Donnerstag, 18. April 2024

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Bio und regionale Waren
Wie sich unser Konsum auf Klima und Umwelt auswirkt

Die Nachfrage nach Bio-Produkten und regionalen Waren steigt. Dahinter steckt oft der Wunsch nach einer gesunden und nachhaltigen Ernährung. Wer umwelt- und klimaschonend konsumieren will, sollte aber nicht nur auf Gütesiegel achten – sondern auch die Produktionsbedingungen berücksichtigen.

Von Britta Fecke | 11.03.2021
Kartoffeln, Karotten Auslagen auf einem Wochenmarkt in Freiburg
Die Pandemie hat den Trend verstärkt, dass die Nachfrage nach Bio-Produkten und regionalen Waren steigt, sagt Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg (picture alliance / Eibner-Pressefoto / Daniel Fleig)
Feldsalat, italienische Salami, Bergkäse, vier verschiedene Marmeladen, oben stehen Milch und Joghurt - alle Produkte werden durch das grüne EU-Biosiegel geziert, nur die Quittenmarmelade nicht, die hat er selbst gemacht. Peter Videres Kühlschrank ist gut gefüllt. Was lässt den Betriebswirt bevorzugt zu Bioprodukten greifen?
"Das gute Gefühl, hochwertige Produkte zu kaufen und hochwertige Produkte zu essen vor allem."
Mit diesem Gefühl ist er nicht allein. Die Hälfte aller deutschen Verbraucher achtet beim Kauf von Lebensmitteln "immer oder meistens auf das Bio-Siegel". Das hat eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ergeben, die von Dezember 2019 bis Januar 2020 durchgeführt wurde. Auch Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg kann den Trend bestätigen:
"Grundsätzlich sehen wir auch im Ernährungsverhalten in den letzten Jahren Tendenzen zu mehr Bio auch Regionalität. Das war zunächst auch unabhängig von Corona, allerdings: Die Pandemie hat diese Trends mehr oder weniger noch verstärkt."
Streit um den richtigen Biolandbau - Ganz natürlich, oder anders?
Der alte Gegensatz von Natur und Chemie, von Tradition und Technologie, von Gut und Böse wird in der ökologischen Landwirtschaft zunehmend infrage gestellt. Kann man sich die Ablehnung neuer Technologien angesichts einer schnell wachsenden Weltbevölkerung überhaupt noch leisten?
Peter Videre hat seinen Ernährungsstil schon vor der Corona-Pandemie geändert. Denn wenn er vor fünf Jahren seine Kühlschranktür geöffnet hat, waren da neben Marmeladen vor allem eingeschweißte Käsescheiben und Leberwurst vom Discounter. Woher kam der Sinneswandel, der Griff zu mehr Gemüse und Bioprodukten?
"Zunächst mal geht es um meine Gesundheit. Ich glaube, dass diese Produkte schonender und umweltbewusster hergestellt werden. Der zweite Effekt - das ist wahrscheinlich eine Folge davon - dass es den Tieren dann auch besser geht, von denen die Ausgangsprodukte kommen."

Umsätze mit Bio-Lebensmitteln steigen

Deshalb achtet der Betriebswirt vor allem beim Kauf von Milchprodukten und Fleisch auf die Haltungsform der Tiere. Viele deutsche Verbraucher tun es ihm gleich. Der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft gibt in seinem Branchenreport 2021 an, dass Bio-Geflügel und andere Fleischsorten die Bio-Produkte mit den größten Wachstumsraten im letzten Jahr waren. Insgesamt fielen die Umsätze um 50 Prozent größer aus als noch 2019. Nach Erhebungen der ökologischen Lebensmittelwirtschaft kauften die Deutschen 2020 im Vergleich zum Vorjahr 1,5 Mal so viel Bio-Rindfleisch und -Geflügel. Das kann der Konsumforscher Rolf Bürkl bestätigen:
"Ich habe hier eine Zahl vom Oktober 2020: Hier sagt das statistische Bundesamt, dass der Zuwachs in diesem Monat gegenüber des Vorjahres um über 50 Prozent zugelegt hat. Das sind doch sehr starke, sehr signifikanten Zuwächse, die hier zu verzeichnen sind."
Insgesamt kauften deutsche Verbraucher für rund 15 Milliarden Euro Bio-Lebensmittel. Besonders beliebt sind neben Fleisch auch Milch und Mehl. Der Bio-Anteil am Lebensmittelmarkt beträgt nach Angaben des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft aktuell 6,4 Prozent. Gleichzeitig werden Nahrungsmittel mehr nachgefragt, die in der Region gezüchtet, geerntet und verpackt werden.
Eine Mandelmilch in Vintage-Milchflasche steht auf einem Tisch mit Trinkhalmen und Mandeln
Wie pflanzliche Ersatzprodukte das System Milch verändern
Während der Milchkonsum seit Jahren abnimmt, erfreuen sich Ersatzgetränke aus Rohstoffen wie Hafer immer größerer Beliebtheit. Noch hat das keine Auswirkungen auf die Milchwirtschaft. Doch in der Zukunft könnte es das gesamte System der Kuhmilch-Produktion verändern – und am Ende auch die Landwirtschaft.
Mehr Bio und Regionales in unserem Einkaufswagen. Aber worauf achten die deutschen Verbraucherinnen und Konsumenten genau beim Kauf von Nahrungsmitteln? Muss das Produkte bestimmten ökologischen Standards entsprechen oder sollte die Ware vor allem ansprechend aussehen und frisch sein? Ist Regional das neue Bio? Was wird bevorzugt nachgefragt?
Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbandes Deutschland:
"Beerenobst, Zitrusfrüchte, Bananen, die haben deutlich zugelegt, Gemüse hat deutlich zugelegt. Und generell steigen pflanzliche Produkte, Proteinprodukte auch stärker, als in den letzten Jahren. Es gibt ein Bewusstsein der Bevölkerung, sich gesünder zu ernähren und den Versuch, es durch Einkäufe und durch dieses Essverhalten zu befördern."
Dazu passen auch die Angaben der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Demnach ist die Belieferung von Verbrauchern mit Gemüse- und Obstkisten im letzten Jahr um 60 Prozent gestiegen. Sehr häufig werden diese Boxen, von Biobauern aus der Umgebung befüllt.

