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Autobranche in Coronazeiten
Zum Umbruch kommt die Krise

Die Corona-Pandemie hat die deutsche Automobilindustrie schwer getroffen. Die Produktion stand wochenlang still, Lieferketten sind zusammengebrochen – und wer will mitten in der Krise schon ein Auto kaufen? Die Hersteller hoffen nun, dass der Staat ihnen wieder auf die Beine hilft.

Von Silke Hahne | 26.04.2020
Fast fertige ID.3 laufen im Fahrzeugwerk in Zwickau durch die Endmontage
Bei Autobauern in Deutschland läuft nach mehr als fünf Wochen Corona-Stillstand die Fahrzeugproduktion wieder an (Hendrik Schmidt / dpa)
Ein Autohaus in Köln, früh am Morgen, einige Tage nach der Wiedereröffnung. Eine Kundin bringt ihr Auto in die Inspektion, sie trägt einen Mundschutz, genau wie der Mitarbeiter, der ihr Anliegen aufnimmt. Sonst ist es noch ruhig. Wie auch in den vergangenen Tagen, erzählt der Standortleiter: "Der Kaufauftragseingang für Privatkunden ist natürlich deutlich zurückgegangen. Seit Montag geht es wieder los, es kommen wieder Leute ins Autohaus – natürlich erstmal, um Fragen beantwortet zu haben. Sprich: Sie möchten gerne wissen, wann ihr bestelltes Fahrzeug kommt, wird das produziert, was ist mit den Straßenverkehrsämtern, den Zulassungen – klappt das alles?"
Seinen Namen möchte er nicht im Radio hören, zu kompliziert wäre die Abstimmung für Interviews mit dem Mutterkonzern. Sehr wohl aber will er erzählen, was die vergangenen Wochen für sein Autohaus bedeutet haben: "Das Frühjahrsgeschäft ist das Geschäft, wo die meisten Fahrzeuge verkauft werden, bestellt werden, auch ausgeliefert werden. Aufholen ist sehr, sehr schwierig, der Einbruch war extrem."
Händler werden ihre Autos nicht los
Das sind Erfahrungen, die auch Thomas Peckruhn teilt, ebenfalls Autohändler und Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe. Der ZDK vertritt die Interessen der Autohäuser und Werkstätten.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Durchschnittlich 80 Prozent der Aufträge im Neuwagenhandel seien in den letzten Wochen verloren gegangen, so Peckruhn: "Und das ist ein großes Problem, das die Branche hat: Dass die sich fürs Frühjahrsgeschäft bevorratet hat, weil dort in der Regel werden die meisten Fahrzeuge abgesetzt, und die haben jetzt fünf Wochen wie Blei gestanden."
Und das kostet. Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, stellt die Rechnung auf: "Ja, man muss davon ausgehen, dass die Kosten pro Fahrzeug, die auf den Höfen der Händler stehen, am Tag 28 Euro ausmachen. Rechnet man das hoch für so einen mittelgroßen Automobilhändler mit rund 300 Fahrzeugen, dann sind das im Monat Beträge in einer Größenordnung von 200.000 oder 300.000 Euro."
Bänder standen lange still
Und nicht nur in Deutschland stand der Handel still. Parallel zur Ausbreitung des Coronavirus sind weltweit die wichtigsten Automärkte einer nach dem anderen eingebrochen. Im März wurden allein EU-weit gut 55 Prozent weniger Neufahrzeuge verkauft, zeigen Zahlen des europäischen Verbands der Autohersteller ACEA.
Mit Auswirkungen bis in die nächsten Monate hinein, schätzt Ferdinand Dudenhöffer, Automobil-Experte der Universität Sankt Gallen: "In diesem Jahr werden nach unserer Einschätzung weltweit die Autoverkäufe um 18 Prozent einbrechen. Das heißt, die nächsten Monate werden schwer werden für die Autobauer, für die Zulieferer und Kurzarbeit und ähnliche Dinge werden auf der Tagesordnung stehen."
