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Oberbürgermeister von Konstanz
"CO2 muss einen Preis haben"

Konstanz habe den Klimanotstand als direkte Reaktion auf die Fridays-For-Future-Bewegung ausgerufen, sagte der Oberbürgermeister der Stadt, Ulrich Burchardt, im Dlf. Es gehe darum, Impulse zu setzen. Ein wesentlicher Hebel im Klimaschutz sei außerdem ein Preis für CO2, so der CDU-Politiker.

Ulrich Burchardt im Gespräch mit Philipp May | 04.05.2019
Der Oberbürgermeister von Konstanz am Bodensee, Ulrich Burchardt.
Konstanz hat als erste deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen. Der Beschluss wurde einstimmig im Gemeinderat angenommen - "wissend, dass das seine Arbeit erheblich verändern und erschweren wird", sagt Oberbürgermeister Burchardt. (dpa/Tobias Kleinschmidt)
Philipp May: Die Städte und Gemeinden fordern einen Masterplan fürs Klima, und die Stadt Konstanz hat jetzt sogar den Klimanotstand ausgerufen. Deswegen ist nun am Telefon der Oberbürgermeister der Stadt, Ulrich Burchardt, von der CDU und, das ist interessant, auch Mitglied bei der globalisierungskritischen Organisation Attac. Herr Burchardt, ich grüße Sie!
Ulrich Burchardt: Hallo, Herr May!
May: Klimanotstand, das klingt sehr dramatisch. Was heißt das genau?
Burchardt: Ja, ich denke, das ist auch ein Stück der Intention. Es heißt genau, dass wir feststellen, dass wir zugestehen müssen, … Obwohl wir uns seit Langem für Klimaschutz engagieren, obwohl wir vieles tun, wir werden da wahrscheinlich später noch drüber sprechen, müssen wir zugestehen: Wir sind rein rechnerisch nicht schnell genug. Und da kommt jetzt eine junge Generation, die uns das ganz direkt und unverblümt auf den Kopf zusagt und sagt: Werdet schneller! Und insofern ist natürlich das Signal auch: Es ist ein Stück weit dramatisch, natürlich.
"Da steht einiges sehr Konkretes"
May: Also tatsächlich eine Reaktion auf die Fridays-For-Future-Bewegung?
Burchardt: Auf jeden Fall, ja. Der Beschluss ist entstanden aus meinen Gesprächen mit der Fridays-For-Future-Bewegung. Von dort kam der Wunsch, diesen Klimanotstand auszurufen. Ich fand das einen interessanten Gedanken, wir haben uns damit beschäftigt. Ich habe die Verwaltung beauftragt, sich das zu überlegen, und am Ende haben wir eine Vorlage gemacht, die die Resolution von Fridays For Future einschließt, und die haben wir am vergangenen Donnerstag einstimmig beschlossen.
May: Und jetzt haben Sie diesen Notstand ausgerufen – und jetzt?
Burchardt: Na ja, da steht einiges sehr Konkretes drin, das ab sofort passiert. Um jetzt mal zwei Beispiele zu nennen: Ich habe ab sofort halbjährlich im Gemeinderat öffentlich zu berichten über unsere Fortschritte. Wir werden ab sofort alle Verwaltungsvorlagen, also die Vorbereitungen der Gemeinderatsbeschlüsse – das sind bei uns etwa 500 im Jahr plus X –, die werden wir schon auf dem Deckblatt ausweisen auf ihre Klimarelevanz. Und wenn die Vorlage Klimaschutzrelevanz hat, dann muss die Verwaltung dazu Stellung beziehen. Also das ist schon ein starker Impuls. Und dann spätestens im Herbst, wenn es an den Nachtragshaushalt geht, dann werden wir, denke ich, auch in erheblichem Umfang über Geld reden müssen und dann werden da auch noch Konflikte sichtbar werden.
May: Notstand klingt für mich jetzt irgendwie so nach Radikalmaßnahmen, zum Beispiel sofortiges Autoverbot oder Raumtemperatur in den Rathäusern senken, all so was schwebt mir dann da vor, wenn ich an Notstand denke.
Burchardt: Na ja, wir zielen auf den gesamten CO2-Ausstoß, auf die Gesamtklimabilanz. Das schließt vieles ein, das schließt den gesamten Bereich Energie ein. Wir haben heute schon in Konstanz oder bei den Stadtwerken Konstanz, die uns gehören, nur noch Ökostrom, aber Energie ist ein Thema. Bau ist ein Thema, also Neubau ist ein Thema, der Gebäudebestand ist ein Thema, und natürlich ist klar, wir müssen da beschleunigen, und das heißt, wir müssen Prioritäten umsortieren und das werden wir auch tun. Und das kostet natürlich Geld. Also Klimaschutz, gerade bei Gebäuden und gerade bei Bestandsgebäuden, ist teuer und das wird uns noch Kopfzerbrechen bereiten.