Auch Bio-Fleisch wird zunehmend beliebter

Während Gemüse, Obst und auch Eier in Bio-Qualität schon länger begehrt sind, wurde nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums 2020 auch beim Einkauf von Fleisch zunehmend auf die ökologische Erzeugung geachtet. Demnach kaufte jeder Zweite laut eigenen Angaben im letzten Jahr ausschließlich oder häufig Fleisch in Bio-Qualität. Insgesamt gaben 37 Prozent der Befragten an, regelmäßig Bio-Produkte zu kaufen. Christoph Minhoff vom Interessenverband der Lebensmittelwirtschaft:
"Generell kann man davon ausgehen, und das ist ja auch nicht irrational, dass der Verbraucher versucht sich schon in der Summe gesund zu ernähren oder sich zumindest so zu ernähren, dass es seine Gesundheit fördert. Das Problem an der Geschichte ist: Die Welt ist voller absurder Ratschläge und auch wenig wissenschaftlich begründeter Ratschlägen, wie man sich gesund ernährt, sodass wir eigentlich fast immer gerne darauf hinweisen, dass es die gesunde Ernährung nicht gibt, dass das etwas sehr Persönliches ist, sehr Individuelles ist, wie man gesundheitsfördert sich ernähren kann."
Dennoch gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die zweifelsfrei belegen, dass sich ein Teil der deutschen Bevölkerung zu kalorienreich ernährt bei gleichzeitig niedrigem Grundumsatz. Dazu meint unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, dass viele Menschen in Deutschland zu oft energiereiche Lebensmittel essen und sich zu wenig bewegen. Preiswerte und schmackhafte Lebensmittel und Getränke mit hohem Energiegehalt seien nahezu überall verfügbar, ob zu Hause oder unterwegs. Und diese Faktoren würden es erschweren, normal gewichtig zu bleiben.
Doch bei der Frage nach dem Ernährungsstil geht es nicht nur um die eigene Gesundheit, es geht auch um die Frage, wie sehr wir mit unserem Konsum - mit den erzeugten Nahrungsmitteln – die Umwelt und das Klima beeinflussen.
Für Treibhausgase sind auch die Nahrungsmittelproduktion und -verarbeitung relevant
Bis zu 37 Prozent der Treibhausgase werden nach Berechnung der Wissenschaftler des UN-Klimarates bei der Nahrungsmittelproduktion und -verarbeitung ausgestoßen. Dabei sind einige Lebensmittel klimaschädlicher und/oder umweltschädlicher als andere, meint Jenny Teufel, Expertin für nachhaltige Ernährung beim Öko-Institut in Freiburg:
"Wenn man verschiedene Umweltauswirkungen betrachtet, sind Milchprodukte oder auch milchbasierende Lebensmittel und allgemein tierische Lebensmittel mit höheren Umweltbelastungspotentialen verbunden. Einfach aufgrund der Tatsache, dass ich die Tiere füttern muss, die Futtermittel häufig auch importiert werden müssen und ich einen höheren Flächenbedarf habe und mehr Energie, also mehr Input reinstecken muss, also um das mal verkürzt zu sagen."
Damit die Kühe, Schweine und Puten schnell an Gewicht zunehmen, wird in der konventionellen Landwirtschaft Kraftfutter aus Soja verfüttert. Da der Platz in Deutschland nicht ausreicht, um so viel Soja anzubauen, wie in deutschen Mastbetrieben verbraucht wird, kommt das eiweißreiche Kraftfutter vor allem aus Lateinamerika. Dort belegt der Sojaanbau nach Angaben der Heinrich-Böll-Stiftung allein für Deutschland eine Fläche so groß wie Hessen. Für die Sojafelder wurde in der Regel der für den Klimahaushalt der Erde so wichtige Regenwald abgeholzt. Und somit ist nicht nur der Transport des Kraftfutters klimaschädlich, sondern vor allem der Anbau. Doch nicht nur der Input bei der Tiermast ist ein Problem für die Umwelt, auch der Output. Dr. Jenny Teufel, vom Öko-Institut:
"Die Gülle, die die Tiere produzieren, muss ja auch irgendwo hin. Wenn in bestimmten Regionen eine hohe Tierdichte ist, dann habe ich letztendlich ein Problem. Wohin gehe ich dann mit dieser Gülle?"

