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Bedrohungslage
Deutschland "im Visier von Terroristen"

Die Zahl der "Gefährder" in Deutschland, also der Menschen, von denen eine Terrorgefahr ausgeht, ist in den vergangenen Jahren laut BKA-Chef Holger Münch stark gestiegen, auf derzeit 470. Politiker von Union und SPD kritisieren, dass in Europa zu wenige Daten ausgetauscht würden.

Von Nadine Lindner | 29.03.2016
    Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, spricht am 18.11.2015 auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA) im Kurfürstlichen Schloss in Mainz (Rheinland-Pfalz) und ist dabei als Schatten zu sehen. Foto: Fredrik von Erichsen/dpa
    Zu den "Gefährdern" zählen auch Extremisten, die sich zwischenzeitlich Dschihadisten-Gruppen angeschlossen und Erfahrungen aus Kampfgebieten haben. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Auch Deutschland steht im Visier von Terroristen. Das sagte der Chef des Bundeskriminalamtes Holger Münch im Bayerischen Rundfunk. Seit der Jahrtausendwende seien in Deutschland elf Terroranschläge vereitelt worden. Dazu zählen unter anderem der gescheiterte Anschlag auf einen Regionalzug von Köln nach Koblenz, die geplanten Anschläge der "Sauerland-Gruppe" aus dem Jahr 2007 sowie die Attentatsvorbereitungen am Bonner Hauptbahnhof. Münch zur Terrorgefahr im Bayerischen Rundfunk:
    "Wir können erst mal festhalten, dass Europa, damit auch Deutschland, im Zielspektrum des islamistischen Terrors steht. Dass wir in Deutschland von einem erhöhten Anschlagsrisiko ausgehen. Aktuell haben wir keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag, aber wir sind sehr wachsam."
    Mit Bezug auf mögliche Verbindungen von den Attentätern von Brüssel nach Deutschland sagte der BKA-Chef, dass dies laufend geprüft werde. Bislang seien keine direkten Kontakte erkennbar, Deutschland werde eher als Transitland zur Durchreise genutzt.
    Mehr "Gefährder" in Deutschland
    Allerdings gebe es auch hier Personen, die als sogenannte "Gefährder" eingestuft würden, 470 seien es derzeit, von denen eine Terrorgefahr ausgehe. Die Zahl sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen, so BKA-Chef Münch. Dazu zählen auch Extremisten, die sich zwischenzeitlich Dschihadisten-Gruppen wie dem "Islamischen Staat" angeschlossen und Erfahrungen aus Kampfgebieten hätten.
    Der Generalbundesanwalt, Peter Frank, wies in diesem Zusammenhang in der "Süddeutschen Zeitung" auf das Problem hin, dass es der deutschen Justiz nicht immer gelinge, Gräueltaten aus dem Ausland nachzuweisen. Oft könne den Rückkehrern nur die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt werden.
    Der Generalbundesanwalt sagte, dass Deutschland gute Erfahrungen mit dem Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern gemacht habe. Dies könnte Vorbild für europäische Strukturen sein.
    Datenaustausch laut Politikern verbesserungswürdig
    Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer mahnte im "Morgenmagazin" nach dem Treffen der EU-Innenminister vom Donnerstag nun Taten statt Worte an.
    "Insbesondere, was den Austausch von relevanten Daten anbelangt. Es gibt zwar genügend Beschlüsse, auf europäischer Ebene die den Austausch vorsehen. Aber es hapert in eklatanter Weise an der Umsetzung.
    In den Hauptstädten dominieren leider immer noch nationale Egoismen, wenn es darum geht, sensible Daten preiszugeben und auszutauschen."
    Den fehlenden Datenaustausch hatte auch Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel, SPD, via Bildzeitung kritisiert.
    Bundespolizeigewerkschaft: Bestehende Funktionen "unwirksam"
    Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Ernst Walter beklagte im ZDF ebenfalls, dass bestehende Strukturen auf europäischer Ebene nicht genutzt werden und damit unwirksam seien.
    "Das, was wir momentan haben, das Terrorabwehrzentrum bei Europol, ist den Namen eigentlich nicht wert, weil es nur vier oder fünf Ländern gibt, die ihre Daten einspeisen."
    Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter forderte im "RBB Inforadio" eine gemeinsame europäische Extremistendatei zur Terrorbekämpfung. Es gebe 28 verschiedene Systeme und keinen gemeinsamen Zugriff und sowie keine einheitlichen Bewertungskriterien. Das müsse sich endlich ändern.