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Annäherung zwischen Nord- und Südkorea
"Innerkoreanische Beziehungen abseits der Nuklearfrage"

Nordkorea hat zum ersten Mal seit Jahren der Eröffnung eines Kommunikationskanals mit Südkorea zugestimmt. Die Lösung der Nuklearfrage stehe dabei nicht im Mittelpunkt, sagte der Korea-Experte Eric Ballbach im Dlf. Südkorea wolle im Vorfeld der Olympischen Spiele Provokationen des Nordens ausschließen.

Eric Ballbach im Gespräch mit Silvia Engels |
    Zwei Frauen schauen durch ein fest installiertes Fernglas in eine öde, teils verschneite Landschaft.
    Die Nuklearfrage sei für Nordkorea keine innerkoreanische Angelegenheit, sondern eine Herausforderung zwischen Pjöngjang und Washington, sagte Eric Ballbach von der FU Berlin im Dlf (AFP/JUNG Yeon-Je)
    Ob es sich bei der Öffnung um einen langfristigen Strategiewechsel des Nordens handele, sei noch nicht absehbar, so Ballbach. Man müsse die Gesprächsbereitschaft aber als positiven Schritt bewerten. Für Nordkorea seien Gespräche auch eine Möglichkeit, über den Süden den Dialog mit der internationalen Gemeinschaft wiederaufzunehmen.
    Dennoch hält Ballbach den Streit Nordkoreas mit den USA bei den Gesprächen für nicht vordergründig. Es gehe dabei vielmehr um die Politik von Südkoreas Präsident Moon Jae-in, der zu seinem Amtsantritt versprochen hatte, eine Kommunikation mit dem Norden zu etablieren. Gleichzeitig könnten die Gespräche auf lange Sicht ausgeweitet werden, um auch einen Dialog zwischen den USA und Nordkorea zu ermöglichen. Auf jeden Fall stärke die aktuelle Entwicklung die Position Südkoreas gegenüber den USA.

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Der außenpolitische Kurs Nordkoreas unter Machthaber Kim Jong-un ist weiter für Überraschungen gut. Im vergangenen Jahr dominierte ja die Konfrontation, der Diktator ließ Raketen und Atomwaffen testen, er zeigte sich aggressiv gegenüber den USA und Südkorea. Bei seiner Neujahrsansprache wählte er dann einen etwas veränderten Ansatz. Zwar setzte er seinen Kurs der Provokation gegenüber den Vereinigten Staaten fort, indem er auf den angeblichen Atomknopf auf seinem Schreibtisch hinwies. Andererseits zeigte er aber gegenüber Südkorea auf einmal Gesprächsbereitschaft. Gestern haben die Führungen Nord- und Südkoreas dann prompt ihren zwei Jahre lang unterbrochenen direkten Telefonkontakt an der Grenze wiederhergestellt. Um uns Hintergründe erläutern zu lassen, haben wir nun Telefonkontakt hergestellt zu Eric Ballbach. Er lehrt am Institut für Korea-Studien an der Freien Universität Berlin. Guten Morgen, Herr Ballbach!
    Übereinstimmende Interessen von Nord- und Südkorea
    Eric Ballbach: Guten Morgen, Frau Engels!
    Engels: Kim Jong-un hat Südkorea jahrelang die kalte Schulter gezeigt. Wie erklären Sie sich nun diese plötzliche Hinwendung?
    Ballbach: Es ist in der Tat die erste positive Reaktion auf mehrere Angebote des Südens zu Gesprächen zur Wiedereröffnung des Dialogs. Ich erkläre mir das so, dass wir momentan zumindest eine partielle Konvergenz der kurz- und mittelfristigen Interessen Nord- und Südkoreas beobachten können. Für Nordkorea steht die 70-Jahr-Feier an des nordkoreanischen Staates. Das ist ein sehr wichtiger Termin in Nordkorea, und es stellt sich eben die Frage, ob der Hinweis, dass das Nuklearprogramm nun abgeschlossen sei, sozusagen Ressourcen freisetzt für das zweite Element der sogenannten Pyong-Chin-Strategie, also der simultanen Entwicklung der Nuklearwaffe und der Wirtschaft. Also wird das nun eine Hinkehr, eine größere Aufmerksamkeit für die wirtschaftliche Entwicklung geben? Das ist die Frage, die sich viele Beobachter jetzt stellen.
