Sonntag, 12. Mai 2024

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Infrastruktur
Warum baufällige Brücken ein Dauerproblem bleiben

Viele Autobahnbrücken sind baufällig oder gesperrt. Das problemanfällige Schienennetz ist oft keine Alternative. Die Infrastruktur in Deutschland belastet viele Unternehmen, Mehrkosten und Lieferverzögerungen sind die Folgen. Aber die Probleme werden sich nicht schnell lösen lassen.

Von Timo Stukenberg | 19.06.2022
Talbrücke Rahmede
Ein Lkw fährt unter der komplett gesperrten Talbrücke Rahmede hindurch (picture alliance/dpa | Bernd Thissen)
Es ist der perfekte Verkehrsinfarkt. Anfang Dezember vergangenen Jahres entdecken Ingenieure an der Rahmede-Talbrücke Verformungen am Tragwerk. Die Brücke liegt auf der Autobahn A45 zwischen Lüdenscheid und Lüdenscheid Nord. Sie ist eine der Hauptverkehrsachsen, die Südwestfalen, das Ruhrgebiet und das Münsterland mit der Rhein-Main-Region verbindet. Die Brücke wird sofort in beide Fahrtrichtungen gesperrt, nichts geht mehr auf der A45 rund um Lüdenscheid.

Verzweifelte Anwohnerinnen und Anwohner

Fortan donnern Lkw auf der Umfahrungsstrecke durch den Ort. Viele Anwohnerinnen und Anwohner sind angesichts der Lärm- und Verkehrsbelastung verzweifelt. Auch für die Unternehmen in der Region ist die Sperrung ein großes Problem.
Demo gegen die Belastung durch A45-Sperrung
Demonstration gegen die Belastung durch die Sperrung Talbrücke Rahmede. Wegen der Sperrung der A45 werden Lkw durch die Innenstadt umgeleitet. Ein Bürgerbündnis demonstriert gegen den innerörtlichen Lkw-Durchgangsverkehr. (picture alliance/dpa | Bernd Thissen)
Michael Kröhl ist 58 Jahre alt und Chef der Logistikabteilung beim Getränkehersteller Krombacher, rund 15 Kilometer von der Auffahrt zur A45 entfernt: „Das heißt, wenn ein Lkw heute über Lüdenscheid aus nördlicher Richtung kommt, kann er je nach Uhrzeit davon ausgehen, dass er zwischen einer und zwei Stunden auf einer Fahrstrecke im Stau steht. Auf der anderen Seite, wenn er von uns wieder zurückfährt, hat er das gleiche Problem dann noch mal. Das heißt seine Fahrzeit für seinen Lkw-Transport, verlängert sich um zwischen zwei und vier Stunden oder er fährt Umwegstrecken über andere Autobahnen. Dann hat er allerdings zum Teil längere Fahrstrecken von 70 Kilometer in eine Richtung.“
Als die Rahmede-Talbrücke in den 1960er-Jahren gebaut wurde, ging die Verkehrsprognose davon aus, dass später rund 25.000 Lkw und Pkw über die Brücke fahren würden. Vor der Sperrung waren es 64.000 Fahrzeuge pro Tag(*), davon allein 13.000 Lkw.

