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Asthma bei Kindern
Wenn das Kind um Atem ringt

Allergien, familiäre Vorbelastung, Feinstaub: Lebensumstände und Gewohnheiten scheinen bei der Entwicklung von Asthma im Kindesalter eine große Rolle zu spielen. Übertriebene Hygiene sei nicht nötig, andere Risikofaktoren können Eltern dagegen durchaus beeinflussen, erklären Lungenfachärzte.

Von Christina Sartori | 12.03.2019
Eine Frau haelt ihrem Kind ein Asthmaspray vor den Mund (gestellte Szene), Kind ist unscharf
Etwa jedes zehnte Schulkind in Deutschland leidet an Asthma (picture alliance / dpa Themendienst / Silvia Marks)
Etwa jedes zehnte Schulkind in Deutschland leidet an Asthma. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Formen von Asthma, erklärt Prof. Erika von Mutius, Direktorin des Instituts für Asthma- und Allergieprävention am Helmholtz Zentrum in München:
"Es gibt in der Tat Kinder, die sind Pechvögel, die haben immer wieder, jedes Jahr ihre Atemwegsbeschwerden, manchmal auch Neurodermitis oder Heuschnupfen dazu, jedes Jahr bis ins Erwachsenenalter ist das ein bleibendes Phänomen."
Manchmal verschwindet Asthma mit dem Alter
Es gibt mehrere Faktoren, die das Risiko erhöhen, dass der Nachwuchs an Asthma erkrankt. Einen dieser Faktoren kann man allerdings nicht verändern, sagt Erika von Mutius:
"Etwas, wo man nicht viel machen kann – wenn es in der Familie schon häufiger vorkommt, wobei es nicht zwingend ist, dass wenn die Mutter Asthma hat, dass das Kind auch Asthma hat, das sind einfach Assoziationen in der Familie, sprich wenn da die Großmutter oder der Cousin das haben, dann ist das Risiko erhöht, aber das heißt nicht zwingend, dass das Kind jetzt Asthma bekommt."
Andere Risikofaktoren können Eltern dagegen sehr wohl beeinflussen. Ganz oben auf der Liste: Zigarettenrauch.
"Insbesondere das Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft, aber auch des Vaters nach der Schwangerschaft, wenn das Kind geboren ist oder anderer Familienmitglieder, wo viel zu Hause geraucht wird – das ist ganz klar ein Risikofaktor und wenn das Kind dann selber anfängt."
Feinstaub und Stickstoffoxide spielen eine negative Rolle
Nicht nur Zigarettenrauch begünstigt Asthma – auch die derzeit viel diskutierten Luftschadstoffe Stickstoffoxid und Feinstaub zeigen negative Effekte. Prof. Holger Schulz ist Leiter des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München, dem deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt.
"Was wir definitiv wissen: Wenn ein Kind oder ein Erwachsener, der Asthma hat und eine höhere Expositionskonzentration vorliegt, dass dann die Symptome deutlicher werden, dass mehr Medikamente verbraucht werden und wenn es ganz schlimm kommt, dass der Erwachsene oder das Kind ins Krankenhaus zur Therapie muss."
Nicht ganz so sicher ist die Studienlage zur Frage, ob Luftschadstoffe auch Asthma verursachen können. Doch es gibt immer mehr Hinweise auf diesen Zusammenhang, sagt Holger Schulz:
"Wenn wir jetzt auf die NO2 und Feinstaubdiskussion schauen, dann weiß man halt, dass die Exposition mit Luftschadstoffen – da gibt es zunehmend Evidenz dafür – auch dazu beitragen können, dass ein Asthma entsteht bei den Kindern."
Das Aufwachsen auf dem Bauernhof schützt vor Asthma
Aber es gibt nicht nur negative Einflüsse, die Asthma verursachen oder verstärken, sondern auch schützende Faktoren, erklärt Erika von Mutius. Zum Beispiel das Aufwachsen auf dem Bauernhof.
"Wir wissen: Wenn Kinder im Kuhstall sind, wenn die Eltern dort arbeiten und wenn sie die selber produzierte Milch konsumieren, sprich die Rohmilch, dass dann ein zum Teil erheblicher Schutz vor Asthma passieren kann. Das ist eine Halbierung des Risikos, je nach Dosis, ich sag mal je mehr desto besser, dann kann das auch eine Reduzierung des Risikos von bis zu 80 Prozent sein."
Nun kann man nicht jedem Kind eine Kuh ins Kinderzimmer stellen und Rohmilch kann gefährliche Keime enthalten. Doch wüsste man, welche Bestandteile der Milch vor Asthma schützen, dann wäre das eine Maßnahme, die vielen Kindern helfen könnte. Genau daran forscht Erika von Mutius gerade. Anscheinend werden die schützenden Faktoren in der Milch zerstört, wenn die Milch zu lange und zu stark erhitzt wird. Daher rät Erika von Mutius genau hinzuschauen, welche Milch man kauft:
"Dann schauen Sie aber nicht: Heumilch oder Biomilch, das ist nicht der entscheidende Faktor – der entscheidende Faktor ist traditionell hergestellt oder aber nur pasteurisiert."
Duschen und Wohnung putzen schaden nicht
Dass das Aufwachsen auf dem Bauernhof das Risiko für Allergien und Asthma senkt, wird als Hygiene Hypothese bezeichnet. Ein irreführender Begriff, meint Erika von Mutius, denn Studien zeigen: Wie oft man sich duscht, die Fingernägel schneidet oder die Wohnung putzt hat keinen Effekt auf das Asthma Risiko. Aber natürlich gilt auch hier: Bitte nicht übertreiben.
"Eine übertriebene Hygiene, dass alles mit Sagrotan abgespritzt werden muss, kann ich mir nicht vorstellen, dass es gut ist. Ich denke einfach, im vernünftigen Rahmen halten."