
"Das gute Gefühl, hochwertige Produkte zu kaufen und hochwertige Produkte zu essen vor allem."
Mit diesem Gefühl ist er nicht allein. Die Hälfte aller deutschen Verbraucher achtet beim Kauf von Lebensmitteln "immer oder meistens auf das Bio-Siegel". Das hat eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ergeben, die von Dezember 2019 bis Januar 2020 durchgeführt wurde. Auch Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg kann den Trend bestätigen:
"Grundsätzlich sehen wir auch im Ernährungsverhalten in den letzten Jahren Tendenzen zu mehr Bio auch Regionalität. Das war zunächst auch unabhängig von Corona, allerdings: Die Pandemie hat diese Trends mehr oder weniger noch verstärkt."
"Zunächst mal geht es um meine Gesundheit. Ich glaube, dass diese Produkte schonender und umweltbewusster hergestellt werden. Der zweite Effekt - das ist wahrscheinlich eine Folge davon - dass es den Tieren dann auch besser geht, von denen die Ausgangsprodukte kommen."
Umsätze mit Bio-Lebensmitteln steigen
"Ich habe hier eine Zahl vom Oktober 2020: Hier sagt das statistische Bundesamt, dass der Zuwachs in diesem Monat gegenüber des Vorjahres um über 50 Prozent zugelegt hat. Das sind doch sehr starke, sehr signifikanten Zuwächse, die hier zu verzeichnen sind."
Insgesamt kauften deutsche Verbraucher für rund 15 Milliarden Euro Bio-Lebensmittel. Besonders beliebt sind neben Fleisch auch Milch und Mehl. Der Bio-Anteil am Lebensmittelmarkt beträgt nach Angaben des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft aktuell 6,4 Prozent. Gleichzeitig werden Nahrungsmittel mehr nachgefragt, die in der Region gezüchtet, geerntet und verpackt werden.
Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbandes Deutschland:
"Beerenobst, Zitrusfrüchte, Bananen, die haben deutlich zugelegt, Gemüse hat deutlich zugelegt. Und generell steigen pflanzliche Produkte, Proteinprodukte auch stärker, als in den letzten Jahren. Es gibt ein Bewusstsein der Bevölkerung, sich gesünder zu ernähren und den Versuch, es durch Einkäufe und durch dieses Essverhalten zu befördern."
Dazu passen auch die Angaben der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Demnach ist die Belieferung von Verbrauchern mit Gemüse- und Obstkisten im letzten Jahr um 60 Prozent gestiegen. Sehr häufig werden diese Boxen, von Biobauern aus der Umgebung befüllt.
Auch Bio-Fleisch wird zunehmend beliebter
"Generell kann man davon ausgehen, und das ist ja auch nicht irrational, dass der Verbraucher versucht sich schon in der Summe gesund zu ernähren oder sich zumindest so zu ernähren, dass es seine Gesundheit fördert. Das Problem an der Geschichte ist: Die Welt ist voller absurder Ratschläge und auch wenig wissenschaftlich begründeter Ratschlägen, wie man sich gesund ernährt, sodass wir eigentlich fast immer gerne darauf hinweisen, dass es die gesunde Ernährung nicht gibt, dass das etwas sehr Persönliches ist, sehr Individuelles ist, wie man gesundheitsfördert sich ernähren kann."
Dennoch gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die zweifelsfrei belegen, dass sich ein Teil der deutschen Bevölkerung zu kalorienreich ernährt bei gleichzeitig niedrigem Grundumsatz. Dazu meint unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, dass viele Menschen in Deutschland zu oft energiereiche Lebensmittel essen und sich zu wenig bewegen. Preiswerte und schmackhafte Lebensmittel und Getränke mit hohem Energiegehalt seien nahezu überall verfügbar, ob zu Hause oder unterwegs. Und diese Faktoren würden es erschweren, normal gewichtig zu bleiben.
Doch bei der Frage nach dem Ernährungsstil geht es nicht nur um die eigene Gesundheit, es geht auch um die Frage, wie sehr wir mit unserem Konsum - mit den erzeugten Nahrungsmitteln – die Umwelt und das Klima beeinflussen.
"Wenn man verschiedene Umweltauswirkungen betrachtet, sind Milchprodukte oder auch milchbasierende Lebensmittel und allgemein tierische Lebensmittel mit höheren Umweltbelastungspotentialen verbunden. Einfach aufgrund der Tatsache, dass ich die Tiere füttern muss, die Futtermittel häufig auch importiert werden müssen und ich einen höheren Flächenbedarf habe und mehr Energie, also mehr Input reinstecken muss, also um das mal verkürzt zu sagen."