Menschenleere Kö in Düsseldorf
Deutschlands Wirtschaft und das Coronavirus
Die Börsen brechen ein, Geschäfte haben nur teilweise geöffnet, das öffentliche Leben ist eingeschränkt. In der Coronakrise gibt es viele Verlierer. Die Politik hilft mit umfangreichen Programmen. Ein Überblick.
Für Hunderttausende Beschäftigte bei Autobauern und Zulieferern ist das schon seit Mitte März Realität. Seitdem standen für mehrere Wochen in fast allen Werken bundesweit die Bänder still. Erst seit vergangenem Montag werden sie – parallel zum öffentlichen Leben – wieder langsam angefahren. Den Auftakt machte Daimler.
"Wir haben engsten Kontakt gehabt mit den Mitarbeitern – im Homeoffice, im Urlaub. Und jeder hat darauf gebrannt, dass es wieder los geht", sagt Markus Schäfer. Er ist Mitglied des Vorstands bei Daimler und leitet bei der Automarke Mercedes Benz das operative Geschäft, ist also zuständig dafür, dass die Produktion so reibungslos wie möglich wieder anläuft.
Unterbrochene Lieferketten, Mitarbeiter mit Maske
Normalerweise steht im Automobilbau die Effizienz im Mittelpunkt. Je geringer die Kosten pro Fahrzeug, umso besser. Diese Maxime müssen die Hersteller in der Corona-Pandemie über Bord werfen. Oberste Priorität hat jetzt der Schutz der Mitarbeiter vor einer möglichen Infektion mit dem Virus.
Zuvorderst gehe es um die Information der Beschäftigten, sagt Vorstand Schäfer. Physisches Mittel der Wahl sind auch bei Daimler Masken, die Mund und Nase bedecken: Wie auch bei anderen Autobauern kommen sie überall dort verpflichtend zum Einsatz, wo sich Mitarbeiter näher als anderthalb Meter kommen könnten.
Die Kantinen sind geschlossen, Büros und Fertigungsbereiche werden häufiger gereinigt als sonst. Zudem arbeiten die Werke zunächst im Ein-Schicht-Betrieb. In der Verwaltung arbeiten Teams in aufgeteilten Gruppen, auch dort werden Masken bereitgestellt.
Die Vorbereitungen für die langsame Rückkehr in eine Art Normalität beschreibt Schäfer als intensiv. Neben dem Gesundheitsschutz müssen vor allem die Lieferketten sitzen: Denn wenn man schon 20.000 Mitarbeiter wieder in die Werke bringe, sagt der Manager, müssten auch die Teile für die Produktion da sein. Und während diese aus China, anderen Ländern Asiens und Nordamerika auch tatsächlich kommen, sei vor allem Europa derzeit eine Herausforderung: "Und da schauen wir nach Italien, wir schauen nach Spanien, wir schauen vor allen Dingen in diesen Tagen auch nach Frankreich. Mit dem Shutdown in Frankreich kommen die Lieferketten extrem unter Druck. Derzeit können wir das gestalten. Aber in diesen Tagen – wie gesagt, der Anlauf funktioniert, die Teile sind da – und wir werden die Lage weiterhin tagtäglich mit einer Task Force, und die wird weiter bestehen bleiben, intensiv beobachten."
In China erholt sich der Automobilmarkt langsam
Die Produktion läuft vor allem an den Standorten wieder an, deren Nachfrage zunächst gesichert scheint: So startete Volkswagen zunächst das Werk in Bratislava, wo umsatzstarke SUV gebaut werden. Und in Deutschland die Fertigung in Zwickau. Dort wird seit November 2019 das Elektro-Auto ID.3 gebaut. Dessen Markteinführung ist zwar erst für den Sommer geplant. Aber die erste Charge von etwa 30.000 Wagen, die VW-Kundinnen und -Kunden sich vorab sichern konnten, ist bereits ausverkauft. Und damit planbar.
