Dienstag, 16. April 2024

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Fairtrade-Bälle und veganes Essen
Nachhaltigkeit im Amateurverein ist Abwägungssache

Als einer von nur zwei Amateurvereinen in Deutschland ist der Kölner Verein Vorwärts Spoho mit dem TÜV-Zertifikat für nachhaltiges Wirtschaften ausgezeichnet. Jetzt will der Verein andere Clubs motivieren.

Von Benedict Haupt | 10.04.2023
Die Frauen-Mannschaft von Vorwärts Spoho schwört sich auf ein Spiel ein.
Die Frauen-Mannschaft von Vorwärts Spoho schwört sich auf ein Spiel ein. (IMAGO / Rene Traut / IMAGO / Rene Traut)
Wer das erste Mal die Duschen von Vorwärts Spoho betritt, muss mit einer Überraschung rechnen. "Die ist extra so eingestellt, dass maximal zweieinhalb Liter pro einmal Drücken verwendet wird. Wenn jetzt die Bewegung weg geht, geht sie aus. Das heißt, wenn jetzt die duschende Person aufhört, ist sie automatisch ausgeschaltet", erklärt Andy Wengler. Er ist Vorstandsmitglied bei Vorwärts Spoho.

Der Verein nutzt Fairtrade-Bälle aus Pakistan

Der Verein besteht größtenteils aus Studierenden von der Sporthochschule Köln. Auf dem Kunstrasenplatz im Kölner Westen trainieren und spielen diverse Männer-, Frauen- und Jugend-Teams. Und der Verein versucht, dabei möglichst nachhaltig zu arbeiten.
Deswegen wird nicht nur in den Duschen auf Nachhaltigkeit geachtet. Die Trainings- und Spielbälle kommen von der Firma Bad Boyz. Produziert werden sie in Pakistan. Ein langer Transportweg, dafür tragen die Bälle das Fairtrade-Siegel.
Bad Boyz legt in seinem Katalog von 2022 genau offen, wie sich die Kosten ihrer Bälle zusammensetzen. Von knapp 30 Euro Gesamtpreis sind 1,90 Euro Lohnkosten. Laut der Firma ergibt das Monatsgehälter, die über dem pakistanischen Durchschnitt liegen. Die Arbeitsbedingungen werden regelmäßig überprüft.

Nicht alle Spieler mit den Bällen zufrieden

Das Fairtrade-Siegel unterscheidet die Bälle von Bad Boyz von vielen anderen Fußbällen, von denen die meisten ebenfalls in Pakistan hergestellt werden. Trotzdem sind nicht alle Spieler mit den Bällen zufrieden. Einige kommen prima zurecht, andere meinen, sie spielen sich wie ein Klotz.
Eine Frage der Gewöhnung, meint Andy Wengler: "Natürlich hat man sich an gewissen Ballmarken schon gewöhnt. Es war für alle was Neues. So wie jemand den Erima oder Derbystar Ball nicht abkann, ist das hier bei unseren Bällen. Am Ende muss ich sagen, ist es ein gutes Produkt. Man kann damit super Fußball spielen. Sollte keinen hindern, ein Tor zu schießen."
Die Trikots von Vorwärts Spoho sind von der Marke Raval und kommen aus Portugal. "Es ist so, dass wir das als Spieler alles ganz toll finden, das Konzept und alles, aber der Nachteil ist, dass die Firma Raval, die das macht, relativ lange dafür braucht. Bei mir war es zum Beispiel so: Ich habe im August letzten Jahres ein Trainingsshirt bestellt und das kam jetzt vor einem Monat an. Das heißt, ich habe gut sechs Monate darauf gewartet, dass es kommt", sagt ein Spieler der zweiten Herren.
Wartezeiten, die ärgerlich für die Spieler sind. Der Grund liegt im Geschäftskonzept. Viele Sportartikelhersteller produzieren größere Mengen von Trikots im Voraus – was nicht verkauft wird, wird teils weggeschmissen. Raval produziert hingegen laut eigenen Angaben immer nur auf Nachfrage, um Textilmüll möglichst zu vermeiden.

