Christoph Heinemann: Am Telefon ist der SPD-Politiker Karsten Voigt, der Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Guten Tag!
Karsten Voigt: Schönen guten Tag, Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Voigt, entspricht das Ergebnis Ihren Erwartungen?
Voigt: Ich habe durchaus damit gerechnet, dass Obama in dem Staat Iowa das Rennen machen würde. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sein Vorsprung so groß werden würde, und erst recht nicht damit, dass Hillary Clinton, knapp zwar, aber immerhin, nicht auf den zweiten, sondern auf den dritten Platz kommt.
Heinemann: Im Gegensatz zu der vergreisenden Bundesrepublik ist Amerika eine junge Nation, das einzige Land des Westens, dessen Geburtenrate ausgeglichen ist. Erklärt dies vielleicht den Reiz, der von den jugendlich wirkenden Kandidaten ausgeht, von Kennedy über Clinton bis jetzt zu Obama?
Voigt: Nur zum Teil. Ich glaube, etwas anderes spielt da eine größere Rolle. Dies ist ein Land, das eine lange Tradition hat, aber immer wieder in Wahlkämpfen und besonders bei den Wahlen zum Präsidenten sich in einem ständigen Prozess der Erneuerung, der inneren Umwälzung sehen will, ein Land der - wenn man so will -, der permanenten Revolution, wobei man Revolution jetzt nicht im trotzkistischen Sinne zu verstehen hat.
Heinemann: Revolution in beide Richtungen?
Voigt: Ja, in einem Land, das Umbrüche liebt und gleichzeitig die Kontinuität, nationale Symbole und Interessen pflegt.
Heinemann: Beide Sieger von Iowa sind außenpolitisch vielleicht nicht ahnungslos, wohl aber ohne Erfahrung. Sehen Sie wesentliche Unterschiede?
Voigt: Ich sehe die Unterschiede zwischen Obama und Hillary Clinton nur graduell. Sie spielen natürlich im inneramerikanischen Wahlkampf eine große Rolle. Die eine hat am Anfang für den Irak-Krieg gestimmt, Obama war immer dagegen. Das wird jetzt in den Vorwahlkämpfen sozusagen ein Thema sein. Aber wenn man das mal aus der Distanz sieht als Europäer, da muss man sagen, ja, wir haben überwiegend gemeinsame Interessen, wir vertreten überwiegend gemeinsame Werte. Aber selbst Obama hat nie ausgeschlossen, dass er amerikanische Truppen auch in einen Einsatz schicken würde ohne ein UN-Mandat. Und die Vorstellung, die bei uns im Grundgesetz ja richtig verankert ist, dass Völkerrecht Vorrang hat vor nationalem Recht, die ist eine Vorstellung, die im amerikanischen Kongress keine Mehrheit finden würde und auch nicht der amerikanischen Verfassungstradition entsprechen würde. Insofern bleiben auch immer, bei aller Gemeinsamkeit, Unterschiede in den Traditionen. Und natürlich gibt es auch den Unterschied zwischen einer Weltmacht und einer regionalen bedeutsamen Macht wie Deutschland.
Heinemann: Wie sieht es auf republikanischer Seite aus, bei Huckabee zum Beispiel?
Voigt: Huckabee ist ja in Bezug auf sein außenpolitisches Profil bisher wenig klar und eindeutig. Er ist aber klar in Bezug auf seine Werteorientierung. Er vertritt das, was die Amerikaner "social conservative" nennen. Das ist keineswegs zu verwechseln mit dem, was bei uns Christdemokraten vertreten. Das ist eine Vorstellung, die eher an sehr, sehr traditionelle Vorstellungen in Bezug auf Familienwerte anknüpft, die auch von Bush gepflegt wurden. Das ist eine Art von protestantischem konservativen Grundverhalten, das auch von einigen Katholiken geteilt wird, aber doch überwiegend im protestantischen Bereich verankert ist, und das sehr fest in seinen Wertvorstellungen ist. Das kann auch ein Zeichen der Stärke sein. Aber das wird natürlich das spontane Verständnis für das in dieser Hinsicht doch viel, viel säkularere und in der Beziehung liberalere Europa, wird das spontane Verständnis das nicht gerade erleichtern. In anderen Fragen ist die USA liberaler, aber in solchen Fragen der Werteorientierung, glaube ich, ist Europa doch, was Familienwerte und so weiter angeht, in den letzten Jahrzehnten in eine liberale Richtung gegangen.