Auch bei Daimler fokussiert man sich zunächst auf Produktionsteile, die definitiv gebraucht werden, wie Getriebe und Motoren. Denn von denen hängt die Fertigung in China ab, die schon seit einigen Wochen wieder läuft. Das heißt, was in Deutschland gefertigt wird, kann dort verbaut und letztlich zu Geld gemacht werden. Denn in China erholt sich der Automobilmarkt langsam wieder, berichten die Hersteller übereinstimmend.
Neufahrzeuge von Volkswagen stehen im März 2020 auf einem Parkplatz im Volkswagenwerk in Zwickau.
Nagelprobe für eine Branche im Umbruch
Die Autoindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands. Nun stürzt die Corona-Pandemie die Branche in ein Nachfrage-Tief - vor dem Hintergrund des Umbaus zu mehr Elektromobilität.
Ein Hoffnungsschimmer für die gesamte Industrie, denn China ist der mit Abstand größte Automarkt weltweit. Etwa jedes dritte Auto verkaufen Daimler, Volkswagen und BMW in der Volksrepublik. Im Februar war der Absatz dort um 80 Prozent eingebrochen. In der letzten Märzwoche betrug der Absatzrückgang im Jahresvergleich noch 24 Prozent.
Was der Einbruch des chinesischen Marktes finanziell für einen Autokonzern bedeutet, hat Daimler im ersten Geschäftsquartal zu spüren bekommen: Um 78 Prozent rauschte der Gewinn nach ersten Berechnungen im Vergleich zum Vorjahr ab. Der Konzern kassierte daraufhin seine Jahresprognose. Genau wie zuvor schon Volkswagen. Auch BMW wagt derzeit keinen Ausblick.
Der Stillstand bei Absatz und Produktion kostet die Autobauer bares Geld. Das spiegelt sich auch an den Aktienmärkten wider, wo alle Hersteller in den vergangenen Wochen zweistellige Kursverluste verzeichnen mussten.
Stillstand kostet Milliarden
Aus Sicht des Autoexperten Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler in Frankfurt am Main macht das einige Firmen zu Übernahmekandidaten. Vor allem Daimler, dessen Börsenwert sich in diesem Jahr nahezu halbiert hat. Während BMW und Volkswagen zu beträchtlichen Teilen in Händen der Familien Quandt beziehungsweise Porsche-Piëch liegen, sind die meisten Daimler-Aktien auf viele Kleinaktionäre verteilt.
Es gibt also keinen Großaktionär, der vor einer Übernahme schützen kann: "Daimler hat ein paar Aktionäre wie beispielsweise den chinesischen Autohersteller Geely mit seinem Besitzer oder auch schon seit Jahrzehnten Kuweit. Aber die haben irgendwo zwischen fünf und zehn Prozent der Anteile. Daimler ist durchaus real übernahmegefährdet, auch wenn es sich um ein sehr großes Unternehmen handelt. Der Marktwert bewegt sich um die 30 Milliarden Euro. Das ist für viele Finanzinvestoren und auch industrielle Investoren kein besonders großer Wert. Das trifft auch auf viele Zulieferer zu. Die Industrie ist zu größeren Teilen auch tatsächlich übernahmegefährdet", so der Banker.
Was die Branche in der aktuellen Lage schütze, stellt Pieper trocken fest, ist einzig ihre schlechte Lage. Ein Unternehmen, das auf absehbare Zeit noch Geld verbrennt, will so schnell niemand kaufen. Auf zwei Milliarden Euro wöchentlich bezifferte etwa Volkswagen zuletzt seine Verluste im Stillstand.