Notwendige Sanierungen blieben aus

In ganz Deutschland werden immer mehr Waren über die gleichen alten Brücken transportiert. Seit 1991 hat sich der Straßengüterverkehr laut Umweltbundesamt mehr als verdoppelt. Notwendige Sanierungen blieben häufig aus. Viele Brücken stammen aus den 1960er- bis 1980er-Jahren, insbesondere große Tal- und Flussbrücken. 4.000 Bauwerke sind laut Bundesregierung sanierungsbedürftig - und das sind nur diejenigen, die die Bundesregierung bislang priorisiert hat.
Im Schienennetz, das eine mögliche Alternative sein könnte, sieht es nicht viel besser aus. Verspätungen und Zugausfälle, chaotische Baustellenplanung – die Liste der Kritikpunkte ist lang. Was Pendlerinnen und Urlaubsreisenden Zeit und Nerven raubt, ist für die Logistikbranche ein immer bedrohlicheres Problem, sagt Frank Huster. Er ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands.
Huster: „Wir haben einen Zustand sämtlicher Infrastrukturen erreicht, der wirklich besorgniserregend ist, der auch volkswirtschaftliche Auswirkung haben kann, dass Industrie und Handel nicht in der Güte und der Qualität versorgt werden, wie sie eigentlich versorgt werden müssten.“
Die vergangene Bundesregierung hat viele Masterpläne, Sonder- und Innovationsprogramme formuliert, die die Situation auf den Autobahnen verbessern soll. Doch dann ging es oft nur langsam oder gar nicht voran. Beispiel: Rahmede-Talbrücke. Bereits 2017 plante das Land Nordrhein-Westfalen, die A45-Brücke zu erneuern. Die Ausschreibung wurde jedoch gestoppt, weil der Sanierungsbedarf der Rahmede-Talbrücke vom sogenannten „Brücken-TÜV“, eine Initiative der Bundesregierung, als nicht besonders dringend eingestuft wurde.
Andreas Scheuer (CSU), Ex-Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur
Andreas Scheuer (CSU), ehemaliger Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (dpa / Bernd von Jutrczenka)
2018 gab sich der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Interview mit dem Fernsehsender NTV noch optimistisch angesichts des Zustands der Brücken in Deutschland. Scheuer: „Wir haben Investitionen auf Rekordniveau, dass wir die schwierigen Brücken, ich sag mal Leverkusen Rheinbrücke, große Brücken auch sanieren. Und natürlich kommt es auch da zu Verärgerungen, weil natürlich Behinderungen die Folge sind. Aber trotzdem haben wir die Brücken im Griff. Frage des Interviewers: "Wir müssen uns keine Sorgen machen?" Scheuers Antwort: "Nein." Rund drei Jahre später wurde die Rahmede-Talbrücke ohne Vorankündigung gesperrt.

Föderales System als Mitursache ausgemacht

Frank Huster vom Speditions- und Logistikverband: „Das hehre Ziel, dass wir eine Straßen- und Schieneninfrastruktur, also insgesamt eine Verkehrsinfrastruktur so ertüchtigen, dass sie auch Ausbaupotenziale hebt, davon muss man sich allmählich verabschieden. Es ist schon eine Herausforderung, die Substanz zu sichern. Wir sind jahrelang auf Verschleiß gefahren. Das ist kein Versagen in der letzten Legislatur, das ist ein Versagen mehrerer Legislaturperioden.“
Frank Huster
Frank Huster vom Speditions- und Logistikverband (picture alliance / dpa | DSLV)
Doch es liege nicht allein am fehlenden Willen im Bundesverkehrsministerium, das in den letzten zwölf Jahren von der Union geführt wurde, sagt Huster. Ein strukturelles Problem liege im föderalen System. Denn jahrzehntelang waren für die Sanierung der Autobahnen und ihrer Brücken die Bundesländer verantwortlich.
„In der Vergangenheit war es so, dass, wenn eine Autobahn, die quer durch Deutschland läuft, neu gebaut werden oder einfach auch nur erhalten werden sollte, dann hat jedes Bundesland für sich sozusagen isoliert gearbeitet. Und das führte dazu, dass es dann erhebliche organisatorische Mängel gab, sowohl bei der Finanzierung, aber auch beim Baustellenmanagement und so weiter. Daraus hat man gelernt. Mit Gründung der Autobahn GmbH, die sich ja im Besitz des Bundes befindet, ist zumindest vorgesehen, dass sämtliche Straßen, die sich in Bundesverantwortung befinden, auch zentral gemanagt werden.“

