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Anschlag auf BVB-Team
"Wir werden nicht aus jeder Sportbegegnung eine Hochrisiko-Veranstaltung machen"

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach hält es für richtig, dass das Championsleague-Spiel in Dortmund nach den Explosionen am BVB-Mannschaftsbus nur um einen Tag verschoben wurde. "Ich glaube, dass es ein wichtiges Signal war zu sagen, wir geben nicht auf", sagte Bosbach im DLF.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Sarah Zerback | 12.04.2017
    Der Bundestagsabgeordnete, Wolfgang Bosbach (CDU), spricht am 06.09.2016 in einem Haus des Deutschen Bundestages in Berlin mit einer Journalistin der Deutschen Presse-Agentur.
    Wolfgang Bosbach (CDU) ist Rechtsanwalt und Mitglied im Innenausschuss des Bundestags (dpa / picture alliance / Gregor Fischer)
    Sarah Zerback: Zum ersten Mal ist ein deutsches Fußballteam Ziel eines Anschlags geworden. Drei Explosionen waren es am Mannschaftsbus von Borussia Dortmund, und das hat nicht nur den BVB geschockt. Auf Twitter hat sich die Bundesregierung geäußert, der Innenminister und viele, viele Fans in Deutschland, in Monaco auch und in der ganzen Welt, um ihre Anteilnahme auszudrücken und auch darauf zu dringen, die Hintergründe schnell aufzuklären. Da arbeiten die Behörden dran und dennoch ist es ein Schock. Wir möchten darüber sprechen mit dem CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach. Er ist uns jetzt am Telefon zugeschaltet. Guten Morgen, Herr Bosbach.
    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Frau Zerback.
    Zerback: Macht denn der Terror vor nichts Halt?
    Bosbach: Die Nachricht aus Dortmund hat mich sofort erinnert an die Anschläge in Paris bei dem Länderspiel am 13. November 2015, Frankreich gegen Deutschland, auch wenn damals die Folgen wesentlich dramatischer waren als gestern in Dortmund. Aber das ist ja nicht das erste Mal, dass ein großes Sportereignis Ziel eines Anschlages wird.
    Zerback: Natürlich müssen wir da differenzieren. Wir wissen bisher noch nicht, welche Hintergründe hinter dieser Tat stecken. Von einem Terroranschlag gehen die Behörden aktuell nicht aus. Sie schließen ihn aber auch nicht aus, ermitteln da in alle Richtungen. Es ist ein Bekennerschreiben gefunden worden. Hat es Sie überrascht, dass es nun gestern ausgerechnet Dortmund getroffen hat?
    Bosbach: Es wird ja wohl kein vernunftbegabter Mensch sagen, damit hat man rechnen müssen. Denn ich hatte auch immer die Sorge, dass gerade große Sportereignisse, auf die sich hier Millionen freuen, Ziel eines Anschlages sein können. Aber wir kennen die Hintergründe nicht. Ich halte es auch für richtig, dass die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen der Öffentlichkeit zur Stunde nicht alles sagt, was sie weiß. Denn so wichtig die Information der besorgten Öffentlichkeit ist, das oberste Ziel muss ja die Aufklärung der Tat, die Aufklärung der Hintergründe und die Überführung der Täter sein. Mir hat gestern jemand gesagt: Daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen. Ich halte den Satz für problematisch. Wir werden auch weiterhin mit der Gefahr von Anschlägen leben müssen, aber wir dürfen uns nie daran gewöhnen, unabhängig jetzt davon, welche Hintergründe die Tat in Dortmund hatte.
    "Es war richtig, dass das Spiel abgesagt worden ist"
    Zerback: Das ist natürlich erst mal leichter gesagt als getan. Schauen wir noch mal auf den Ablauf gestern. Was wir da erlebt haben, das scheint ja eine sehr besonnene Reaktion gewesen zu sein, auch der Fans im Stadion. Wie beurteilen Sie das?