Doch während die Großkonzerne dicke Finanzpolster im Milliardenbereich haben und sich in den letzten Wochen neue Kreditlinien bei privatwirtschaftlichen Banken sichern konnten, sieht das bei ihren Zulieferern anders aus. Viele kommen schon nach einigen Wochen in existenzielle Schwierigkeiten: So musste dieser Tage ein erster, sogar recht großer Zulieferer staatliche Garantien in Anspruch nehmen: Leoni, ein angeschlagener Lieferant mit 95.000 Mitarbeitern, erhielt 330 Millionen Euro staatlich abgesicherte Kredite. Viele kleinere Firmen indes dürften pleitegehen.
Autobranche als "Rückgrat der deutschen Wirtschaft"
Für die deutsche Volkswirtschaft ist das ein Problem. Mehr als 830.000 Menschen arbeiten in Deutschland in der Automobilindustrie. Es sind überwiegend gut bezahlte Arbeitsplätze. Daran hängen Steuergelder, weitere Jobs – und auch der Wohlstand des Landes, betont der Analyst Jürgen Pieper: "Sie ist eben einer der größten Arbeitsplatzbeschaffer, sicher auch eine der Stützen des deutschen Exports, der Bedeutung der deutschen Industrie in der Welt. Und man hat ja jahrelang, sicherlich aus guten Gründen, die Industrie auch durchaus unter Druck gesetzt. Und ich glaube jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dass man hier für eine gewisse Zeit auch eine Unterstützung gewährt."
Knackpunkt aus Sicht von Experten und Praktikern: die Nachfrage. Wie aber lässt sich diese in einer sich ankündigenden, breiten Rezession ankurbeln? Schließlich sind nicht nur Beschäftigte der Autobranche in Kurzarbeit. Nahezu jeder dritte von 2,2 Millionen deutschen Betrieben mit mindestens einem sozialversicherten Arbeitnehmer hat mittlerweile Kurzarbeit angemeldet.
Das Konsumklima ist massiv eingebrochen, wie die monatliche Erhebung des Marktforschungsinstituts GfK zuletzt zeigte: Einkommenserwartung und Anschaffungsneigung befänden sich im freien Fall, konstatierten die Forscher.
Steuersenkungen oder Kaufprämien?
Für teure Güter wie Autos sind das keine guten Bedingungen. Das wissen auch Autobauer, Zulieferer und Händler, Politiker und Professoren. Seit Anfang April werden deshalb Forderungen nach staatlichen Konsum-Anreizen immer lauter, wobei die Vorschläge mannigfaltig sind. Strittig sind zwei Fragen: Wie breit sollte eine Förderung sein? Und welche Bedingungen sollte es hinsichtlich der Umweltfreundlichkeit geben?
Ein Instrument wäre die Absenkung von Steuern auf Konsumgüter. Dafür spricht sich etwa der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer aus: "Unser Vorschlag ist, dass man die Mehrwertsteuer für eine gewisse Zeit aussetzt, zum Beispiel neun Monate. Aber nicht nur für Autos, denn unsere Wirtschaft lebt davon, dass auch die Möbelindustrie und andere Industrien, die hochwertige Konsumprodukte machen, nach vorne gehen, Aufträge kriegen. Das heißt für neun Monate, für Produkte, die 10.000 Euro oder mehr kosten, einfach mal die Mehrwertsteuer aussetzen, damit man Impulse kriegt."
PKWs stehen nebeneinander auf Halde und warten auf Abnehmer.
Autobauer produzieren wieder – und fordern Kaufprämie
Autohäuser öffnen, die Produktion läuft wieder an. Und um den Absatz deutlich anzukurbeln, fordert die Branche eine Kaufprämie – und das nicht nur für Elektroautos. Widerspruch kommt von Ökonomen.
Eine Prämie nur für Autos hält Dudenhöffer für falsch. Unter anderem befürchtet er, dass dann auch viele neuere Autos auf dem Schrottplatz landen. Der Banker Jürgen Pieper hingegen glaubt, eine Absenkung der Mehrwertsteuer sei zu indirekt und gehe in anderen Rabatten unter.
