Donnerstag, 18. April 2024

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Berliner Buddhisten vollenden Stupa-Bau
Der Karma-Katalysator

Berlin bekommt ein buddhistisches Wahrzeichen: einen Stupa, also eine Aufbewahrungsstätte für Reliquien. Das Bauwerk, eine Kombination aus Glocke und Lotusblume, wurde aus Spenden finanziert. Für ein Zeichen der Versöhnung bekomme man keinen Bankkredit, sagen die Berliner Buddhisten.

Von Mechthild Klein | 24.04.2018
    Der noch verhüllte Stupa vor dem dem Meditationszentrum Bodhicharya in Berlin.
    Noch ist der Berliner Stupa des buddhistischen Vereins hinter einem Baugerüst verborgen (Deutschlandradio / Mechthild Klein)
    Tibetische Mönche segnen den Rohbau des Stupa in Berlin. Seit mehr als zwei Jahren bauen die Buddhisten an einem rund sieben Meter hohen Sakralbau vor dem Meditationszentrum Bodhicharya. Dafür wurde Beton gegossen, mit Mauerwerk umrahmt und verputzt. Wie eine riesige umgedrehte Hand-Glocke mit Knauf sieht das Gebilde aus – jetzt umgibt es noch ein Baugerüst mit Plastikplanen. Solche großen, öffentlich zugänglichen Stupas gibt es nur eine Handvoll in Deutschland. Für den Bauingenieur Lars Fächner war der Stupa-Bau eine Herausforderung:
    "Da gibt es einerseits die ortsüblichen Handwerker, die diese Konstruktion auch noch nie gemacht haben. Dann gibt’s die Vorstellung unserer tibetischen Lamas, die halt ihre Bauweise kennen, die halt ein bisschen abweicht von unserer Bauweise. Und da gibt es noch viele andere Beteiligte, die alle ihre Wünsche und Vorstellungen haben."
    "Wir spüren die guten Energien"
    Das Innere des Stupa ist mit zahlreichen Reliquien gefüllt. Alle Beigaben haben die tibetischen Lamas in feierlichen Zeremonien gesegnet.
    "Da kommen Edelsteine, Gold, aber auch Buddhafiguren, Kräuter ... ja was da so alles rein kommt."
    Tatsächlich liegen im Inneren des Stupa aber keine kostspieligen Schätze, sondern vor allem heilbringende Beigaben: Die Buddhisten hatten Kräuter wie beispielsweise Wacholder gesammelt. Sie rollten auf Papier gedruckte Mantras, die heiligen Silben enthalten. Viele aus Ton gefertigte einfache Buddhafiguren wurden in das Innere eingemauert. Der Stupa hat einen Durchmesser von vier Metern, da passt schon einiges rein. Von der Präsenz des Stupa versprechen sich die Berliner Buddhisten eine heilsame Wirkung.
    "Und wir spüren jetzt auch, wo er immer weiter fertig wird, wirklich auch gute Energien. Und das merkt man auch, vor Ort merkt man, dass sich die Energien verändern – wenn man das Feng-Shui-mäßig ausdrücken will."
    Sagt Christiane Uekermann aus dem Vorstand des Berliner Bodhicharya-Vereins.
    "Klar ist es ursprünglich ein buddhistisches Symbol. Aber ich denke, hier in Berlin und speziell hier in Friedrichshain ist es sicher ein Symbol für alle, für Frieden und Verständigung. Und wir wollen hier auch einen Ort der Stille, wo Leute herkommen können, sich hinsetzen, meditieren und die nur einfach hier sitzen wollen und den Frieden genießen, sind hier auch aus allen Religionen willkommen."
    Sponsoren fürs Glück
    Es lief nicht alles buddhistisch-friedlich ab. Es gab auch Streit über das Geld. 60.000 Euro kostete der Stupa insgesamt. Während in der neu gebauten Meditationshalle des buddhistischen Vereins immer noch das Geld für eine Heizung fehlt.
    "Es gab viele Diskussionen: Sollen wir jetzt den Stupa bauen oder nicht. Weil, wir sind mit dem eigentlichen Bau nicht fertig. Und für einen Stupa findet man keine Finanzierung durch eine Bank. Das Gegengewicht wäre ja "Glück und Verständigung" und da gibt es keinen Bankkredit drauf. Wir brauchten Sponsoren dafür.
