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Außenminister Litauens
"Ein rationales Abkommen mit dem Verbündeten Türkei"

Litauens Außenminister Linas Linkevičius hat sich für ein Flüchtlingsabkommen mit der Türkei ausgesprochen. Litauen sei aber nicht bereit, infolge eines Abkommens zusätzliche Menschen aufzunehmen, sagte er im DLF. Man sei derzeit damit beschäftigt, das im vergangenen Jahr zugesagte Kontingent zu erfüllen, und suche in Griechenland nach Flüchtlingen, die nach Litauen kommen wollen.

Linas Antanas Linkevičius im Gespräch mit Sabine Adler | 18.03.2016
    Der litauische Außenminister Linas Antanas Linkevicius.
    Der litauische Außenminister Linas Antanas Linkevicius. (Imago / Zuma Press)
    "Die Türkei ist zwar nicht Mitglied der EU, aber der NATO", sagte Linkevičius, insofern sei der Staat ein Verbündeter. "Wir können über die Vertrauenswürdigkeit diskutieren, aber das ist nicht relevant". Darum könne man mit der Türkei ein rationales Abkommen schließen.
    Im Erstarken von radikalen Kräften in der EU sieht Linkevičius eine Herausforderung für die Staatengemeinschaft. Es zeige, dass "wir etwas falsch gemacht haben", "dass wir etwas übersehen haben". Daraus müssten Konsequenzen gezogen werden, sonst seien demnächst noch größere Probleme möglich.

    Das Interview in voller Länge:
    Sabine Adler: Herr Linkevičius, in Brüssel versuchen die EU-Mitgliedsländer eine Lösung der Flüchtlingskrise in Kooperation mit der Türkei zu erreichen. Unterstützt Litauen den Deal mit Ankara?
    Linas Linkevičius: Wir müssen eine Vereinbarung mit der Türkei erreichen, denn die Türkei hat eine Schlüsselrolle und unabhängig davon was mit ihr erzielt wird, müssen die Grenzen stärker gesichert werden, zum Beispiel mit der Grenzschutzagentur und es wird Zeit, dass die Hotspots zu funktionieren beginnen. Der Deal mit der Türkei ist dabei ebenfalls wichtig, denn es ist ein wichtiges Land der Region, das sehr hilfreich sein kann.
    Adler: Halten Sie die Türkei für einen vertrauenswürdigen Partner? Der eine oder andere spricht bei einer Verständigung mit der Türkei von einem schmutzigen Geschäft…
    Linkevičius: Sehen Sie, die Türkei ist zwar nicht Mitglied der EU, aber der NATO, ein Verbündeter. Wir können über die Vertrauenswürdigkeit diskutieren, aber das ist nicht relevant, denn wir haben einen bestimmten Vorrat an Vertrauen und wir können ein rationales Abkommen schließen mit dem Verbündeten Türkei.
    Adler: Der Vorschlag schließt ein, dass die Länder Migranten von der Türkei aufnehmen, die schon dort sind und andere, die illegal nach Griechenland zum Beispiel kommen, zurückgeschickt werden. Herr Linkevičius, bedeutet das, wenn Sie sagen, Litauen unterstützt eine Lösung zusammen mit der Türkei, dass Ihr Land auch Migranten aufnimmt?
    Linkevicius: Nein. Wir haben das bereits diskutiert. Wir haben Vereinbarungen getroffen, es wurden Zahlen verabredet, daran halten wir uns, wir übernehmen unseren Teil der Verantwortung. Diese Zahlen haben sich nicht geändert. Wir warten nicht ab, unsere Teams sind in Griechenland und Italien, um Flüchtlinge zu finden, die nach Litauen kommen wollen, aber das ist gar nicht so leicht. Die Registrierung kommt zum Beispiel nicht voran. Lassen sie uns erst machen, was vereinbart wurde, danach können wir etwas anderes verabreden.
    "Kriegsflüchtlinge müssen Schutz bekommen entsprechend unseren Gesetzen."
    Adler: Aber diese Lösung beinhaltet, mehr Migranten als die verabredeten 160 000 zu verteilen, was für Litauen 1100 Personen bedeutet hat.
    Linkevičius: So war es verabredet, es gab Kriterien, und wir sind bereit, sie umzusetzen. So ist die Situation jedenfalls bis jetzt.
    Adler: Herr Linkevičius, ist Bundeskanzlerin Merkel allein in Europa?
    Linkevičius: Ich möchte die Position der Kanzlerin nicht kommentieren. Aber ich will sagen, dass diese armen Menschen, Bürgerkriegsflüchtlinge oder Wirtschaftsmigranten Informationen brauchen, die sie nicht verwirren. Wirtschaftsmigranten sollten nicht auf Aufnahme hoffen, denn es gibt keinen Platz. Aber Kriegsflüchtlinge müssen Schutz bekommen entsprechend unseren Gesetzen. Das ist wichtiger.
    Adler: Wie groß ist die Gefahr einer Spaltung Europas?
    Linkevičius: Das ist eine Herausforderung, keiner hat versprochen, dass es leicht wird. Also beklagen wir uns nicht. Verteidigen wir, was wir aufgebaut haben und ruinieren wir nicht die Einheit der EU oder die Schengen-Zone, schützen wir sie lieber. Dazu müssen wir entsprechend agieren.
    Adler: Wie sehen Sie die Wahlen in Deutschland? Ist die AfD eine Gefahr, weil sie sowohl den Rücktritt von Kanzlerin Merkel will, als auch engere Beziehungen zu Russland?
    Linkevičius: Sie zeigen, dass wir etwas falsch gemacht haben, wir alle. Dass wir etwas übersehen haben. Nicht nur in Deutschland. Wir haben radikale Elemente im EU-Parlament. Wir müssen daraus Schlussfolgerungen ziehen, sonst haben wir demnächst noch größere Probleme.
    "Einen minimalen Sicherheitslevel in der Region"
    Adler: Litauen drängt wie Polen und die anderen beiden baltischen Staaten die NATO dazu, mehr Präsenz in der Region zu zeigen mit rotierenden Brigaden, um sich sicherer zu fühlen. Manch einer in Europa fragt sich, warum diese vier Länder, die kaum Solidarität in der Flüchtlingskrise zeigen, erwarten, dass man mit ihnen in Sicherheitsfragen solidarisch ist?
    Linkevičius: Wir zeigen nicht nur Solidarität, sondern wir haben Verpflichtungen übernommen und erfüllen sie.
    Adler: Vielleicht findet mancher, dass das nicht genug ist?
    Linkevičius: Kann sein, aber ich glaube das nicht. Bei der Sicherheit sprechen wir nicht über ausgefallene Wünsche. Es geht um eine demonstrative Präsenz in Batteriegröße in jedem Land. Ist das etwa viel? Das wäre das Minimum. Ich bin immer überrascht, wenn jemand an alte Vereinbarungen erinnert, dass Russland zugesichert worden sei, keine Truppen in den neuen NATO-Ländern zu stationieren. Es ging um erhebliche Truppen, die tatsächlich nicht stationiert werden, aber es ging nicht um überhaupt keine. Hier geht es um Symbolik, adäquat, nicht zu viel, aber ausreichend für einen minimalen Sicherheitslevel in der Region in der aktuellen Situation.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.