"Wenn man sich die Gesamtsituation anschaut und sich wohl bewusst ist, dass die Umweltthematik für den Autosektor eben in den kommenden Jahren eine ganz große Rolle spielen wird, dann finde ich schon am sinnvollsten, eine Kaufprämie zu koppeln mit dem Umweltthema. Das heißt also sowohl E-Autos, Hybridautos noch stärker zu fördern als bisher, als das auch Kaufprogramme zu erweitern auf Auto mit sehr niedriger CO2-Emission. Und dann eben eine Bar-Prämie zu zahlen. Sowas lockt die Käufer am ehesten an."
Verkehrswende trotz Corona
Worauf Pieper anspielt: Auch ohne Corona-Pandemie steckt die Automobilbranche bereits in einem tiefgreifenden Umbruch. Die CO2-Vorgaben in der Europäischen Union wurden für die kommenden Jahre derart verschärft, dass viele Autobauer Probleme haben dürften, sie zu erfüllen.
Es drohen hohe Strafzahlungen. Geld, das die Autohersteller seit einiger Zeit deshalb lieber in die Entwicklung batteriebetriebener Elektroautos investieren.
Um diesen Trend nicht auszubremsen, spricht sich Stefan Bratzel für eine reine E-Auto-Prämie aus: "Ich könnte mir vorstellen, dass auf die existierende Umweltprämie von Elektrofahrzeugen in Höhe von 6.000 Euro bei reinen Elektrofahrzeugen man drüber nachdenken könnte, diese deutlich zu erhöhen, etwa auf 10.000 Euro. Das wäre ein starker Anreiz, zum Kauf eines Produkts, das viele ja noch nicht kennen. Und würde auch in die richtige Richtung weisen und die Transformation der Autobranche hier unterstützen."
Allerdings erwarten Marktbeobachter erst Mitte des Jahres die Einführung neuer Modelle auch der deutschen Hersteller mit Reichweiten, die über den städtischen Verkehr hinaus die Bedürfnisse von Autofahrerinnen und -fahrern erfüllen. In der Praxis heißt das: Wer jetzt ein Batterie-Auto kaufen will, bekommt vielleicht keines mehr. Oder nur ein ausländisches Fabrikat.
Ein blaues Elektroauto lädt an einer Ladesäule.
Schub in Richtung Elektromobilität
Um den Kauf von E-Autos ankurbeln, hat die Bundesregierung die Umweltprämie noch weiter angehoben - bis zu 6.000 Euro gibt es dazu. Doch es braucht mehr als das, sagen Kritiker. Neben dem Ausbau der Infrastruktur, sind auch die Autobauer gefragt.
Das Kontingent für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sei bei einigen Herstellern für das Kalenderjahr schon erschöpft, sagt der Autohändler Thomas Peckruhn vom Verband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe: "Das heißt also, wenn wir staatliche Kaufanreize haben und die beschränken sich nur auf alternative Antriebe und Hybrid, wär's also kein richtiges Konjunkturprogramm."
Peckruhn ist es außerdem wichtig, jetzt vom Hof zu kriegen, was an Autos in den vergangenen Wochen nicht verkauft werden konnte. Und das sind zum größten Teil solche mit Verbrennungsmotor.
Skepsis erntet er dafür ausgerechnet von seinem Kollegen aus Köln. Der Händler, der lieber anonym bleibt, ist dafür, dass die Hersteller selbst nun Prämien für E-Autos zahlen. Denn letztere hätten die CO2-Vorgaben der EU an ihre Vertragshändler weiter gegeben, erklärt er: "Sprich: Wenn Sie über Ihr CO2-Ziel kommen, haben Sie weniger Marge. Sie können die Fahrzeuge im gesamten Modellmix nicht mehr so günstig anbieten. Somit sind Sie gezwungen, Elektrofahrzeuge, Hybridfahrzeuge auf die Straße zu bekommen, zu verkaufen. Und das geht am besten natürlich mit Prämien des Herstellers."