400 Brücken sollen jährlich saniert werden

Die Autobahn GmbH hat 2021 ihren Betrieb aufgenommen und ist seitdem zuständig für den Erhalt und Ausbau der Bundesfernstraßen, also der Autobahnen. Sie hat im vergangenen Jahr rund fünf Milliarden Euro in den Erhalt und Ausbau der Autobahnen investiert. Bis 2026 sollen zusätzlich zwei Milliarden Euro in die Bundesfernstraßen gesteckt werden. Damit sollen nun 400 Brücken jährlich saniert werden, doppelt so viel wie zuvor geplant.
Die Grafik zeigt den Zustand deutscher Straßenbrücken
Die Grafik zeigt den Zustand deutscher Straßenbrücken (statista / Mathias Brandt)
Das Thema beschäftigt die Parteien im Bundestag. Die Union verwies vor kurzem noch mal darauf, dass sie in den vergangenen Legislaturperioden mehrere Gesetze auf den Weg gebracht habe, die Planung und Bauarbeiten an Brücken vereinfachen sollen. Doch die Mittel könnten häufig nicht abfließen, sagt der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, FDP-Politiker Oliver Luksic. Als seine Partei das Verkehrsministerium von der Union übernommen habe, hätten sie kaum Planungen für Sanierungen vorgefunden.
Luksic: „Da haben wir jetzt kurzfristig mehr Haushaltsmittel für externe Planung. Wir haben jetzt Planung extern vergeben, fahren gleichzeitig das Personal bei der Autobahn hoch und müssen natürlich bei einfacheren Brücken auch mehr auf Modulbauweise setzen. Also wir müssen eine ganze Reihe von Maßnahmen gleichzeitig machen, um einfach diesen riesigen Sanierungsstau abzuarbeiten.“
Der Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl im Saarland, Oliver Luksic, spricht am 27.03.2017 in Berlin während einer Pressekonferenz.
Der FDP-Politiker Oliver Luksic (picture alliance / Soeren Stache)
Mittlerweile ist der Sanierungsstau so groß, dass es keine kurzfristigen Lösungen mehr gibt. Und muss ein Autobahnabschnitt komplett gesperrt werden wie an der Rahmede-Talbrücke, entstehen zusätzlich enorme Kosten für Autofahrer und Logistikunternehmen.
Wer einen Umweg fährt, verbraucht mehr Diesel oder Benzin, verbringt mehr Zeit hinter dem Steuer und die Fahrzeuge verschleißen mehr. Auch diejenigen, die die Ausweichstrecken normalerweise nutzen, müssen sich auf längere Fahrtzeiten und damit höhere Kosten einstellen, weil auf den Strecken viel mehr Verkehr herrscht.

Folgekosten von 1,2 Milliarden Euro - wegen einer Brücke

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft hat im Auftrag des Verkehrsverbands Westfalen berechnet, dass durch die Sperrung der Rahmede-Talbrücke in den nächsten fünf Jahren zusätzliche Kosten von rund 1,2 Milliarden Euro entstehen. Zusätzlich verursacht die Sperrung sogenannte Standortkosten von mindestens 600 Millionen Euro, weil die Attraktivität Südwestfalens für Unternehmen sinkt. Laut der Studie gibt es in der Region besonders viel verarbeitendes Gewerbe, das auf eine gut ausgebaute Infrastruktur angewiesen ist.
Besonders zu spüren bekommt das die Logistikbranche rund um die gesperrte Autobahn 45. Um die Kosten für Umwege und Verzögerungen auszugleichen, zahlt Getränkehersteller Krombacher einen Logistikzuschuss an seine von der Brücken-Sperrung betroffenen Kunden, also Großhändler, die die Getränke in Krombach abholen und etwa an Supermärkte liefern.

Für sein Unternehmen beziffert Logistikchef Kröhl die Kosten auf jährlich drei Millionen Euro: „Also, wir sind jetzt kein Unternehmen, was einfach drei Millionen Euro Kostensteigerungen aus der Portokasse zahlen kann, weil das ist ja alles Geld, was erwirtschaftet werden muss durch unsere Mitarbeiter in Produktions- und Vertriebsprozessen. Und diese Kosten landen dann bei uns, um den Markt und den Kunden nicht damit zu konfrontieren, um da die Wettbewerbsungleichgewichte nicht größer werden zu lassen.“

Anruf bei der Deutschen Bahn

Im Getränkegeschäft sind die Margen niedrig und die Transportkosten hoch, die Konkurrenz unter den Herstellern ist groß. Kröhls Kunden setzt das unter hohen Druck – und damit letztlich auch ihn, berichtet er. „Was natürlich letztendlich für die Kunden ein wirtschaftliches Problem darstellt und wir dadurch natürlich auch im Wettbewerb zu anderen Getränkeherstellern plötzlich in die Situation gekommen sind, wo wir gesagt haben, hier müssen wir aufpassen, dass Kunden in dem einen oder anderen Fall nicht plötzlich sagen, wir fahren gar nicht nach Krombach, weil wir den Weg nach Krombach aufgrund der verlängerten Fahr- oder Umwegstrecken nicht im Moment machen wollen.“
Angesichts der Umwege und möglichen Mehrkosten für seine Kunden hat Kröhl am Tag nach der Sperrung der Rahmede-Talbrücke zum Telefonhörer gegriffen. Er rief bei der DB Cargo, der Güterverkehrssparte der Bahn an, um auszuloten, welche Alternativen er seinen Kunden anbieten könnte. „Wir haben diese Analyse gemacht, abgestimmt und haben dann eben unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gesagt: Es gibt verschiedene Relationen, und das ist Hamburg, Bremen und Berlin, die in Frage kämen, wo man mit Kunden so etwas realisieren kann.“
Bevor der Getränkehersteller auch nur einen Teil der rund 60.000 Lkw-Ladungen, die jährlich an der Rampe abgefertigt werden, auf die Schiene verlagern konnte, galt es jedoch erst in Online-Konferenzen, Präsentationen und Einzelgesprächen die Kunden zu überzeugen.

