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Annegret Kramp-Karrenbauer
"Es gibt klügere Methoden als die CO2-Steuer"

Emissionshandel statt CO2-Steuer: Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich gegen eine höhere Mineralölsteuer zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes ausgesprochen. Die Lenkungswirkung über den Handel mit CO2-Zertifikaten sei sehr viel besser, sagte sie im Dlf.

Annegret Kramp-Karrenbauer im Gespräch mit Philipp May | 06.05.2019
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer
Die Mineralölsteuer zu erhöhen sei nicht das Mittel der Wahl des CDU-Bundesvorstandes, sagte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im Dlf (picture alliance/dpa/Jens-Ulrich Koch)
Kramp-Karrenbauer betonte, es gebe verschiedene Methoden der Bepreisung von CO2. Eine Steuer sei nur eine davon. Der konkrete Vorschlag, die Mineralölsteuer zu erhöhen, sei nicht das Mittel der Wahl. Dieser Ansicht sei auch der Bundesvorstand der CDU. Es müsse sichergestellt werden, dass beispielsweise Pendler nicht besonders belastet würden.
Die CDU-Chefin plädierte für ein Maßnahmenbündel, das neben dem Emissionsrechtehandel auch Technologieförderung und

Das Interview in voller Länge:
Philipp May: Schauen wir noch einmal auf das genaue Zitat von Annegret Kramp-Karrenbauer vom Wochenende zur CO2-Steuer. Die Frage sei, ob wir, weil wir zu faul sind zum Nachdenken, ob es bessere Methoden gibt, einfach mal insbesondere kleine Leute über Gebühr belasten. – Das ist das Zitat, und Faulheit wollen wir uns nun wirklich nicht vorwerfen lassen. Also denken wir gemeinsam nach. – Schönen guten Morgen, Frau Kramp-Karrenbauer.
Annegret Kramp-Karrenbauer: Hallo! – Guten Morgen, Herr May.
May: Jetzt hat sich am Wochenende auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, wie Sie Christdemokratin, für die Einführung einer CO2-Steuer ausgesprochen. Ist sie auch zu faul zum Nachdenken?
Kramp-Karrenbauer: Nein. Zuerst einmal ist es eine Frage an uns selbst, wie wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, und es ist eines ganz klar und das gilt für die CDU und das will ich ganz deutlich machen: Wir wollen diese Klimaschutzziele erreichen und wir wollen sie vor allen Dingen auch durch die Steuerung über den Preis erreichen. Wenn wir darüber reden, dann reden wir über verschiedene Ansätze. Das ist der Emissionshandel, das sind Zertifikate, das ist die Frage einer Abgabe, das ist die Frage einer CO2-Steuer. Wir haben uns im CDU-Vorstand über eine konkrete Frage unterhalten: Das war nämlich der Vorschlag, Mineralölsteuer mit CO2-Punkten noch stärker zu belasten. Da war die Haltung des Bundesvorstandes, im Übrigen in Anwesenheit auch von Armin Laschet und von Ralph Brinkhaus, sehr eindeutig zu sagen, das ist für uns nicht das erste Mittel der Wahl. Wir wollen insbesondere über das Thema Emissionshandel, über das Thema Zertifikate steuern, und wir wollen darüber hinaus weitere Maßnahmen vorschlagen, etwa bei der Frage, wie können wir durch Technologieförderung CO2 einsparen oder im gesamten Gebäudesektor, etwa bei Anreizen auch von Investitionen. Das heißt, wir setzen gerade keine Denkverbote. Wir wollen aber auch nicht vorschnell zu einem scheinbar einfachen Mittel greifen.
Kramp-Karrenbauer: Wirtschaftliche Dynamik anreizen und soziale Frage sicherstellen
May: Aber wenn Sie zum Beispiel den europäischen Emissionshandel ausweiten wollen – das ist ja Ihre bevorzugte Methode -, wieso belasten Sie die Leute damit weniger als mit einer CO2-Steuer, weil auch da geht es, genau wie Sie gesagt haben, über eine Steuerung um den Preis. Das verstehe ich nicht.