"Wir können hier vor Ort viel tun"
May: Zum Geld kommen wir gleich, Stichwort Masterplan, das zielt ja in die gleiche Richtung. Eine Frage habe ich noch: Sie sind ja in der CDU, aber das haben Sie parteiübergreifend einstimmig beschlossen, also der ganze Stadtrat von grün bis CDU steht dahinter?
Burchardt: Das ist richtig. Also ich bin überzeugt, dass die Parteizugehörigkeit auf der kommunalen Ebene sekundär sein muss, sondern hier geht es um Sachfragen der Kommune. Und ich freue mich, dass es mir und der Verwaltung gemeinsam mit Fridays For Future gelungen ist, dass man eben eine Vorlage geschrieben hat, die so ist, dass letztlich alle Fraktionen, alle sieben sind das in Konstanz, zustimmen konnten.
May: Jetzt habe ich gerade schon angesprochen, der Städte- und Gemeindebund, der ja auch Sie vertritt, fordert einen Masterplan fürs Klima. Geht es da tatsächlich dann letztendlich nur um Geld, dass Sie dann sozusagen Ihre Vorhaben auf kommunaler Ebene umsetzen können?
Burchardt: Nein, es geht nicht nur um Geld. Ich glaube, es geht auch darum, mal ein paar Wahrheiten offen auszusprechen. Eine davon ist: Leute, der Verkehr, so, wie wir ihn heute haben in den Großstädten und in den wachsenden Städten, der Verkehr – das führt ja in keine funktionierende Zukunft. Also CO2 hin oder her, wir haben ein Verkehrsproblem in vielen, vielen Städten, und zwar ein schnell wachsendes Verkehrsproblem, und das werden wir mit den heute von uns praktizierten, langsamen kleinen Schritten nicht lösen. Da müssen schnellere Lösungen her. Dann geht es natürlich auch wieder um Geld am Ende, aber es geht eben um mehr als um Geld. Ich glaube, es geht erst mal um ein Eingeständnis, und danach, Stichwort Masterplan, um die Frage: Wie kann man das im größeren Stil angehen? Klar ist auch: Wir als Stadt Konstanz, wir sind ein Promille der deutschen Bevölkerung, wir retten nicht das Weltklima, aber wir senden vielleicht einen Impuls und wir können hier vor Ort viel tun.
"Natürlich will die CDU in Richtung Klimaschutz"
May: Und der Impuls, der müsste dann ja auf Überregionale gehen. Glauben Sie, diese Einsicht, zum Beispiel, was die Reduzierung des Verkehrs angeht, das ist auch bei ihren Parteifreunden bei der Union auf überregionaler Ebene, insbesondere im Bund angekommen?
Burchardt: Also ich weiß, dass die CDU natürlich, wenn Sie jetzt meine Partei ansprechen, die CDU ein starkes Interesse hat, in Richtung Klimaschutz sich schnell weiterzuentwickeln. Unser eigener Abgeordneter hier, der Andreas Jung, war ja viele Jahre lang der Klimaschutz-Fachmann im Deutschen Bundestag. Und natürlich will die CDU in diese Richtung. Ich kann der CDU nicht sagen, was genau die richtige Richtung ist. Also ich glaube, da muss die Ebene Bund auch für sich noch mal Diskussionen führen. Da sprechen wir auch über Subventionen von fossilen Energieträgern und über vieles mehr, und da will ich auch von hier aus keinen Rat geben. Aber ich denke, die Tatsache, dass der Gemeinderat so beschließt, wissend, dass das auch seine Arbeit erheblich verändern und auch erschweren wird, diese Tatsache sollen und dürfen die Landes- und Bundesregierungen durchaus hören und ich freue mich, wenn das dort aufgenommen wird auch als Impuls.
May: Herr Burchardt, dennoch, auch wenn Sie keinen Rat geben wollen, eine Meinung werden Sie haben: Ein Konzept ist ja in aller Munde, die CO2-Steuer beispielsweise. Die Grünen sprechen sich dafür aus, die SPD auch, aber auch mehr und mehr Wirtschaftsexperten, heute zum Beispiel der Internationale Währungsfonds, der sagt, das ist eine gute Sache. Nur die CDU, Ihre Partei, die sagt, nein, finden wir gar nicht gut. Wie sieht man das auf kommunaler Ebene, wo es ja ganz offensichtlich einen größeren Pragmatismus unter den Parteien auch gibt?
Burchardt: Also ich kann nicht für die vollständige kommunale Ebene sprechen, das vorweg. Aber ich denke, dass wir auf der kommunalen Ebene und auch im Städtetag eine weitgehende Einigkeit haben, dass CO2 einen Preis haben muss. Und ob dieser Preis bezahlt wird über eine Steuer, das ist nun wiederum ein Thema, da bin ich zu wenig Fachmann. Aber dass der eine CO2-Ausstoß zu wenig bezahlt und der andere für Ausstoß von anderen viel zu viel bezahlt, das kann man ganz trocken so feststellen, und das ist ganz bestimmt der wesentliche Hebel an dem Thema, ja.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.