Bedingungen für Kaufanreize
Die Interessen sind also divers, auch innerhalb der Branche. Das beobachtet auch die Bundestagsabgeordnete Lisa Badum von den Grünen. Sie ist klimapolitische Sprecherin ihrer Fraktion: "Mein Eindruck ist, dass die Autolobby sehr stark für eine Prämie wirbt, es aber noch kein einheitliches Bild gibt, welcher Gestalt."
Badum selbst kann sich eine Umweltprämie vorstellen. Die Politikerin kommt aus Oberfranken, einer Region, in der ein Viertel der Arbeitsplätze an der Autoindustrie hängt, vorwiegend bei Zulieferern. Gerade die müssten nun beim Wandel hin zu mehr Elektroantrieben unterstützt werden: "Die Menschen sind natürlich auf Kurzarbeit. Und es gibt sehr unterschiedliche Meinungen und natürlich auch die Schlussfolgerungen, die Leute ziehen, sind sehr unterschiedlich. Es gibt eben die Mitarbeiter, die sagen: jetzt Qualifizierung, jetzt nutzen. Es gibt natürlich auch andere Mitarbeiter, die sagen: Wenn jetzt noch eine Prämie für Elektroautos kommt, dann ist das das Ende für unseren Standort."
Dennoch würde sie jede Form eines Hilfsprogramms unter die Prämisse stellen, Autosektor und eine grüne Energiewende zu verknüpfen. Sie schlägt eine Mobilitätsprämie vor, die auch den Öffentlichen Nahverkehr mit einschließt und stärkt.
Zudem fordert sie eine heimische Komponente: "Also das Wichtigste ist, dass diese Prämie dann greift, wenn wir auch in Deutschland Elektroautos in der Stückzahl herstellen können. Es sind etliche Modelle in der Entwicklung, natürlich VW, aber auch andere Hersteller. Die werden aber noch ein paar Monate brauchen. Das heißt, diese Prämie muss dann einsetzen – oder muss auch so eine Art Gutschein-Charakter haben -, dass sie dann zum Tragen kommt, wenn die Hersteller auch diese Fahrzeuge auf die Straße bringen können."
Denn auch für Badum ist klar: Die Autoindustrie ist eine Schlüsselindustrie für Deutschland. So sieht es auch ihr Parteifreund Winfried Kretschmann, Ministerpräsident im Auto-Bundesland Baden-Württemberg: "Die Automobilindustrie ist nun mal das wirtschaftliche Rückgrat unserer Länder. Alles, was da passiert, wirkt sofort auf viele, viele Zulieferer, auf den Maschinenbau und auf sehr viele Branchen."
Die großen Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen wollen deshalb in der kommenden Woche in einer Videokonferenz über Auswege aus der Coronakrise für die Branche beraten. Dabei soll es auch um ökologische Prämien gehen.
In der Krise für E-Mobilität werben
Und auch die Bundesregierung scheint dafür offen. Wir müssten auch der Automobilindustrie helfen, die weltweiten Konjunktureinbrüche zu überstehen – formulierte etwa Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in einem Zeitungsinterview mit der Passauer Neuen Presse. Auch er stellte allerdings klar, dass damit am Ende die Klimaziele der Bundesregierung erreicht werden müssten.
Es scheint also, dass versucht werden könnte, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Endlich das Interesse der Kunden an E-Autos zu steigern, und gleichzeitig dem wichtigen Industriezweig in der Krise unter die Arme zu greifen. Klären könnte sich die Frage der staatlichen Kaufanreize am 5. Mai. Dann, so berichten mehrere Medien, beraten Bundesregierung und Autobranche über mögliche Hilfen.
Interessenvertreter Thomas Peckruhn gibt sich derweil zweckoptimistisch: "Ich bin mir sicher, dass es einen staatlichen Kaufanreiz geben wird. Und ich denke, es muss ihn geben."