Rund ein halbes Jahr hat es gedauert, bevor Krombacher im Mai die ersten Lkw-Ladungen auf die Schiene verlagern konnte. Im Juni sollen wöchentlich 34 Container mit dem Lkw zum Bahnhof gefahren werden und dann über die Schiene weiter transportiert werden. „Wir haben als Unternehmen hier unsere Verantwortung relativ schnell wahrgenommen, aus der Situation zu erkennen, dass wir nun an der Stelle als Unternehmen auch die Schiene noch mal stärker in den Vordergrund bringen müssen, um vielleicht auch als Leuchtturmprojekt für eine Region andere zum Mitmachen zu animieren.“

Für manche Firmen sei die Schiene ein rotes Tuch

Die Schiene als Ersatz für marode Straßen und Brücken? Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung den Anteil der Schiene am gesamten Güterverkehr auf 25 Prozent anheben. Dieses Ziel hat schon die Bundesregierung vor 20 Jahren ausgerufen. Seitdem verharrt der Wert bei rund 18 Prozent.
Michael Kröhl von Krombacher sieht in der Bahn eine Chance, anders sieht es Logistik-Verbandschef Frank Huster. Er sagt, für viele Logistikfirmen und deren Kunden sei die Schiene ein rotes Tuch: „Baustellenmanagement, Baustellenorganisation und vor allen Dingen erhebliche Defizite bei der Kundenkommunikation sind ganz entscheidend dafür, das sich heute Logistikunternehmen, teilweise sogar auf Bitten oder auf Aufforderung ihrer Kunden, von der Schiene wieder abwenden.“
Das Ziel der Bundesregierung, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, sei so richtig wie ambitioniert, sagt Verkehrsexperte Urs Maier vom Thinktank Agora Verkehrswende. Das Ziel sei erreichbar, wenn das Schienennetz nicht nur erhalten, sondern zusätzlich deutlich ausgebaut werde. „Und mit dem Blick auf den Güterverkehr bedeutet das nicht nur, dass es neue Strecken braucht, es bedeutet auch, dass bestehende Strecken verbessert werden, auch mit Ausweichgleisen, Überholgleisen, mit einer höheren Kapazität von Rangierbahnhöfen et cetera. Und es ist letztendlich immer auch wichtig, die Verbindung zwischen Straße und Schiene besser zu ermöglichen, also mehr Gleisanschlüsse. Die müssen wieder ertüchtigt werden oder neu gebaut werden.“
Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag deutlich mehr Geld in die Schiene investieren als in die Straße. Tatsächlich liegen die Finanzmittel für die Schiene laut aktuellem Bundesverkehrswegeplan mit rund 113 Milliarden Euro aber immer noch rund 20 Milliarden Euro unter den geplanten Investitionen ins Straßennetz.

