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Aufarbeitung des Anschlags auf dem Breitscheidplatz
Berliner Polizei übt Selbstkritik

Beim Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 lief auf Seiten der Sicherheitskräfte einiges schief: Aber eindeutige Fehler seien es nicht gewesen, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe spricht hingegen von fatalen Fehlern.

Von Claudia van Laak | 30.07.2019
Barbara Slowik, Polizeipräsidentin, steht bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung eines Berichts der Berliner Polizei zum Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz an einem Pult und spricht.
Barbara Slowik, Polizeipräsidentin, spricht bei der Pressekonferenz zur Vorstellung eines Berichts der Berliner Polizei zum Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
Drei Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern kümmern sich um die Frage: Wie konnte es zum Anschlag auf den Breitscheidplatz kommen, warum wurde er nicht verhindert? Der Einsatz der Berliner Polizei nach dem Attentat ist dabei bislang nicht untersucht worden. Die Polizeipräsidentin selber hat heute den behördeneigenen Abschlussbericht vorgelegt. Von Fehlern der Einsatzkräfte will Barbara Slowik nicht sprechen.
"Ich weiß nicht wirklich, ob ich von Fehlern sprechen würde. Die Schutzausstattung war nicht wirklich professionell, die Nachsorge, insbesondere mit Blick auf die Angehörigen, ich glaube, das war ein zentraler Punkt, der auch deutlich kritisiert wurde, jetzt eindeutig von Fehlern zu sprechen, in diesem Zusammenhang, sehe ich nicht."
Luthe: Eine Reihe von fatalen Fehlern
Diese Einschätzung von Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik macht den FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe sprachlos. Oppositionspolitiker Luthe – auch Mitglied im Amri-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses – kennt Interna und bewertet den Polizeieinsatz so:
"In Anbetracht des immensen Chaos bei der Berliner Polizei unmittelbar nach dem Anschlag, da kann man nicht von Defiziten sprechen, sondern einfach nur von fatalen Fehlern. Es ist ein fürchterlicher Euphemismus in Anbetracht von zwölf Toten, tatsächlich von Unregelmäßigkeiten und kleinen Versäumnissen zu sprechen."
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion zählt auf: Das Lagezentrum sei ungenügend besetzt gewesen, die Polizei habe anfangs auf zwei verschiedenen Kanälen gefunkt, sodass die Kommunikation nicht funktioniert habe. Der wesentliche Fehler sei allerdings gewesen, dass Berlin die Fahndung zu spät ausgelöst habe.
"Bayern war schneller, Thüringen war schneller, die haben alle reagiert. Und damit letztendlich dem Tatverdächtigen die Flucht zu ermöglichen, ist ein absolutes Versagen gewesen. Und das jetzt kleinzureden, ist ein Hohn gegenüber den Opfern."
Berlin hat Konsequenzen gezogen
Widerspruch seitens der Polizeipräsidentin. Es habe keinen zeitlichen Verzug bei der Fahndung gegeben, sagt Barbara Slowik. Ein internes Dokument der Polizei stützt dagegen die Aussage des FDP-Innenpolitikers. Danach löste Berlin die Fahndung zweieinhalb Stunden später als Bayern, Brandenburg und Thüringen aus. Der Täter Anis Amri konnte die Stadt unerkannt in einem Fernbus verlassen.
Berlin hat Konsequenzen aus dem Anschlag gezogen. Als erstes Bundesland hat die Hauptstadt eine zentrale Anlaufstelle für Opfer von Terroranschlägen aufgebaut. Die Polizei wurde besser ausgestattet, die Strukturen verändert, eine sogenannte Führungsgruppe für Großlagen gebildet. Öffentliche Veranstaltungen werden seit dem Anschlag besser abgesichert. Polizeipräsidentin Slowik:
"Ich glaube, dass Berlin mit all den Maßnahmen, die noch vorgesehen sind, die aber auch schon umgesetzt worden sind, in einer Höhe von 95 Millionen Euro, das muss man auch mal sagen, jetzt wirklich im nationalen und internationalen Vergleich professionell und zeitgemäß aufgestellt ist, auch konzeptionell."
So hat die Berliner Polizei inzwischen eine Internetplattform aufgebaut, auf die Bürgerinnen und Bürger nach Anschlägen eigene Bilder und Videos hochladen können, um so die Polizei bei Fahndung und Aufklärung zu unterstützen.