Reform
Neue Pendlerpauschale – klimaschädlich und ungerecht?

Die Politik will die Pendlerpauschale ab 2026 deutlich erhöhen. Doch Kritiker warnen vor Ungerechtigkeiten, klimapolitischen Rückschritten und Milliardenlöchern. Was steckt hinter der Reform – und ist die Pendlerpauschale noch zeitgemäß?

    Abendlicher dichter Strassenverkehr auf dem Mittleren Ring in München.
    München gilt seit Jahren als Pendlerhauptstadt Deutschlands – täglich strömen Hunderttausende aus dem Umland in die Stadt (IMAGO / Sven Simon / Frank Hoermann )
    Jeden Morgen machen sich Millionen Menschen auf den Weg zur Arbeit und legen dabei oft viele Kilometer zurück. Für sie soll die Entfernungspauschale, auch Pendlerpauschale genannt, ab 2026 deutlich steigen. Pendler sollen dann bereits ab dem ersten Kilometer 38 Cent steuerlich absetzen können – sofern der Bundesrat am 19. Dezember 2025 dem Gesetzesentwurf zustimmt. Kritiker sehen vor allem Vorteile für Gutverdienende, warnen vor klimapolitischen Rückschritten und vor neuen Löchern im Haushalt.

    Inhalt

    Wie die Pendlerpauschale funktioniert und was sich ändern soll

    Mit der Pendlerpauschale setzen Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre täglichen Fahrtkosten zur Arbeit steuerlich ab – egal, ob sie mit dem Auto, der Bahn oder dem Fahrrad unterwegs sind.
    Bislang können Pendler für die ersten 20 Kilometer 30 Cent pro Kilometer abrechnen, ab dem 21. Kilometer 38 Cent. Dieser höhere Satz sollte eigentlich Ende 2026 wieder wegfallen. Nun will die Politik ihn nicht nur dauerhaft festschreiben, sondern sogar ausweiten: Ab dem 1. Januar 2025 sollen alle bereits ab dem ersten Kilometer 38 Cent geltend machen können. Das erhöht die Entlastung der Beschäftigten deutlich.
    Nach Berechnungen des Finanzministeriums können bei einem Arbeitsweg von zehn Kilometern und einer Fünf-Tage-Woche rund 176 Euro zusätzliche Werbungskosten im Jahr angesammelt werden, bei 20 Kilometern etwa 352 Euro. Selbst bei fünf Kilometern kommt ein Plus von 88 Euro zusammen. Das gilt aber nur, wenn die gesamten Werbungskosten über dem Pauschbetrag von aktuell 1230 Euro liegen.

    Wer von der höheren Pauschale profitiert und warum

    Die Pendlerpauschale entlastet Steuerzahler jährlich um rund fünf Milliarden Euro. Laut Fraunhofer-Institut profitieren aber vor allem Menschen mit höheren Einkommen: Über 80 Prozent der gesamten Entlastung entfallen auf sie, während die untere Einkommenshälfte lediglich rund 20 Prozent erhält.
    „Für die gleiche Strecke sparen also Gutverdienende oder Besserverdienende mehr Steuern als Menschen, die weniger Einkommen haben, weil die eben einen niedrigeren Steuersatz haben“, erklärt Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Besonders Autofahrer profitieren dabei von der Pendlerpauschale – rund 80 Prozent der geltend gemachten Beträge entfallen auf sie.
    Menschen mit geringem Einkommen haben hingegen oft keinen Vorteil, wenn sie den Werbungskostenpauschbetrag nicht überschreiten oder kaum Einkommensteuer zahlen. Zwar gibt es für Geringverdiener die Mobilitätsprämie, die laut Bundesfinanzministerium rund 250.000 Menschen nutzen könnten – tatsächlich beantragten sie 2021 jedoch nur etwa 150.000 Personen.
    Matthias Wohltmann vom Deutschen Landkreistag begrüßt die Reform dennoch. Sie ermögliche Menschen in ländlichen Regionen, dort wohnen zu bleiben, wo sie möchten, statt aus Kostengründen wegziehen zu müssen.