Kramp-Karrenbauer: Zuerst einmal, um es ganz deutlich zu sagen: Wir werden keinen Klimaschutz haben und keine Klimaschutzziele erreichen können, ohne dass die Maßnahmen am Ende des Tages auch spürbar sind – sowohl in der Wirtschaft als auch bei dem Endverbraucher. Das gehört zur Wahrheit dazu und die haben wir immer sehr deutlich ausgesprochen. Das was wir erreichen müssen ist, dass wir ein gesamtes Instrumentarium bekommen, das auf der einen Seite in der Lenkungswirkung sehr zielgenau ist, die größte Wirkung erzielt, zum zweiten die wirtschaftliche Dynamik anreizt und nicht abwürgt, und zum dritten auch mit Blick auf die soziale Frage sicherstellt, dass nicht auf der einen Seite zum Beispiel Bezieher kleinerer Einkommen, also die, die zum Beispiel pendeln müssen, die mit wenig Einkommen ihre Wohnung, ihr Haus unterhalten, besonders belastet sind, aber nicht entsprechend an gleicher Stelle entlastet werden. Das sind die drei Parameter und da sagen wir, dass wir in der Diskussion – und wir beginnen die Diskussion ja erst – mehr Chancen sehen, diese Ziele zu erreichen, etwa durch Zertifikatehandel, etwa durch Emissionshandel, etwa durch die Frage, wie man auch steuerlich durchaus anreizen kann, als rein und alleine nur über die Frage, ob man an einer Stelle ganz gezielt Steuern erhöht.
May: Okay. – Aber genau über diese Frage haben sich die Befürworter der CO2-Steuer ja Gedanken gemacht, auch lange Gedanken gemacht. Dazu gehört ja zum Beispiel jemand wie der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, ein Ökonom, und die haben das durchgerechnet. Damit die kleinen Leute nicht über jede Gebühr belastet werden, soll die Steuer ja zurückgegeben werden zu gleichen Teilen an alle Leute, so dass diejenigen mit kleinem CO2-Fußabdruck Geld sogar zurückbekommen und die, die viel CO2 ausstoßen, Geld zahlen müssen. Das klingt doch nach einem sehr sinnvollen Ansatz.
Kramp-Karrenbauer: Ich habe sehr lange auch mit Professor Edenhofer selbst gesprochen und wir sind uns hier einig über die möglichen Auswirkungen, auch über die Schwierigkeiten eines solchen Konzeptes. Das, worüber wir reden müssen, ist in einem Gesamtsystem wirklich die Frage, wo belasten wir und kommen die Entlastungen an. Und es ist die Frage, mit was steuern wir am besten. Viele der Professoren, viele auch von Wirtschaftsexperten bleiben dabei und sagen und unterstützen auch eine Position im CDU-Vorstand, dass insbesondere über das Thema Emissionshandel, insbesondere über das Thema Zertifikate sehr viel mehr Hebelwirkung erzielt werden kann.
May: Wieso?
Kramp-Karrenbauer: Wenn wir uns heute betrachten, dass ein Großteil oder ein guter Teil von Klimaschutzzielen erreicht werden kann, wenn wir alleine in der industriellen Produktion auf die neueste Technologie umstellen, dann ist es eine Frage, können wir das durch entsprechende auch Steuerbegleitungen, und zwar positive Steuerbegleitungen anreizen.
Erhöhung der Mineralölsteuer "nicht Mittel unserer Wahl"
May: Ganz kurz! Wieso sollte das alles mit einer CO2-Steuer nicht gehen? Das wären dann möglicherweise die gleichen Effekte wie der Emissionshandel, nämlich dass eine Produktion, die sehr CO2-belastet ist, einfach verteuert wird, und umweltschonende, klimafreundliche Technologie wird günstiger.