Damit die Kühe, Schweine und Puten schnell an Gewicht zunehmen, wird in der konventionellen Landwirtschaft Kraftfutter aus Soja verfüttert. Da der Platz in Deutschland nicht ausreicht, um so viel Soja anzubauen, wie in deutschen Mastbetrieben verbraucht wird, kommt das eiweißreiche Kraftfutter vor allem aus Lateinamerika. Dort belegt der Sojaanbau nach Angaben der Heinrich-Böll-Stiftung allein für Deutschland eine Fläche so groß wie Hessen. Für die Sojafelder wurde in der Regel der für den Klimahaushalt der Erde so wichtige Regenwald abgeholzt. Und somit ist nicht nur der Transport des Kraftfutters klimaschädlich, sondern vor allem der Anbau. Doch nicht nur der Input bei der Tiermast ist ein Problem für die Umwelt, auch der Output. Dr. Jenny Teufel, vom Öko-Institut:
"Die Gülle, die die Tiere produzieren, muss ja auch irgendwo hin. Wenn in bestimmten Regionen eine hohe Tierdichte ist, dann habe ich letztendlich ein Problem. Wohin gehe ich dann mit dieser Gülle?"
Hohe Nitratbelastung des Grundwassers
"Wie ist die Erdbeere produziert worden? Habe ich da zum Beispiel in Regionen, die unter Wasserstress leiden, angebaut und da massiv bewässert und übe damit Druck aus auf das Wasserreservoir, den Wasserhaushalt in der Region?"
Die Schale Erdbeeren, die im Winter aus trockenen Gebieten Israels nach Deutschland geflogen wird, hat eine besonders schlechte Ökobilanz; gleiches gilt für Spargel aus Peru oder Avocados aus Chile.
Regionale Produkte sind oft umwelt- und klimafreundlicher
"Wir sehen ganz klar, was uns auch die Verbraucher berichten, dass sie natürlich eher auf regionale Produkte zurückgreifen. Und da dann verstärkt auf Bauern aus der Umgebung oder auch Obststände aufsuchen, Gemüsestände, die im Freien sind. Die auch eher vor Infektionen schützen, das Aufhalten im Freien. Sodass hier auch die Pandemie sicherlich noch mal etwas verstärkt hat, einen generellen Trend, den wir die letzten Jahre bereits beobachten."
Regional ist aber nicht gleich Bio. Eine Kartoffel, die auf dem Acker neben der Stadt gewachsen ist, hat immer den Vorteil, dass sie keine weiten Wege zurücklegen musste, bis sie gekocht auf den Teller kommt. Das spart Abgase und ist gut fürs Klima. Ob ihre Produktionsweise aber auch gut für die Umwelt ist, hängt von der Art des Anbaus ab, also vom Einsatz der Pestizide und chemischer Düngemittel. Jenny Teufel vom Öko-Institut:
"Zum einen natürlich, wenn ich landwirtschaftliche Systeme habe, die einen hohen Mineraldünger-Input nutzen bzw. Schädlingsbekämpfung, also einen hohen Pestizideinsatz. Das wirkt sich zum einen natürlich auf die Gewässer aus, zum anderen eben auch auf die Artenvielfalt, beziehungsweise auch andere Emissionen, die damit verbunden sind, also Treibhausgasemissionen zum Beispiel."
Konventionelle Agrarwirtschaft führt zu Artenrückgang
"Ja, natürlich gibt es auch Verschiebungen. Vor nicht allzu lange Zeit hat auch die Ökobranche darauf hingewiesen, dass ihre Zahlen sich erheblich verbessert haben, deutlich mehr verkauft wurde. Allerdings eben doch nur, wenn man die tatsächlichen Zahlen sieht, um eher einen geringen Anteil. Wir haben nach wie vor einen Biobereich, der um sieben, acht Prozent pendelt - und ist noch nicht darüber hinaus gekommen."
"Wir stellen fest, dass unsere Kunden sich vermehrt Bio-Produkte wünschen. Auch während der Corona-Krise ist die Nachfrage konstant hoch. Während wir im Jahr 2018 noch 300 Bio-Artikel angeboten haben, sind bei ALDI SÜD in diesem Jahr mehr als 350 Bio-Artikel aus nahezu allen Warenbereichen erhältlich, dazu zählen unter anderem Obst und Gemüse, Milchprodukte, Frischfleisch, Backwaren und Getränke."