    Wie die Pendlerpauschale Klima und Mobilitätswende beeinflusst

    Nach Angaben des Umweltbundesamts entfallen nur 20 Prozent der geltend gemachten Entfernungspauschalen auf Menschen, die Bus oder Bahn nutzen. Der Großteil fährt allein im Auto, subventioniert durch die Pendlerpauschale.
    Mobilitätsforscherin Sophia Becker von der TU Berlin sieht das kritisch. „Bei der Pendlerpauschale in der jetzigen Form und auch in der nun vorgeschlagenen Form sehe ich keine klimaschutzpolitische Steuerungswirkung. Das heißt, der Staat setzt hier gar keinen Anreiz dafür, dass Menschen klimafreundlicher oder auch gesünder mobil sind.” Die Pauschale trage sogar dazu bei, Zersiedelung in Stadtrandlagen weiter zu befördern.
    Besonders kritisch sieht Becker, dass auch Großstadtpendler, die problemlos ÖPNV nutzen könnten, künftig stärker entlastet werden.
    Gleichzeitig geraten Maßnahmen unter Druck, die nachweislich mehr Menschen zum Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel bewegen. Das Deutschlandticket etwa wird teurer, obwohl eine vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung koordinierte Studie zeigt, dass 12 bis 16 Prozent der Fahrten damit zuvor mit dem Auto zurückgelegt wurden. Fast die Hälfte der Ticketnutzerinnen und -nutzer nutzte zuvor nur selten den Nahverkehr. Insgesamt sparte das Ticket laut Studie jährlich 4,2 bis 6,5 Millionen Tonnen CO2 ein.

    Streit um Finanzierung

    Unklar ist weiterhin, wie die höhere Pendlerpauschale finanziert werden soll. Laut Bundesregierung fehlen durch die Reform jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro in der Staatskasse. Davon rund eine Milliarde Euro weniger für Länder und Kommunen. Damit wächst der Widerstand auch bei konservativen Ministerpräsidenten.
    Doch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) kündigt an, dass der Bund die Mindereinnahmen nicht ausgleichen werde.
    Die Mobilitätsforscherin Sophia Becker warnt, dass in der aktuellen Haushaltslage die Mittel falsch eingesetzt würden: „In meinen Augen ist die Erhöhung der Pendlerpauschale ein unnötiges Wahlgeschenk, das wir uns eigentlich aktuell in der Finanzsituation, in der wir öffentlich sind, nicht leisten können. Das ist ziemlich viel staatliches Geld, das überhaupt nicht in die Gestaltung einer zukunftsfähigen Mobilität investiert wird.“ Stattdessen fordert sie, E-Mobilität auf dem Land und den öffentlichen Personenverkehr in den Städten gezielt zu stärken.

    Pendlerpauschale: Von Reformideen bis zur Abschaffung

    Wie könnte eine gerechtere und klimapolitisch sinnvollere Pendlerpauschale also aussehen? Immer wieder steht auch eine vollständige Abschaffung im Raum. So hat unter anderem ein Bündnis aus Klima-Allianz, Caritas und WWF gefordert, die Entfernungspauschale abzuschaffen, da diese zu teuer sei, dem Klimaschutz schade und vor allem Besserverdienenden zugutekomme.
    Eine Studie des Umweltbundesamts zeigt: Durch eine Abschaffung ließen sich im Jahr 2030 rund 2,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen – etwa 1,6 Prozent der deutschen Verkehrsemissionen von 2023.
    Mobilitätsforscherin Sophia Becker sieht das differenzierter. Autofahren auf dem Land sei etwas anderes als in der Stadt, wo es praktisch sei, das Auto zu nutzen. Es ermögliche nicht nur berufliche Tätigkeit, sondern auch soziale Teilhabe oder das „Sich-Kümmern“ um andere Menschen. Die beste Mobilität auf dem Land sei die mit dem E-Auto.
    Das Umweltbundesamt schlägt deshalb vor, die Pauschale an die Verfügbarkeit von ÖPNV zu koppeln – ähnlich wie in Österreich. Dort erhält nur noch derjenige die volle Pauschale, der keine gute ÖPNV-Verbindung nutzen kann. Das wäre auch in Deutschland grundsätzlich denkbar, so Becker.

    Einkommensunabhängiges Konzept

    Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit spricht sich außerdem für ein einkommensunabhängiges Modell der Pendlerpauschale aus, bei dem alle Pendler pro gefahrenem Kilometer gleich entlastet werden – unabhängig davon, wie viel sie verdienen. „Man müsste eben pro gefahrenen Kilometer einen gewissen Cent-Betrag finden, und den dann sozusagen jedem Menschen gleich zurechnen. Und damit würde man aufheben, dass es diese Ungleichbehandlung zwischen Besserverdienern und Menschen mit weniger Einkommen gibt”, so Jirmann.
    In eine ähnliche Richtung geht der Mobilitätsgeld-Entwurf des Umweltbundesamts, der ebenfalls eine steuerliche Gleichbehandlung unterschiedlicher Einkommen vorsieht. Die Bundesregierung lehnt ein solches Modell allerdings ab. Das Finanzministerium verweist darauf, dass ein Systemwechsel vom bisherigen Nettoprinzip abweichen würde und erheblichen zusätzlichen Bürokratieaufwand verursachen könnte.

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