Kramp-Karrenbauer: Wenn wir über die Bepreisung reden, dann reden wir über verschiedene Methoden. Zu einer der Methoden, das ist ja ganz unbestritten, gehört auch eine CO2-Besteuerung. Über das, was wir im Bundesvorstand gesprochen haben, war es ein konkreter Vorschlag, eine Mineralölsteuer entsprechend zu erhöhen. Da hat der gesamte Bundesvorstand – und dahinter stehe ich auch – gesagt, das ist nicht das Mittel unserer Wahl. Wir bleiben dabei, auch das sagen uns viele der Ökonomen, dass die Steuerungswirkung, die Hebelwirkung sehr viel besser ist beim Thema Zertifikatehandel, beim Thema Emissionshandel. Darauf konzentrieren wir uns jetzt in der Diskussion, im Übrigen mit einem ganzen Bündel von weiteren Maßnahmen, und am Ende des Tages wird es, wenn wir zum Ende des Jahres unsere Klimaschutzgesetzgebung ja auch verabschieden wollen, zumindest in den Eckpunkten genau um die Frage gehen, welches Gesamtkonzept liegt auf dem Tisch, und dieses Gesamtkonzept diskutieren wir. Wir haben nur gesagt, wir steigen nicht beim Thema CO2-Steuer als erstem Diskussionspunkt ein, sondern wir sind der Auffassung, es gibt klügere Methoden, und sich darüber auch in einem demokratischen Streit wirklich den Kopf zu zerbrechen, das ist Aufgabe von Politik, und der stellen wir uns in der CDU und an der Stelle gibt es auch überhaupt keinen Widerspruch innerhalb der CDU.
May: Sie bevorzugen den Emissionshandel. Das wäre dann ja eine europäische Lösung. Dazu bräuchte es Einigkeit in der EU. Wie schnell bekommen Sie das hin? Geht das so schnell dann wie bei der Finanztransaktionssteuer?
Kramp-Karrenbauer: Es ist so, dass wir ganz deutlich gesagt haben, je internationaler, auch je europäischer das geht, umso besser ist es natürlich. Wir haben aber auch ganz deutlich gesagt, dass wir nicht ein solches Thema angreifen nach dem Motto, na ja, wenn sich dort nichts bewegt, dann bewegt sich halt nichts. Wir haben auch sehr viele nationale Möglichkeiten. Ich habe den Industriesektor angesprochen, ich habe Forschungsförderung angesprochen. Wir haben noch nicht gesprochen über das gesamte Thema der Gebäudesanierung und der Energievermeidung dort. Wir werden ein ganzes Bündel von Maßnahmen auch vorschlagen. Und ja, es lohnt sich, in der EU sehr intensiv darüber nachzudenken. Der französische Staatspräsident hat das Thema Klimaschutz zu einem wichtigen Thema ja auch erklärt. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir diese Initiative auch mit unterstützen, und wenn wir jetzt im Europawahlkampf davon reden, dass sich Europa um die großen Themen kümmern muss, dann gehört eine gemeinsame Antwort zum Thema, wie erreichen wir die Klimaschutzziele, ganz, ganz sicher dazu, und da lohnt es sich auch für zu kämpfen.
May: Frau Kramp-Karrenbauer, wir können jetzt ja noch mal gemeinsam nachdenken. Sigmar Gabriel hat bei uns vor einer Woche im Deutschlandfunk einen, wie ich finde, ganz interessanten Vorschlag gemacht, nämlich dass man den Leuten das Geld, das man zum Beispiel durch eine CO2-Steuer einnehmen wird, schon vorab zum Jahresanfang auszahlt - das kann man ja vorausberechnen -, so dass der psychologische Effekt, mir wird erst einmal was weggenommen, sich umkehrt. Auch das klingt jetzt zumindest nicht denkfaul.
Kramp-Karrenbauer: Zuerst einmal, um es noch mal zu sagen: Es ging bei dem, was wir diskutiert haben, um eine reine Erhöhung der Mineralölsteuer. Das ist was anderes als das, was jetzt zum Beispiel Sie auch eben zitiert haben.