Supermärkte und Discounter bieten mehr Bio an
Auch wenn das Bio-Waren-Sortiment in Supermärkten und Discountern weiter ausgebaut wird, so entstehen bei der Nahrungsmittelproduktion noch immer zu viele Treibhausgase. Nach Angaben des Weltklimarates gehen fast ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen auf die Land- und Forstwirtschaft zurück. Außerdem belastet die industrielle Landwirtschaft Böden und Gewässer zu stark mit Pestiziden und verunreinigt mit Gülle und Dünger das Grundwasser. Weniger Nutztiere pro Fläche würde die Situation entschärfen, doch damit würden die Fleischpreise steigen. Und da "zeigt sich, dass es leider doch einen Verbraucher gibt, der zwar immer äußert, er sei bereit für teureres, qualitativ hochwertigeres oder eben auch unter bestimmten Tierwohl-Gesichtspunkten erzeugtes Fleisch mehr zu bezahlen. Die Wahrheit ist: so ist es leider nicht."
Erklärt Christoph Minhoff vom Lebensmittelverband Deutschland. Zudem wird neben den 6,4 Prozent Nahrungsmitteln, die nach umweltschonenderen Kriterien angebaut werden, immer noch mehr Fleisch konsumiert, als den Menschen und der Natur und vor allem den Nutztieren guttut, meint das Öko-Institut in Freiburg und fordert einen, Zitat: "gesellschaftlichen Wandel in Richtung eines nachhaltigen Lebensmittelkonsums". Doch wie kann sich der Konsument, die Verbraucherin nachhaltiger ernähren? Jenny Teufel vom Öko-Institut:
"Also zum Einen zu schauen, dass ich einen hohen Anteil an pflanzlich basierten Lebensmitteln zu mir nehme. Auch hier kann ich natürlich auch noch sagen: Okay, ich komme auch noch mit wenige Milchprodukten aus. Meinetwegen mit weniger Fleisch und ersetzte das durch Linsen, Kichererbsen, ändere meine Ernährung – also das ist der Ernährungsstil letztendlich. Zweiter Punkt: wirklich gut darauf zu achten, dass ich bedarfsgerecht einkaufe und Lebensmittel nicht wegschmeiße."
Umstellung der Ernährung kostet nur 80 Euro mehr pro Jahr
Wer sich umwelt- und klimabewusst ernähren will, kann nicht mehr unbekümmert ins Supermarktregal greifen, sondern müsste sich auch bei dieser Routinehandlung Gedanken machen über den Flächenverbrauch, Antibiotikaeinsatz oder das Tierwohl. All das bestimmt den ökologischen Fußabdruck. Obwohl es so klingt, als wären das zu viele Aspekte für die Wahl einer Mahlzeit, sieht Konsumforscher Rolf Bürkl ein gesteigertes Problembewusstsein bei den Konsumenten:
"Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass das Thema Klimaschutz auch durch die Pandemie wieder etwas verstärkt in den Fokus gedrungen ist, denn mehr und mehr kommen auch viele Verbraucher zu der Erkenntnis, dass diese Pandemie auch etwas damit zu tun hat, dass die Menschen sich mehr und mehr auch in Bereiche von bestimmten Tieren in die Natur reindrängeln und dafür sorgen dann, dass gewisse Krankheiten vom Tier auf den Menschen überspringen können. Wie wir es jetzt auch bei Corona gesehen haben."
Peter Videre wird sich heute Abend nach einem anstrengenden Arbeitstag noch ein Rinderfilet braten. Der Betriebswirt isst inzwischen selten Fleisch, aber wenn, dann kommt es vom Bio-Hof in der Nähe. Er hat seine Ernährung schon vor der Corona-Pandemie umgestellt.
"Ich bin definitiv überzeugt, dass es besser schmeckt. Alleine, wer schon jemals Fleisch in der Pfanne hatte, dass nicht aus dem Biobetrieb kam und hat gesehen, wie sich das beim Anbraten verhält im Vergleich zu einem richtig guten Biofleisch, der wird sofort den Unterschied merken. Und das wirkt sich nachher natürlich auch auf dem Teller und am Gaumen aus in der Qualität."
Über Geschmack kann gestritten werden, über den Schutz der Umwelt wird gestritten. Letztendlich entscheiden die Konsumenten und Kundinnen, was ihnen die Nahrungsmittel und die Natur wert sind.