Heinemann: Herr Voigt, wird es, gemessen an der Politik des jetzigen Präsidenten, ab dem kommenden Jahr in jedem Fall, also unabhängig davon, wer ins Weiße Haus einzieht, einen neuen außenpolitischen Kurs geben, etwa in der Frage Irak, Afghanistan?
Voigt: Alle wollen den Irak-Krieg so schnell wie möglich beenden. Die Gewalt nimmt ja jetzt auch innerhalb Iraks ab. Das wird vielleicht dazu führen, dass das Thema nicht mehr so kontrovers behandelt wird im Wahlkampf, wie es vorher zu sein schien. Aber kein amerikanischer Präsident wird an der Tatsache vorbeisehen können, dass seine Truppen, die amerikanischen Truppen nicht sofort aus dem Irak zurückgezogen werden können, sondern dass man das erst allmählich tun kann. Das werden sie aber alle wollen. Und gleichzeitig wird das Engagement in Afghanistan bleiben, und da werden sie natürlich nicht nur fordern von den Europäern, dass wir unser Engagement beibehalten, sondern sie werden bestimmt fordern, dass wir es erhöhen.
Heinemann: Wird sich das außenpolitische Interesse der Amerikaner in Zukunft weiter von Europa weg hin nach Asien orientieren?
Voigt: Es gibt eine grundlegende Veränderung, die sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat und die auch bleiben wird, unabhängig davon, wer jetzt Präsident wird. Das ist der Tatbestand, dass Europa jetzt nicht mehr als ein Kontinent angesehen wird, der die amerikanische Beachtung verdient, weil es ein Krisenherd ist oder ein potenzieller Konfliktherd ist, sondern Europa wird jetzt in dem Sinne interessant sein und auch gefordert sein, wo es bei der Lösung von Problemen in anderen Teilen der Welt hilft. Das heißt, wir werden als Sicherheitsexporteur gefragt, und wir werden gefragt, wie wir in Problemen in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten oder wie in Afghanistan, selbst in Asien, wie wir helfen. Und wir werden bei globalen Problemen gefragt, wie zum Beispiel Umweltschutz, wie zum Beispiel internationaler Terrorismus, aber wie auch Fragen von internationalen Seuchen oder anderen globalen Fragen. Das heißt, ein Europa, das ist nicht mehr ein Europa, das amerikanisches Interesse findet, weil man sozusagen sich um den Berlin-Konflikt kümmern muss, sondern es ist ein Europa, das nur in dem Sinne partnerschaftsfähig ist, wie es auch bereit ist, bei Aktionen zu helfen.
Heinemann: Herr Voigt, der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff hat heute früh in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk ganz klar geantwortet auf die Frage nach seinem Wunschkandidaten. Er hat gesagt, bei den Demokraten ist das Obama und bei den Republikanern McCain. (Text/ MP3-Audio ) Wen wünschen Sie sich ins Weiße Haus?
Voigt: Bisher sind noch nie diejenigen gewählt worden in Amerika, die ich mir wirklich gewünscht habe. Insofern bin ich bei meinen Wünschen auch aufgrund meiner Funktion etwas zurückhaltender. Ich glaube, dass wir mit Hillary Clinton und mit Obama als Deutsche beide gut leben können. Die Hillary Clinton wirkt natürlich intellektueller, aber gleichzeitig kühler. Obama wirkt emotionaler für uns und kann natürlich auch dazu beitragen vielleicht, antiamerikanische Vorurteile bei uns abzubauen. Wie das bei den Republikanern steht, das kann ich nicht sagen, weil ich bisher dort noch keinen Kandidaten gefunden habe, der wirklich auch Europäer mitreißen könnte. Ob er Amerikaner mitreißen kann, das werden die Amerikaner entscheiden, aber ich finde, in den letzten Jahren hat Amerika an Anziehungskraft verloren, nicht an Fähigkeit zur Dominanz, aber an Anziehungskraft. Und da sehe ich bei den Republikanern noch keinen Kandidaten, der das überwinden kann. Bei den Demokraten sehe ich da Kandidaten.