"Wir haben ja solche Ausgleichssysteme auch in anderen europäischen Staaten"
May: Wir diskutieren die ganze Zeit um eine CO2-Steuer, nicht über eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Benzin würde natürlich auch teurer werden, aber es geht nicht um eine Mineralölsteuer.
Kramp-Karrenbauer: Ich habe eben noch einmal gesagt, wie die Diskussionslage im Bundesvorstand war, auf die wir uns gemeinsam mit allen Beteiligten verständigt haben. Da ging es um diesen ganz konkreten Vorschlag.
Der zweite Punkt ist: Wir haben ja solche Ausgleichssysteme auch in anderen europäischen Staaten. Der zweite Punkt ist, dass wir sagen, bevor wir in ein solches System wirklich einsteigen, wollen wir insbesondere über die anderen Methoden der Bepreisung reden. Das ist Emissionshandel, das ist Zertifikate, das ist aber auch die Frage, wie wir zum Beispiel die unterstützen, die insbesondere durch Investitionen, durch Innovationen dazu beitragen, durch neue Technologien CO2-Ausstoß zu reduzieren, durch bessere Wärmedämmung zum Beispiel CO2-Ausstoß zu reduzieren. Auch das hat etwas mit Steuern zu tun, aber es ist keine einfache Steuererhöhung, sondern ein anderer Ansatz. Auch darüber denken wir nach. Was wir sagen ist: Man kann es sich nicht einfach so einfach machen und nur sagen, wir erhöhen irgendetwas, und damit haben wir die Ziele erreicht. Es ist komplexer, unsere Antwort ist komplexer darauf, und darüber diskutieren wir im Moment mit aller Leidenschaft in der CDU. Und ich glaube, das Thema ist auch so wichtig, dass man genau das tut.
May: Frau Kramp-Karrenbauer, dann war das wahrscheinlich die ganze Zeit ein Missverständnis. Sie reden die ganze Zeit über das, was Sie in der CDU-Vorstandssitzung gesagt haben, nämlich über eine Erhöhung der Mineralölsteuer diskutiert. Ich habe die ganze Zeit darüber geredet, was Sie nach der CDU-Vorstandssitzung vor den Kameras gesagt haben, nämlich eine Absage an eine CO2-Steuer. Aber gut, ist egal, machen wir hier mal einen Punkt.
Ich habe gestern Abend geschaut: Wenn ich an Himmelfahrt ein langes Berlin-Wochenende machen möchte, zahle ich für den Flug aus Köln, Donnerstag hin, Montag Früh pünktlich zur Arbeit zurück, mit Germanwings 84,98 €. Wenn ich aber ökologisch sein will und sage, ich setze mich lieber vier bis sechs Stunden in die Bahn, zahle ich mit Bahncard 25, zweite Klasse, je nach Grad der Unbequemlichkeit und Länge der Fahrt, dann zwischen 92 und 130 €. Fliegen ist günstiger in Deutschland als Bahnfahren. Kann das sein?
Kramp-Karrenbauer: Deswegen ist ja genau der Punkt, dass wir gesagt haben, wir müssen beim Thema CO2-Ausstoß zum Beispiel über den Preis gehen, über eine Bepreisung gehen. Das ist überhaupt ganz unbestritten. Die Frage ist, wie machen wir diese Bepreisung am besten. Dass Bepreisung auch in der Vergangenheit gewirkt hat, das ist etwas, was wir sehr genau wissen. Und was zum Beispiel auch immer ein Merksatz war, den der Umweltpolitiker der CDU und einer der Vorgänger von Angela Merkel zum Beispiel, Klaus Töpfer, immer sehr in Politik umgesetzt hat, das ist ein Punkt, an dem wir auch festhalten werden. Die Frage ist nur, was ist das beste System der Bepreisung. Darüber diskutieren wir gerade.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.