soll die klassische Familie wieder zum Leitbild der Gesellschaft werden.
    In Grundsatzreden stellte die AfD ihr mit den jüngsten Wahlerfolgen gewachsenes Selbstbewußtsein zur Schau. Man will mittelfristig mitregieren, man will einen eigenen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl stellen. Und: Man beschwert sich über die angebliche Intoleranz der sogenannten "Altparteien". Ein Beispiel für die Toleranz der AfD gab diese heute selbst.

    "Damit wir die Zeit ein bisschen überbrücken. Es gibt eine Info, und zwar in Zwickau ist heute der Herr Maas (Anm. d. Red. Der Bundesjustizminister) von der 1.-Mai-Demo davongejagt worden, und er ist mit seinem Auto geflohen, und das fand ich richtig gut."
    Die interne Diskussion verlief jedoch fair und deutlich weniger chaotisch als auf früheren AfD-Parteitagen. Gegen Ende des Jahres soll es den nächsten AfD-Parteitag geben. Dann soll der Spitzen-Kandidat für die Bundestagswahl 2017 bestimmt werden.