80 Prozent der Speisen vegan oder vegetarisch

Nachhaltigkeit im Sportverein ist also eine Abwägungssache. Das zeigt sich auch beim Essen. Rund 80 Prozent der Speisen sollen vegan oder vegetarisch sein. Da aber eine interne Umfrage gezeigt hat, dass eine Mehrheit der Mitglieder Fleisch essen würde, gibt es weiterhin auch tierische Produkte zu essen.
Wengler: "Also letztendlich entscheidet der Vorstand die Sachen, die verwirklicht werden, aber wir sind natürlich in Kommunikation über die Trainer mit den Spielern, gehen da direkt an die Spieler, an die Eltern und probieren da auch möglichst, den Wünschen nach zu kommen. Ist für 600 Kinder nicht ganz einfach, aber wir sind da sehr nah dran."

Nachhaltigkeit muss man sich leisten können

Und Nachhaltigkeit muss sich ein Verein und seine Mitglieder auch leisten können. Vorwärts Spoho hat seine Anlagen gerade erst saniert. Aus Asche wurde Kunstrasen, das Vereinsheim energetisch saniert, inklusive neuer Biogasanlage. Die Kosten: 1,3 Millionen Euro. Viel davon hat die Stadt Köln gefördert, hinzu kommen Sponsoren und eine Crowdfunding-Aktion. Aber der Verein hat für das Projekt auch die Mitgliedsbeiträge erhöht.
"Das ist ein großes Thema, die soziale Teilhabe muss gewährleistet werden, ansonsten verliert man den Rückhalt innerhalb eines Vereins. Und dann muss man über Spenden, über Fördergelder - die es durchaus gibt, die muss man dann halt beantragen - die Mehrkosten abfedern, damit gerade sozial benachteiligte Menschen davon nicht abgegrenzt werden", sagt Oliver Brendle, Prüfer für Nachhaltigkeit beim TÜV Rheinland.

Als zweiter Amateurverein mit TÜV-Zertifikat ausgezeichnet

Brendle hat auch die Nachhaltigkeitsbemühungen von Vorwärts Spoho untersucht – und für gut befunden. 2022 erhält Vorwärts Spoho vom TÜV Rheinland ein Zertifikat für nachhaltiges Wirtschaften – als zweiter Amateurverein überhaupt.
Der TÜV hat für die Zertifizierung den ZNU-Standard benutzt, dass heißt, dass Vorwärts Spoho zeigen musste, wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltig zu arbeiten. Das Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung an der Uni Witten/Herdecke hat den Standard für Unternehmen entwickelt, die ihren Geschäftsbetrieb ganzheitlich nachhaltiger gestalten wollen. Auch Profi-Clubs wie der 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach haben das TÜV Zertifikat.
„Mir persönlich sind durch Rückmeldung oder Nachfrage, wie die Kriterien sind, bis zu fünf oder zehn Vereine bekannt, die sich mit dem Thema gerade beschäftigen. Es ist aber teilweise noch ein finanzielles Thema. Weil es ja durchaus nicht selbsttragend ist, am Anfang", sagt TÜV Prüfer Oliver Brendle.
Auch Vorwärts Spoho bemerkt das größer werdende Interesse und möchte weitere Vereine motivieren, sich ebenfalls nachhaltig aufzustellen, erklärt Andy Wengler: "Das Interesse wird immer größer. Wir veranstalten selber Netzwerktreffen, da einige Vereine auf uns zugekommen sind. Als Beispiel zu nennen Olympia Köln. Auch aus verschiedenen anderen Regionen werden wir angesprochen. Und wir selber wollen es vorantreiben, indem wir dieses Netzwerk immer weiter vergrößern. Im Amateurbereich sind wir erst der zweite Verein und Ziel ist es, das immer weiter auszubauen."