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Antisemitismus in Ungarn
Zwiespältiges Verhalten der Regierung in Budapest

Seit Beginn der Flüchtlingskrise betreibt Viktor Orban eine Kampagne gegen den ungarisch-jüdischen Investor George Soros. Und löste damit bei jüdischen Gemeinden Bestürzung aus. Andererseits bekam Ungarns Ministerpräsident Lob aus Israel - für sein Eintreten gegen Antisemitismus.

Von Clemens Verenkotte | 28.12.2018
    Ein Anti-Soros-Plakat der Regierungspartei Fidesz. "Gemeinsam würden sie den Grenzzaun niederreißen"
    Seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 betreibt Premier Orban eine Diskreditierungskampagne gegen George Soros, der als einflussreicher Strippenzieher der ungarischen Opposition jüdischer Herkunft verunglimpft wird (dpa / Gregor Mayer)
    Das Café Fröhlich im 7. Bezirk von Budapest liegt nur wenige Hundert Meter von der Großen Synagoge entfernt. Frische Croissants, Marmeladelocken, und Apfeltaschen mit Mohn, Wahlnüssen liegen appetitlich angeordnet in der gläsernen Verkaufstheke, die beeindruckende, große Kaffee-Maschine ist fast ständig in Betrieb.
    Das Café Fröhlich ist nach eigenen Angaben die einzige koschere Konditorei in Ungarns Hauptstadt - ein beliebter Treffpunkt für Touristen aus aller Welt, darunter viele israelische Besucher, sagt Eva Zador, die Eigentümerin des Cafés:
    "Zu uns kommen viele, religiöse Touristen, meisten aus Israel, die Kippa tragen. Und sie fragen mich: Dürfen wir so in die Stadt gehen? Ich sage ihn immer: Hier im Viertel ohne weiteres, du bewegst dich, wie du möchtest. Ich bin aber ein bisschen unsicher, ob in allen Bezirken der Stadt so etwas völlig toleriert wird. Aber hier ist es völlig akzeptiert. Und an Orten, die von Touristen besucht werden, an der Burg, Zitadelle, ist es auch akzeptiert."
    Eva Zador kennt den Wandel des jüdischen Lebens in ihrem Viertel, von der kommunistischen Herrschaft, über die Wendejahre und bis hin zu bereits achtjährigen ununterbrochenen Regierungszeit von Ministerpräsident Viktor Orban.
    Diskreditierungskampagne gegen George Soros
    Eva und ihr Ehemann Sandor haben vor zehn Jahren das Café von ihrem Onkel übernommen, der im Jahr 1953 die koschere Konditorei eröffnet hatte.
    Eva Zador: "Nach dem Holocaust wohnten hier viele Leute, die ihr eigenes Judentum nur zu Hause erlebt haben. Damals hatten die Leute mehr Angst gehabt. Heute ist ganz anders. Wenn sie auf die Straßen ausgehen, werden sie viele religiösen Menschen hier sehen - ganz kleine Kindern, und älteren Menschen auch. Hier, im sogenannten jüdisches Viertel soll niemand Angst haben."
    Das Verhalten der ungarischen Regierung bei der Eindämmung und Bekämpfung von Antisemitismus ist zwiespältig: Seit Beginn der Flüchtlingskrise im Spätsommer 2015 betreibt Ministerpräsident Viktor Orban eine massive, öffentliche Diskreditierungskampagne gegen George Soros, der unter Anspielung auf sein erworbenes Vermögen und seine Herkunft als ungarischer Jude als einflussreicher Strippenzieher der ungarischen Opposition, Nichtregierungsorganisationen sowie der EU-Migrationspolitik insgesamt auf Plakaten, Anzeigen und sowie vor allem in den regierungsnahen Medien verunglimpft wird.
    In der jüdischen Gemeinde wuchs die Sorge vor den Auswirkungen der unablässigen Anti-Soros-Kampagne. Der Rabbiner Zoltán Radnóti bilanzierte bereits vor einem Jahr:
    "Die Regierung wollte ein gemeinsames Feindbild den Ungaren vorgeben, vor wem sie, die Regierung, die Bevölkerung retten konnte. Das haben sie nicht geschafft. Wir waren von der Kampagne bestürzt. Aber wir finden es auch lächerlich. Ich bin ein Rabbiner in einer Gemeinde, in der die Gläubigen Intellektuelle sind, wir glauben daran, dass diese Botschaft Leute mit einem bestimmten Intelligenzquotienten nicht erreichen kann."
    Lob von Netanjahu für Orban
    Andererseits unterhält Ministerpräsident Orban enge Kontakte zu den jüdischen Gemeinden, er wird von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu für sein Eintreten gegen Antisemitismus gelobt. Und, Orban spricht sich immer wieder gegen "importierten" Antisemitismus aus - damit meint er muslimische Migranten.
    Zurück im Café Fröhlich, der koscheren Konditorei in der Nähe der Großen Synagoge in Budapest. Besitzerin Eva Zador blickt auf die Frage, wie sie die Sicherheitslage für jüdische Ungarn beurteilt, auf die Situation im übrigen Europa. Da sehe es in Ungarn vergleichsweise besser aus, bilanziert sie:
    "Über Extreme, wie in Europa, habe ich bei uns in Ungarn nichts gehört. Natürlich, Probleme kann es hier auch geben, Leute werden hier und her beleidigt, oder als 'Jude' angesprochen. Aber der Herrgott soll uns vor Extremen wie in Frankreich schützen."