Heinemann: Der SPD-Politiker Karsten Voigt, Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Voigt: Auf Wiederhören.
Karsten Voigt: Schönen guten Tag, Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Voigt, entspricht das Ergebnis Ihren Erwartungen?
Voigt: Ich habe durchaus damit gerechnet, dass Obama in dem Staat Iowa das Rennen machen würde. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sein Vorsprung so groß werden würde, und erst recht nicht damit, dass Hillary Clinton, knapp zwar, aber immerhin, nicht auf den zweiten, sondern auf den dritten Platz kommt.
Heinemann: Im Gegensatz zu der vergreisenden Bundesrepublik ist Amerika eine junge Nation, das einzige Land des Westens, dessen Geburtenrate ausgeglichen ist. Erklärt dies vielleicht den Reiz, der von den jugendlich wirkenden Kandidaten ausgeht, von Kennedy über Clinton bis jetzt zu Obama?
Voigt: Nur zum Teil. Ich glaube, etwas anderes spielt da eine größere Rolle. Dies ist ein Land, das eine lange Tradition hat, aber immer wieder in Wahlkämpfen und besonders bei den Wahlen zum Präsidenten sich in einem ständigen Prozess der Erneuerung, der inneren Umwälzung sehen will, ein Land der - wenn man so will -, der permanenten Revolution, wobei man Revolution jetzt nicht im trotzkistischen Sinne zu verstehen hat.
Heinemann: Revolution in beide Richtungen?
Voigt: Ja, in einem Land, das Umbrüche liebt und gleichzeitig die Kontinuität, nationale Symbole und Interessen pflegt.
Heinemann: Beide Sieger von Iowa sind außenpolitisch vielleicht nicht ahnungslos, wohl aber ohne Erfahrung. Sehen Sie wesentliche Unterschiede?
Voigt: Ich sehe die Unterschiede zwischen Obama und Hillary Clinton nur graduell. Sie spielen natürlich im inneramerikanischen Wahlkampf eine große Rolle. Die eine hat am Anfang für den Irak-Krieg gestimmt, Obama war immer dagegen. Das wird jetzt in den Vorwahlkämpfen sozusagen ein Thema sein. Aber wenn man das mal aus der Distanz sieht als Europäer, da muss man sagen, ja, wir haben überwiegend gemeinsame Interessen, wir vertreten überwiegend gemeinsame Werte. Aber selbst Obama hat nie ausgeschlossen, dass er amerikanische Truppen auch in einen Einsatz schicken würde ohne ein UN-Mandat. Und die Vorstellung, die bei uns im Grundgesetz ja richtig verankert ist, dass Völkerrecht Vorrang hat vor nationalem Recht, die ist eine Vorstellung, die im amerikanischen Kongress keine Mehrheit finden würde und auch nicht der amerikanischen Verfassungstradition entsprechen würde. Insofern bleiben auch immer, bei aller Gemeinsamkeit, Unterschiede in den Traditionen. Und natürlich gibt es auch den Unterschied zwischen einer Weltmacht und einer regionalen bedeutsamen Macht wie Deutschland.
Heinemann: Wie sieht es auf republikanischer Seite aus, bei Huckabee zum Beispiel?
Voigt: Huckabee ist ja in Bezug auf sein außenpolitisches Profil bisher wenig klar und eindeutig. Er ist aber klar in Bezug auf seine Werteorientierung. Er vertritt das, was die Amerikaner "social conservative" nennen. Das ist keineswegs zu verwechseln mit dem, was bei uns Christdemokraten vertreten. Das ist eine Vorstellung, die eher an sehr, sehr traditionelle Vorstellungen in Bezug auf Familienwerte anknüpft, die auch von Bush gepflegt wurden. Das ist eine Art von protestantischem konservativen Grundverhalten, das auch von einigen Katholiken geteilt wird, aber doch überwiegend im protestantischen Bereich verankert ist, und das sehr fest in seinen Wertvorstellungen ist. Das kann auch ein Zeichen der Stärke sein. Aber das wird natürlich das spontane Verständnis für das in dieser Hinsicht doch viel, viel säkularere und in der Beziehung liberalere Europa, wird das spontane Verständnis das nicht gerade erleichtern. In anderen Fragen ist die USA liberaler, aber in solchen Fragen der Werteorientierung, glaube ich, ist Europa doch, was Familienwerte und so weiter angeht, in den letzten Jahrzehnten in eine liberale Richtung gegangen.