    Engels: Wie schätzen Sie es ein? Ist das ein dauerhafter Kursschwenk von Kim Jong-un?
    Ballbach: Die Frage ist natürlich, und das wird uns sicherlich in den nächsten Monaten beschäftigen, haben wir es hier mit einem taktischen oder tatsächlichen strategischen Wandel zu tun. Ganz egal, was bei dieser Beobachtung am Ende rauskommt, wir müssen es als einen positiven Schritt beobachten und betrachten, was gerade geschieht auf der koreanischen Halbinsel, dass wir zum ersten Mal seit längerer Zeit nun wieder konkrete Schritte hin zur Vertrauensbildung und zur Entspannung einer sehr angespannten Situation beobachten können.
    Nordkorea wolle Dialog mit Weltgemeinschaft wieder aufnehmen
    Engels: Ich greife Ihr Stichwort des Strategischen auf. Nehmen wir mal an, Kim Jong-un denkt in diese Richtung. Wäre das dann vielleicht auch ein Versuch des Diktators, Südkorea etwas aus der Nähe zu dem engen Verbündeten USA zu lösen?
    Ballbach: Es gibt zumindest die Situation und die Überlegungen, die in diese Richtung gehen. Wir haben es ja mit einer sehr einzigartigen Situation jetzt zu tun. Südkoreas Präsident Moon Jae-in versucht seit Langem, einen Gesprächskanal mit dem Norden zu reaktivieren. Es gab bis zur gestrigen Öffnung des Kommunikationskanals tatsächlich seit mehreren Jahren keinerlei Interaktions- und Kommunikationskanäle zwischen Nord- und Südkorea. Nordkorea weiß, dass Südkorea nun vor den anstehenden Olympischen Spielen natürlich auch Ruhe möchte, keine Provokationen aus dem Norden möchte, und Südkorea möchte in diesem Zusammenhang natürlich dringend einen Interaktionskanal, einen Kommunikationskanal mit Nordkorea wiederherstellen, um hier nordkoreanische Provokationen eben auch ausschließen und ausräumen zu können. Für Nordkorea stellt sich jetzt wie gesagt gerade die Frage, der Dialog mit den USA hat bisher keine Früchte getragen, und so werden die Nordkoreaner jetzt versuchen, eben über Südkorea diesen Dialog mit der internationalen Gemeinschaft wiederaufzunehmen.
    "Eine direkte Initiative des südkoreanischen Präsidenten"
    Engels: Südkorea gibt sich ja mehr als gesprächsbereit. Direkt für Anfang nächster Woche hat die Führung ein hochrangiges Treffen mit nordkoreanischen Abgesandten vorgeschlagen. Ist ((der Grund für)) diese Euphorie auch darin zu sehen, dass US-Präsident in Südkorea mit seiner Linie nicht so wahnsinnig beliebt ist?
    Ballbach: Das ist sicherlich ein Aspekt. Aber wir müssen das weniger als gegen Trump gerichtet sehen als vielmehr als eine direkte Initiative des südkoreanischen Präsidenten. Er ist mit dem Verspechen angetreten, eine Einbindungspolitik gegenüber Nordkorea nach zehn Jahren konservativer Politik gegen Pjöngjang. Er ist mit diesem Versprechen angetreten. Bisher war er in der unglücklichen Situation, dass sich Nordkorea eben nicht auf solche Gesprächsangebote eingelassen hat. Das ist zum ersten Mal jetzt, dass Nordkorea positiv auf diese Einbindungsversuche Südkoreas reagiert hat. Und das verändert natürlich auch die Position von Moon Jae-in gegenüber der amerikanischen Trump-Administration, denn er ist zum ersten Mal jetzt in einer Situation, in der seine eigene Politik sozusagen eben auch erste Erfolge beziehungsweise vorsichtige Erfolge zeigt.