Bund will Konzept für besseren Bahnverkehr vorlegen

Doch mehr Geld allein werde das Problem auch bei der Bahn nicht lösen, sagt Verkehrs-Staatssekretär Oliver Luksic: „Wir haben halt im Moment einfach wenig Planungsvorrat bei der Schiene. Ein Stück Schiene zu bauen von der Planung bis zur Umsetzung kann bis zu fünf Legislaturperioden dauern, auch in dieser Legislaturperiode wird es wahrscheinlich sehr wenig Ausbauprojekte geben oder Neubau. Was wir eher haben, ist, dass wir die Schiene digitalisieren. Also insofern müssen wir hier auch Planungsvorrat schaffen, den wir leider bei Amtsantritt nicht gefunden haben. Wir werden aber die Mittel in der Tat mittelfristig erhöhen müssen bei der Schiene.“
Diesen Monat will das Bundesverkehrsministerium nun ein Konzept für die Bahn vorlegen: Die Baustellenplanung soll verbessert werden, die Pünktlichkeit gesteigert und das Schienennetz generalsaniert werden.
Während sich die Logistikbranche um den Erhalt von Straßen- und Schieneninfrastruktur sorgt, die ja ihre Arbeitsgrundlage darstellt, steht sie vor einer weiteren Riesenaufgabe. Denn der Verkehrssektor ist in Deutschland einer der größten Verursacher des Treibhausgases CO2. Die CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr sind seit Mitte der Neunziger Jahre um 17 Prozent gestiegen.
Die von der Bundesregierung angestrebten Einsparungen verfehlt der Sektor deutlich, sagt Oliver Luksic, der auch Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik ist. „Bisher war es so, dass alle Effizienzgewinne, die wir hatten, von zunehmendem Verkehrswachstum aufgefressen wurden. Das ist, sage ich mal, das Problem bei den Klimazielen im Verkehrsbereich, egal, wer regiert hat. Also es gab eine Reihe von Verbesserungen, die wurden aber immer durch mehr Verkehr ein Stück weit neutralisiert.“
Das soll sich ändern – mit dem sogenannten „Klimaschutzprogramm 2030“. Die Bundesregierung will erreichen, dass bis 2030 etwa ein Drittel der Strecken im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe gefahren werden soll. Laut der Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ von Agora Verkehrswende kann der Transportsektor das durchaus erreichen.
Entscheidend dafür sei jedoch, dass die Klimaschutzziele Eingang in den Bundesverkehrswegeplan, das langfristige verkehrspolitische Programm der Bundesregierung, finden, sagt Urs Maier, Mitautor der Studie: „Diese Bundesverkehrswegeplanung, wie wir sie haben, wie sie sich auch im Bundesverkehrswegeplan 2030 zeigt, folgt einer Logik, die auftretende Engpässe durch mehr Infrastruktur kompensieren will. Es gibt aber keine Kopplung an die Klimaschutzziele der Bundesregierung.“

Nicht nur Sanierung, sondern Modernisierung nötig

Die Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan, also wo wie was gebaut und saniert wird, werden gerade überprüft. Maier hofft, dass nach der Prüfung viele Straßen-Neubauprojekte gestrichen werden. Stattdessen sollten die Mittel eher dafür eingesetzt werden, auf einen emissionsärmeren LKW-Verkehr umzusteigen.
„Der Straßengüterverkehr muss so schnell wie möglich elektrisch werden. Und am effizientesten ist es, wenn man Strom direkt nutzt mit Batterien oder mit Oberleitung.“ Klar ist, so die Studienautorinnen und -autoren von Agora Verkehrswende, dass bis 2030 ein Viertel aller Fahrzeuge des Straßengüterverkehrs, und bis 2045 80 Prozent emissionsfrei unterwegs sein sollten.
Hieran zeigt sich deutlich, dass die Bundesregierung nicht nur in den Erhalt der Infrastruktur, sondern auch in ihre Modernisierung investieren muss. Denn aktuell steht in Deutschland noch keine einzige Ladesäule für batteriebetriebene Lkw. Oberleitungen auf Autobahnen gibt es ebenfalls bislang nur in Pilotprojekten. Immerhin: Die EU-Verkehrsminister haben kürzlich beschlossen, bis 2030 auf allen wichtigen europäischen Fernstraßen eine Ladeinfrastruktur für elektrische Lastwagen einzurichten.
An der Rahmede-Talbrücke versucht der Bund unterdessen Schadensbegrenzung zu betreiben. Anwohnerinnen und Anwohner, die an einer Ausweichstrecke leben und von einer Brückensperrung betroffen sind, sollen finanzielle Unterstützung vom Bund erhalten, um Lärmschutzmaßnahmen zu treffen. In Südwestfalen hoffen indes viele darauf, dass der Ersatzbau der Brücke innerhalb der versprochenen fünf Jahre fertiggestellt wird. Zunächst muss die Rahmede-Brücke jedoch gesprengt werden.

(*) Anmerkung der Redaktion: Der Satz wurde korrigiert. Es fuhren dort 64.000 Autos pro Tag, nicht pro Jahr, wie im Beitrag irrtümlich gesagt.