Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Alles sauber, oder was?

Die EU-Verordnung REACH soll helfen, die Gefahren, die von Chemikalien für Mensch und Umwelt ausgehen, besser einzuschätzen. Aber was genau verbirgt sich hinter REACH und wie gut wurde die Richtlinie bisher umgesetzt? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Von Ralph Ahrens | 01.06.2012
    Was ist das Besondere an REACH?
    Industrieunternehmen konnten vor diesem Gesetz Zigtausende von Chemikalien verwenden, ohne deren Risiken für Mensch und Umwelt wirklich kennen zu müssen. Das hat die EU mit REACH geändert. Jetzt gilt der Grundsatz: ohne Daten kein Markt. Chemiefirmen müssen belegen, wie gefährlich ihre Stoffe sind und wie sie risikolos einzusetzen sind, wenn sie sie weiter benutzen wollen.

    Wofür steht die Abkürzung REACH eigentlich?
    Das R steht für Registrierung. Das ist der erste Schritt. Chemieunternehmen müssen jede Chemikalie, von der sie mehr als eine Tonne jährlich vermarkten, anmelden. Anschließend geht es um das Evaluieren, also das Bewerten der Daten. Dabei gibt es bestimmte Kategorien: Eine Chemikalie kann entzündlich sein, eine andere eine Allergie auslösen und eine weitere die Umwelt gefährden. Die EU will dabei vor allem auf besonders besorgniserregende Chemikalien achten. Hier geht es etwa um Stoffe, die Krebs auslösen, die Fortpflanzung stören oder sich in der Umwelt anreichern. Die EU kann den Einsatz solcher Stoffe beschränken, ganz verbieten – oder ihren Einsatz in einem Zulassungsverfahren autorisieren.

    Wer überwacht, dass die Industrieunternehmen alles richtig machen?
    Das macht die Europäische Chemikalienagentur in Helsinki. Sie prüft zurzeit stichprobenartig die Unterlagen, die die Industrie eingereicht hat. Die Registrierung ist aber ein langwieriger Prozess. An dessen Ende werden in Helsinki Informationen über 30.000 und mehr Chemikalien zentral gesammelt sein. Erst 2018 wird es so weit sein. Die Bewertung aller Daten wird sogar noch länger in Anspruch nehmen, ebenso wie mögliche Verfahren zur Zulassung sehr gefährlicher Chemikalien.

    Wie gut wurde REACH bisher umgesetzt?
    Die Europäische Chemikalienagentur zieht eine positive Bilanz. Die Zusammenarbeit mit der Industrie funktioniere gut. Allerdings gebe es Mängel in den Unterlagen. Manche Daten fehlten schlicht oder seien unstimmig. Hier müsse die Wirtschaft noch nachbessern.

    Was sagt die Industrie?
    Die Unternehmen hatten REACH lange Zeit kritisiert. Doch mittlerweile haben sie sich mit REACH arrangiert. Sie müssen zwar Personal abstellen und Chemikalientests durchführen. Und das kostet Geld. Aber es gibt klare Regeln – und die Industrie weiß, woran sie ist.

    Wie blicken Umweltschützer auf die EU-Verordnung?
    Umweltverbände haben die Umsetzung von REACH zum Jahrestag kritisiert. So bemängelt der Bund für Umwelt und Naturschutz, dass noch keine einzige Substanz verboten wurde. Ein Grund: Das Zulassungsverfahren der EU sei zu langsam. Die EU hat erst 73 sehr gefährliche Substanzen als Kandidaten für das spezielle Prüfverfahren benannt – dabei gibt es wohl mehr als 1000 solcher sehr gefährlichen Substanzen. Solange diese Substanzen nicht in Zulassungsverfahren auf Herz und Nieren geprüft wurden, so die Furcht der Umweltverbände, können sie unnötigerweise großen Schaden anrichten.

    Spielen auch Verbraucher eine Rolle?

    Die EU will, dass sich auch Verbraucher einmischen. Sie können etwa Handelsketten und Hersteller fragen, ob ein Produkt in den Regalen besorgniserregende Chemikalien enthält. Auch die Bürger, so das Kalkül der EU, können so Druck auf die Industrie ausüben. Allerdings gilt dieses Bürgerrecht nur für jene sehr gefährlichen Substanzen, die die EU bereits als Kandidaten für die Zulassung benannt hat.

    Wie geht es jetzt weiter? Wird schon über ein besseres REACH diskutiert?
    Ja. Die EU-Kommission prüft zurzeit, wie gut die Chemikalienverordnung funktioniert. Die Wirtschaft wünscht sich vor allem für kleine Betriebe einfachere Regeln zur Anmeldung von Chemikalien. Und Umwelt- und Verbraucherverbände fordern, den Einsatz besonders gefährlicher Stoffe schneller zu verbieten und die winzigen Nanomaterialien unter REACH besser zu erfassen.