    Engels: Dann schauen wir noch auf einen anderen großen strategischen Akteur in der Region. Ist diese mögliche Entspannung auf der koreanischen Halbinsel möglicherweise auch auf chinesischen Druck auf Pjöngjang zurückzuführen?
    Ballbach: Es lässt sich natürlich schwer sagen, was im Hintergrund genau informell, auf informellen Wegen zwischen Pjöngjang und Peking hier genau besprochen wurde. Es liegt sicherlich im chinesischen Interesse. Peking hat seit längerer Zeit versucht, einen Dialogkanal, insbesondere natürlich zwischen Nordkorea und den USA, aber überhaupt Interaktionskanäle mit dem Norden eben wieder zu öffnen, zwischen dem Norden und der internationalen Gemeinschaft. Insofern ist diese Entwicklung sicherlich in Pekings Interesse, auch um einfach in dieser wichtigen strategischen Weltregion Ruhe an der eigenen Außengrenze zu haben.
    "Erste Erfolge" von Moon Jae-ins Strategie
    Engels: Wenn sich diese Entspannung fortsetzt, könnten am Ende die USA als Verlierer im Ringen um Einfluss in Korea dastehen und China als Gewinner?
    Ballbach: Ich würde nicht so sehr sagen, dass die USA als Verlierer dastehen würden. Für die USA ist die gegenwärtige Situation sicherlich zwiespältig zu betrachten. Ich bin kein Vertreter der sogenannten Wedge Strategy, dass es eben Nordkorea gelingen wird, einen Keil zwischen die USA und Südkorea zu treiben. Dafür ist die Allianz zu wichtig. Und auch in Washington und Seoul sitzen natürlich Strategen, die eine solche nordkoreanische Strategie sehr einfach durchschauen würden. Wir müssen hier sehen, dass die innerkoreanischen Beziehungen nicht – und das ist die Strategie von Moon Jae-in –, nicht vollständig von der Nuklearfrage determiniert werden, sprich er möchte, dass es Interaktion und Kommunikation über Aspekte der innerkoreanischen Beziehungen abseits der Nuklearfrage geben müsse. Also keine vollständige Bedingung sozusagen aller Aspekte der Nord-Südbeziehungen von der Frage der nordkoreanischen nuklearen Bewaffnung. Das ist eine Strategie, mit der er angetreten ist und die jetzt eben erste Erfolge zeigt.
    "Nicht erwarten, dass diese Gespräche die Nuklearfrage lösen werden"
    Engels: Alle Aspekte, sagen Sie. Welchen Grad der Annäherung können denn Ihrer Einschätzung nach die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea erreichen, wenn dieser Auftakt von Dauer ist?
    Ballbach: Wir müssen es sicherlich realistisch sehen. Wir können nicht erwarten, dass in den innerkoreanischen Dialogansätzen, in diesen frühen Ansätzen jetzt in irgendeiner Form eine Lösung der Nuklearfrage erzielt wird. Dazu kommt das Problem, dass diese Frage, die Nuklearfrage, für Nordkorea eben keine innerkoreanische Angelegenheit ist, sondern vielmehr eine Herausforderung zwischen Pjöngjang und Washington. Insofern dürfen wir jetzt nicht erwarten, dass kurzfristig diese Gespräche in irgendeiner Form die Nuklearfrage hier lösen werden. Aber es ist sicherlich ein wichtiger Einstieg, um überhaupt aktive Interaktions- und Kommunikationskanäle mit dem Norden wieder zu öffnen, und es wird sicherlich ein Bestreben der südkoreanischen Administration sein, diesen frühen Dialog, diesen innerkoreanischen Dialog jetzt partiell auszuweiten, um eventuell eben auch einen Dialog zwischen Nordkorea und den USA dann erreichen zu können.
    Engels: Wie weit trägt die Annäherung auf der koreanischen Halbinsel? Wir ordneten das ein im Gespräch mit Eric Ballbach. Er lehrt am Institut für Koreastudien an der Freien Universität Berlin. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen!
    Ballbach: Vielen Dank, Frau Engels!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.