Heinemann: Herr Voigt, wird es, gemessen an der Politik des jetzigen Präsidenten, ab dem kommenden Jahr in jedem Fall, also unabhängig davon, wer ins Weiße Haus einzieht, einen neuen außenpolitischen Kurs geben, etwa in der Frage Irak, Afghanistan?
Voigt: Alle wollen den Irak-Krieg so schnell wie möglich beenden. Die Gewalt nimmt ja jetzt auch innerhalb Iraks ab. Das wird vielleicht dazu führen, dass das Thema nicht mehr so kontrovers behandelt wird im Wahlkampf, wie es vorher zu sein schien. Aber kein amerikanischer Präsident wird an der Tatsache vorbeisehen können, dass seine Truppen, die amerikanischen Truppen nicht sofort aus dem Irak zurückgezogen werden können, sondern dass man das erst allmählich tun kann. Das werden sie aber alle wollen. Und gleichzeitig wird das Engagement in Afghanistan bleiben, und da werden sie natürlich nicht nur fordern von den Europäern, dass wir unser Engagement beibehalten, sondern sie werden bestimmt fordern, dass wir es erhöhen.
Heinemann: Wird sich das außenpolitische Interesse der Amerikaner in Zukunft weiter von Europa weg hin nach Asien orientieren?
Voigt: Es gibt eine grundlegende Veränderung, die sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat und die auch bleiben wird, unabhängig davon, wer jetzt Präsident wird. Das ist der Tatbestand, dass Europa jetzt nicht mehr als ein Kontinent angesehen wird, der die amerikanische Beachtung verdient, weil es ein Krisenherd ist oder ein potenzieller Konfliktherd ist, sondern Europa wird jetzt in dem Sinne interessant sein und auch gefordert sein, wo es bei der Lösung von Problemen in anderen Teilen der Welt hilft. Das heißt, wir werden als Sicherheitsexporteur gefragt, und wir werden gefragt, wie wir in Problemen in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten oder wie in Afghanistan, selbst in Asien, wie wir helfen. Und wir werden bei globalen Problemen gefragt, wie zum Beispiel Umweltschutz, wie zum Beispiel internationaler Terrorismus, aber wie auch Fragen von internationalen Seuchen oder anderen globalen Fragen. Das heißt, ein Europa, das ist nicht mehr ein Europa, das amerikanisches Interesse findet, weil man sozusagen sich um den Berlin-Konflikt kümmern muss, sondern es ist ein Europa, das nur in dem Sinne partnerschaftsfähig ist, wie es auch bereit ist, bei Aktionen zu helfen.
Heinemann: Herr Voigt, der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff hat heute früh in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk ganz klar geantwortet auf die Frage nach seinem Wunschkandidaten. Er hat gesagt, bei den Demokraten ist das Obama und bei den Republikanern McCain. (Text/ MP3-Audio ) Wen wünschen Sie sich ins Weiße Haus?
Voigt: Bisher sind noch nie diejenigen gewählt worden in Amerika, die ich mir wirklich gewünscht habe. Insofern bin ich bei meinen Wünschen auch aufgrund meiner Funktion etwas zurückhaltender. Ich glaube, dass wir mit Hillary Clinton und mit Obama als Deutsche beide gut leben können. Die Hillary Clinton wirkt natürlich intellektueller, aber gleichzeitig kühler. Obama wirkt emotionaler für uns und kann natürlich auch dazu beitragen vielleicht, antiamerikanische Vorurteile bei uns abzubauen. Wie das bei den Republikanern steht, das kann ich nicht sagen, weil ich bisher dort noch keinen Kandidaten gefunden habe, der wirklich auch Europäer mitreißen könnte. Ob er Amerikaner mitreißen kann, das werden die Amerikaner entscheiden, aber ich finde, in den letzten Jahren hat Amerika an Anziehungskraft verloren, nicht an Fähigkeit zur Dominanz, aber an Anziehungskraft. Und da sehe ich bei den Republikanern noch keinen Kandidaten, der das überwinden kann. Bei den Demokraten sehe ich da Kandidaten.
Heinemann: Der SPD-Politiker Karsten Voigt, Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Voigt: Auf Wiederhören.