    Die Buddhisten sammelten Spenden für den Bau – einige Beträge kamen sogar aus Indien, China und Japan. Warum der Stupa eine so bedeutende Rolle in der buddhistischen Tradition einnimmt, erklärt die Indologin und Tibetologin Nicola Hernadi:
    "Die Hauptbedeutung eines Stupa ist es, als Verdienstfeld für die anderen zu wirken. Und deshalb ist der Stupa auch viel wichtiger, als hier eine Heizung einzubauen. Weil ein Stupa dient dem Zweck, dass man Wunschgebete an ihn richtet. Er ist ein Karma-Katalysator. Also jeder gute Gedanke wird in seiner Kraft unendlich verstärkt. Jeden Wunsch, den man hat, wenn man ihn mit einer aufrichtigen guten Motivation an den Stupa richtet, geht der viel schneller in Erfüllung. Ein Wunschobjekt ist der sozusagen.
    Sinnbild für den erleuchteten Buddha
    Der Stupa ist ein Verehrungsobjekt besonders für Laien-Buddhisten. Man glaubt, dass die Reliquien im Stupa auf alle Wesen der Umgebung eine heilsame Wirkung haben. Dass sie helfen, einen Geist zu entwickeln, der andere nicht schädigt, sagt Nicola Hernadi. Und die Mantren-Rollen, die im Stupa verbaut sind, stehen für die erleuchtete Rede des Buddha.
    "Das sind heilige Silben, Mantren für alles mögliche. Mantren auch für Körper, Rede und Geist eines Buddha, die das Grundgute in die Welt bringen sollen. Warum sind es so viele? Auf Tausenden Zetteln zusammengerollt – zu diesen fetten, fetten Rollen zusammengerollt, die mörderschwer sind? Das soll alles exponentiell das Gute in die Welt tragen. Da wird nicht gekleckert, da wird geklotzt. Das soll sich verbreiten, verbreiten und vermehren."
    Die Stupa-Tradition ist alt. Die ältesten erhaltenen Bauwerke in Indien stammen aus dem dritten und zweiten Jahrhundert vor Christus. Der Legende nach teilte man die Reste des eingeäscherten Buddha-Leichnams in sieben oder acht Teile und darüber errichtete man schon bald Sakralbauten. Mächtige Stein-Kuppeln mit einer Standarte und Ehrenschirmen obendrauf. Die Symbolik wurde immer ausgefeilter und verbreitete sich von Indien aus bis nach Tibet und Japan im Norden und über Thailand bis nach Indonesien im Osten. Überall wird der Stupa als Sinnbild für den erleuchteten Buddha verstanden, als Stufenweg zur Erleuchtung. Viele Stupa-Bauten wurden zu Pilgerorten.
    Auch Tiere oder Insekten sind willkommen
    "Also kein Kloster ohne Stupa, meist sogar mehrere. Und der Hauptstupa liegt meist außerhalb der Klostermauern, damit die Laien Tag und Nacht irgendwo hingehen können und ihre Verehrung darbringen können, dass niemand abgeschnitten sein soll vom Segensstrom. Das ist wirklich die Grundintention, dass man immer hingehen kann und gutes Karma anhäufen kann. Man umschreitet sie in rechter Richtung. Das ist altindisch: Pradakshina, die rechte Richtung ist die glückverheißende."
    Der Stupa in Berlin schließt in sieben Meter Höhe mit einer Lotusknospe, die die Form eines Wassergefäßes hat. Es versinnbildlicht den Nektar der Unsterblichkeit, auf Sanskrit: Amrita. Denn wer die Buddhaschaft verwirklicht, erlangt auch Unsterblichkeit, weil er aus dem Kreislauf der Wiedergeburt heraustritt. Wenn der Berliner Stupa im April fertig gestellt ist, planen die Buddhisten eine große Eröffnung. Von der heilsamen Wirkung des Baus sollen nicht nur Menschen profitieren, sagt Björn Behnke vom Bodhicharya-Verein. So habe Lama Zopa...
    "…seine Schüler ermuntert, ruhig mit Tieren oder Insekten in der Hand, die Stupa zu umrunden und dabei Gebete oder Mantras zu sprechen und für eine gute Wiedergeburt der Insekten zu bitten. Das finde ich sehr inspirierend."