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Astronomie
Eine Marswolke gibt Rätsel auf

Eine merkwürdige Wolke am Vulkan Arsia Mons auf dem Mars fesselt die Aufmerksamkeit von Forschern: Sie ist 2.000 Kilometer lang und damit selbst nach irdischen Maßstäben außergewöhnlich. Sie könnte Astronomen dabei helfen, das Klima auf dem Mars besser zu verstehen.

Von Karl Urban | 18.11.2019
Aufnahme vom Mars-Südpol
Der Mars zählt zu den erdähnlichen Planeten (imago / StockTrek Images)
Jorge Hernandez lag schon in seinem Bett, als er ein neues Forschungsthema entdeckte, und zwar auf dem Display seines Smartphones.
"Ich hatte auf meinem Handy diese Benachrichtigung. Ich habe mir das angeschaut und gleich gesehen, dass am Marsvulkan Arsia Mons etwas Merkwürdiges passiert. Also stieg ich aus meinem Bett und fing an, die Bilder an meinem Computer zu analysieren. Und nach 40 Minuten war ich sicher: Das ist etwas."
100 Kilometer breit und bis zu 2.000 Kilometer lang
Die Benachrichtigung stammte von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, die aktuelle Bilder einer uralten Kamera bis heute auf Twitter verbreitet. Eigentlich war die Kamera an Bord der Raumsonde Mars Express nie für die Forschung gedacht und sollte vor vielen Jahren lediglich das Abtrennen des Marslanders Beagle 2 beobachten. Ihre Bilder zeigen den gesamten Mars in geringer Auflösung, sind reichlich unscharf und eigenen sich daher eigentlich nur als Webcam. Doch auf einem dieser gerade geschossenen Bilder am Mars sah der Doktorand an der Universität des Baskenlandes in Bilbao nun eine ziemlich große Wolke.
"Diese Wolke ist 100 Kilometer breit und bis zu 2.000 Kilometer lang. Das ist eine sehr merkwürdige Wolkenform, die man weder auf der Erde noch auf dem Mars erwarten würde."
Am nächsten Tag suchte der spanische Forscher im Büro auf seinem Computer nach früheren Anzeichen der langgestreckten Wolke. Die meisten wissenschaftlichen Kameras im Marsorbit haben einen kleinen Bildausschnitt und übersehen solche großräumigen Phänomene schnell. Jorge Hernandez wurde schließlich fündig. Mehrere Forscher hatten diese Wolke vor Jahren schon einmal beschrieben. Offenbar beginnt das Wolkenband am Vulkan Arsia Mons und erstreckt sich nach Südwesten. Der spanische Doktorand "erkannte" die Wolke und entdeckte sie dann auch auf mehreren älteren Bildern. Und er stellte fest: Die Wolke kehrt auf den täglichen Aufnahmen von Mars Express offenbar immer zur gleichen Zeit eines Marsjahres wieder.
"Es herrscht dann Sommer in der südlichen Hemisphäre des Mars. Und eigentlich ist der Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre zu dieser Zeit gering. Man würde also nicht viele Wolken erwarten. Aber diese Wolke ist da."
Ist der uralte Vulkan Arsia Mons noch aktiv?
Zeitgleich mit Jorge Hernandez entdeckten viele Raumfahrtinteressierte die auffällige Wolke und spekulierten: Könnte der Milliarden Jahre alte Vulkan Arsia Mons nicht noch aktiv sein? Der Planetenforscher hält das aber für ausgeschlossen.
"Die Wolke entsteht jedes Jahr zur gleichen Jahreszeit und das ist für uns der offensichtlichste Hinweis darauf, dass es sich um kein geologisches Phänomen handelt, sondern um ein meteorologisches Phänomen in der Atmosphäre."
Spektroskopische Aufnahmen zeigen außerdem, dass die lange Marswolke komplett aus Wasserdampf besteht und nicht auch aus anderen vulkanischen Gasen. Dennoch ist das Phänomen außergewöhnlich: Aus hintereinander geschossenen Aufnahmen ermittelte der Forscher eine Windgeschwindigkeit von bis zu 360 Kilometern pro Stunde. An drei anderen ähnlich großen Vulkanen der Region gibt es keine solchen Wolken. Warum das so ist, verstehen die Marsforscher noch nicht. Doch jetzt gibt es offenbar einen guten Ort, um das lokale Klima auf dem Mars besser zu verstehen.
"Wahrscheinlich wird diese Wolke in Zukunft zurückkehren. Und wir werden versuchen, sie wieder zu beobachten. Unser Ziel ist es, dabei zu verstehen, wie sich das Klima des Mars von Jahr zu Jahr verändert."