    Bosbach: Ja, großes Lob allen Beteiligten! Denn ich gehe mal davon aus, ich glaube, bei Champions-League-Spielen gibt es nur Sitzplätze im Stadion, es werden aber über 60.000 gewesen sein, auch wenn es vereinzelte Pfiffe gegeben hat, vermutlich von Besuchern, die die Hintergründe der Absage vielleicht nicht im Detail kannten. Es war richtig, dass das Spiel abgesagt worden ist. Es war auch vernünftig, dass man gleich gesagt hat, wie es weitergeht, damit die Spekulationen nicht ins Kraut schießen. Und viel, viel wichtiger als ein so wichtiges Fußballspiel ist doch die Gesundheit des verletzten Marc Bartra und des Motorradpolizisten. Das ist jetzt mal ein gutes Zeichen, dass Zehntausende sehr besonnen reagiert haben. Und der Verein Borussia Dortmund im Übrigen auch. Und dass man alles unterlassen hat, was zusätzlich hätte Emotionen schüren können.
    Zerback: Wir sollen uns nicht daran gewöhnen, dass so etwas passieren kann. Gleichzeitig müssen wir vielleicht vorsorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt beziehungsweise da keine schlimmeren Auswirkungen zu befürchten sind. Die Dortmunder Polizei will das tun, auch vor allen Dingen im Hinblick auf das Spiel heute Abend. Das ist ja nur auf heute Abend verschoben worden. Um 18:45 Uhr ist Angriff. Wie bewerten Sie das, dass das Spiel heute trotzdem stattfindet?
    Bosbach: Ich hoffe, dass heute Abend nicht Angriff ist, sondern Anpfiff. Aber ich glaube, es ist richtig. Viele werden sagen, warum wird das Spiel nicht auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich glaube, dass es ein wichtiges Signal war zu sagen, wir geben nicht auf, wir geben nicht nach, wir nehmen jetzt den nächst möglichen Zeitpunkt. Für die Spieler, insbesondere für die Dortmunder Spieler ist das natürlich ein großes Problem. Sie werden mit mulmigem Gefühl den Bus besteigen und das Spielfeld betreten. Aber so kann es den Spielern in München auch gehen bei der Begegnung gegen Real Madrid. Aber wir wissen doch alle, gerade weil ein Großaufgebot diese Spiele schützen wird, wahrscheinlich ein noch größeres Aufgebot als ursprünglich geplant. Wir können nicht sagen, wenn wir diese oder jene Maßnahme ergreifen, als Gesetzgeber, als Polizei sind wir auf der sicheren Seite, dann kann nichts mehr passieren.
    "Hunderprozentige Sicherheit können wir nicht garantieren"
    Zerback: Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, aber ist das nicht auch noch mal die Besonderheit im Sport? Das ist ja was anderes, als wenn irgendwo ein G7-Gipfel stattfindet, oder Spieler trainieren, Fans vorm Stadion sind. Das macht doch einen großen Unterschied, oder?
    Bosbach: Das macht einen Unterschied. Wir haben ja Großveranstaltungen, denken Sie an Elmau, denken Sie an Hamburg, an das G20-Treffen. Das sind natürlich alles Hochrisiko-Veranstaltungen. Aber wir werden nicht aus jeder Sportbegegnung, die ja Tausende anziehen, immer eine so Hochrisiko-Veranstaltung machen, dass wir sagen können, jetzt kann nichts mehr passieren. Wir müssen immer aus Ereignissen lernen, Konsequenzen ziehen. Wir müssen solche Ereignisse so sicher wie möglich machen. Aber selbst bei allen Maßnahmen, die der Gesetzgeber oder der Organisator trifft, wird man nicht sagen können, jetzt sind wir auf der sicheren Seite, hundertprozentige Sicherheit können wir garantieren. Es war schon falsch, dass geschrieben oder gesagt wurde nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheid-Platz, bis jetzt hätte der Terror um Deutschland einen Bogen gemacht. Es wird ja oft vergessen, dass wir schon durch Terror unsere Bürgerinnen und Bürger in höherer Zahl verloren haben in den letzten Jahren als durch den RAF-Terror in den 70err- und 80er-Jahren. Der Terror hat nicht um Deutschland einen Bogen gemacht. Ob es gestern sich um einen Terroranschlag in Dortmund gehandelt hat, ist allerdings bis zur Stunde reine Spekulation, weil wir die Hintergründe nicht kennen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.