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"Alles andere als ungefährlich"

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, geht davon aus, dass der Bundeswehreinsatz in Afghanistan mit der geänderten Strategie gefährlicher wird. Es könnte mehr Gefechte mit den Aufständischen geben, sagte der SPD-Politiker.

Reinhold Robbe im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Die Bundeswehr rechnet durch den Strategiewechsel für den Afghanistaneinsatz mit einer wachsenden Gefahr für die deutschen Soldaten. Beim Vorrücken in von den Taliban bedrohte Gebiete könnte es zunächst mehr Gefechte geben. Das sagte der Kommandeur des Regionalkommandos Nord in Afghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger.
    Am Telefon begrüße ich nun den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, den SPD-Bundestagsabgeordneten Reinhold Robbe. Guten Tag, Herr Robbe.

    Reinhold Robbe: Guten Tag, Herr Breker. Ich grüße Sie!

    Breker: Es wird gefährlicher für die deutschen Soldaten in Afghanistan, aber, Herr Robbe, wir sollten erst einmal da bleiben: Es ist derzeit schon gefährlich für die deutschen Soldaten in Afghanistan.

    Robbe: In der Tat! Bei diesen ganzen Debatten, die jetzt nach der Verlautbarung, dass die deutschen Truppen aufgestockt werden sollen, hier im Lande entstanden sind, geht das oftmals ein bisschen unter, dass der Einsatz in Afghanistan im Allgemeinen, aber insbesondere in Kundus ja bisher alles andere als ungefährlich war. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten sind dort im Großraum Kundus auch jetzt fast jeden Tag stundenlangen Gefechten ausgesetzt. Wir hatten jetzt erst am Freitag wieder den Beschuss einer Patrouille in der Nähe des Feldlagers Kundus, wo ein deutscher Soldat schwer verwundet wurde. Ich hoffe, dass der in diesen Tagen repatriiert werden kann, also zurückgeführt werden kann nach Deutschland, um hier dann optimal weiter behandelt werden zu können. Aber das macht deutlich, dass auch jetzt im Augenblick der Einsatz nicht ungefährlich ist, und es bleibt dann auch zunächst einmal abzuwarten, inwieweit die Aufstockung und die Veränderung der Strategie ausreichend ist, um die eigenen Leute, das heißt die deutschen Soldatinnen und Soldaten so zu schützen, wie man das optimalerweise erwarten kann. Da sind viele unbekannte Faktoren beziehungsweise offene Fragen, die im Laufe der nächsten Woche zu beantworten sind, insbesondere auch die Frage, wie das Zusammenwirken sein wird zwischen den deutschen Soldaten und den amerikanischen Kräften, die jetzt ganz neu einrücken in den Norden. Man muss sich auch die Dimension vor Augen führen. Es sollen 500 zusätzliche deutsche Soldaten entsandt werden, 350 in Reserve, aber zehnmal so viele amerikanische Soldaten, die dann vor allen Dingen auch Material mitbringen, über das die Bundeswehr überhaupt nicht verfügt, zum Beispiel die luftbeweglichen Transportmöglichkeiten, sprich Hubschrauber, die dann auch den Deutschen zur Verfügung stehen, und zwar nicht nur für die Ausbildungszwecke und für die Verteidigungszwecke, sondern natürlich auch für die Rettung von möglicherweise verwundeten Soldaten, die dort ganz schnell medizinisch versorgt werden müssen.

    Breker: Und natürlich auch für den Kampf. Herr Robbe, wenn nun der Kommandeur des Regionalkommandos Nord in Afghanistan sagt, es wird gefährlicher für die deutschen Soldaten, dann hat man den Eindruck, dass das etwas ist, was vor lauter Begeisterung über die neue Afghanistanstrategie hier völlig untergegangen ist.

    Robbe: Da will ich Ihnen nicht widersprechen. Es ist in der Tat so, dass viel über Strategien gesprochen wird, auch oftmals von Leuten, die bisher sich noch nicht so unbedingt intensiv mit militärischen Notwendigkeiten auseinandergesetzt haben, aber das ist in der Politik halt möglich. Das wissen auch die Soldatinnen und Soldaten, dass diese Debatte nicht immer von Sachverstand geprägt ist. Auf jeden Fall muss man wissen, dass veränderte Strategien selbstverständlich auch neue Risiken mit sich bringen und dass gerade vor diesem Hintergrund wirklich mit Argusaugen darauf geschaut werden muss – und ich in meiner Verantwortung tue das -, ob die sogenannte neue Strategie dann auch geeignet ist, das Mindestmaß an Schutz und an Eigenschutz für die Soldatinnen und Soldaten zu gewährleisten, was bisher zumindest gegeben war, also auch die ganz konkrete Frage, ob die 500 zusätzlichen Soldaten dann für diese neue Strategie, die ja ein Mehr an Ausbildung und ein Hinausgehen in die Fläche beinhaltet, ob diese 500 zusätzlichen Soldaten dann wirklich ausreichend sind. Das ist eine Frage, die man dann ganz nüchtern betrachten muss.

    Breker: Denn gerade das Ausgehen in die Fläche der Ausbilder, das macht sie ja zum Ziel für die Angreifer.

    Robbe: Ja, natürlich. Das ist einfach eine militärische Erfahrung und Erfahrung unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, dass immer dann, wenn Aktivitäten entwickelt wurden vonseiten der Bundeswehr, wenn man rausgegangen ist, wenn man in die Dörfer gegangen ist, wenn man versucht hat, auch einen Schutz für die Menschen in der Fläche, auf dem Lande zu organisieren und sicherzustellen, das dann auch die Aktivitäten der Taliban und der Aufständischen zugenommen haben und dadurch naturgemäß auch sofort der Gefährdungsgrad für die Soldaten gestiegen ist.

    Breker: Haben Sie den Eindruck, Herr Robbe, dass die Politik, die derzeitige Bundesregierung sich darüber auch im Klaren ist?

    Robbe: Der zuständige Minister und die militärische und politische Führung des Verteidigungsministeriums sind sich nach meiner Einschätzung schon darüber im Klaren. Das weiß ich auch aus persönlichen Gesprächen, die ich mit dem Minister habe. Ich bin auch dankbar dafür, das sage ich ganz deutlich, dass Minister Dr. zu Guttenberg offen ist für Aspekte, die vielleicht bisher nicht in diesem Maße auch kritisch betrachtet wurden. Er hat zum Beispiel Folgendes gemacht: Er hat alle Positionen, die im Augenblick in Afghanistan – das sind ja immerhin derzeit um die 4500 -, er hat angeordnet, dass alle diese Positionen kritisch überprüft werden, das heißt auch mit Blick auf Notwendigkeit, auch mit Blick auf Umstrukturierung, einfach die Frage, ob die vorgehaltenen Kräfte das an Fähigkeiten vorhalten, die für den Einsatz notwendig sind beziehungsweise für die jetzt neu aufgestellte Strategie notwendig sind. Das sind alles positive Zeichen, die auch bei den Soldaten, so wie ich das überblicken kann, gut ankommen. Wenn Transparenz gegeben ist, wenn auf das gehört wird, was an der Basis erkannt wird, was dort auch dann festgestellt wird, und wenn die Führung, die militärische und politische Führung hier sensibel mit diesen Erkenntnissen der Basis umgeht, dann kann das nur gut sein.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe. Herr Robbe, danke für dieses Gespräch.

    Robbe: Gerne, Herr Breker. Tschüß!