Hohe Nitratbelastung des Grundwassers

Ein großer Teil landet auf den Ackerflächen, aber auch auf Weiden. Vor allem wird mehr Gülle ausgeschieden und auf den Feldern verteilt, als die dort wachsenden Pflanzen verarbeiten können. Und so gelangt ein großer Teil der tierischen Ausscheidungen in die Gewässer. Die daraus resultierende Nitratbelastung des Grundwassers ist in landwirtschaftlich genutzten Gebieten besonders hoch. Und bescherte Deutschland ein EU-Vertragsverletzungsverfahren, weil die europäischen Grenzwerte für Nitrat dauerhaft überschritten werden.
Doch nicht nur die Wasserverschmutzung beeinflusst die Umweltbilanz von Fleisch- und Milchprodukten, auch ein höherer Wasserverbrauch. So hat die Heinrich-Böll-Stiftung errechnet, dass für die Herstellung eines Kilos Schweinefleisch im Schnitt rund 3.300 Liter Wasser benötigt werden, für ein Kilo Äpfel dagegen nur 280 Liter. Das heißt im Verhältnis: circa 12 mal mehr Wasser für ein Schweineschnitzel, als für die gleiche Menge Äpfel. Also ist der Griff zum pflanzlichen Produkt klima- und umweltfreundlicher? Nicht unbedingt, meint Jenny Teufel, denn es gilt zu beachten:
"Wie ist die Erdbeere produziert worden? Habe ich da zum Beispiel in Regionen, die unter Wasserstress leiden, angebaut und da massiv bewässert und übe damit Druck aus auf das Wasserreservoir, den Wasserhaushalt in der Region?"
Die Schale Erdbeeren, die im Winter aus trockenen Gebieten Israels nach Deutschland geflogen wird, hat eine besonders schlechte Ökobilanz; gleiches gilt für Spargel aus Peru oder Avocados aus Chile.

Regionale Produkte sind oft umwelt- und klimafreundlicher

Wer sich tatsächlich umwelt- und klimafreundlich ernähren möchte, der sollte regionale Produkte vorziehen, die auch in der Saison gereift sind, in der sie verkauft werden. Das hat sich herumgesprochen, meint Konsumforscher Rolf Bürkl:
"Wir sehen ganz klar, was uns auch die Verbraucher berichten, dass sie natürlich eher auf regionale Produkte zurückgreifen. Und da dann verstärkt auf Bauern aus der Umgebung oder auch Obststände aufsuchen, Gemüsestände, die im Freien sind. Die auch eher vor Infektionen schützen, das Aufhalten im Freien. Sodass hier auch die Pandemie sicherlich noch mal etwas verstärkt hat, einen generellen Trend, den wir die letzten Jahre bereits beobachten."
Regional ist aber nicht gleich Bio. Eine Kartoffel, die auf dem Acker neben der Stadt gewachsen ist, hat immer den Vorteil, dass sie keine weiten Wege zurücklegen musste, bis sie gekocht auf den Teller kommt. Das spart Abgase und ist gut fürs Klima. Ob ihre Produktionsweise aber auch gut für die Umwelt ist, hängt von der Art des Anbaus ab, also vom Einsatz der Pestizide und chemischer Düngemittel. Jenny Teufel vom Öko-Institut:
"Zum einen natürlich, wenn ich landwirtschaftliche Systeme habe, die einen hohen Mineraldünger-Input nutzen bzw. Schädlingsbekämpfung, also einen hohen Pestizideinsatz. Das wirkt sich zum einen natürlich auf die Gewässer aus, zum anderen eben auch auf die Artenvielfalt, beziehungsweise auch andere Emissionen, die damit verbunden sind, also Treibhausgasemissionen zum Beispiel."

Konventionelle Agrarwirtschaft führt zu Artenrückgang

Selbst die Feldlerche, früher ein Allerweltsvogel, zwitschert seltener über deutschen Getreidefeldern, ihr Bestand geht seit 1980 zurück, so die Deutsche Ornithologische Gesellschaft. Dass die Biodiversität in der industriellen Landwirtschaft bedroht ist, zeigt auch der Rückgang der Insekten und infolgedessen der Vogelarten auf intensiv bewirtschafteten Agrarflächen. Die Insekten werden direkt durch die Pestizide getötet, die Vogelarten indirekt, weil sie nicht mehr genug Insekten für die Aufzucht ihrer Brut finden. Die Deutsche Ornithologische Gesellschaft gibt an, dass inzwischen jede dritte Agrarvogelart fehlt, die vor 35 Jahren noch übers deutsche Weizenfeld geflogen ist. Schlägt sich die Sorge um die Umwelt, um die Artenvielfalt im Einkaufsverhalten nieder? Wird deshalb mehr Bio gekauft? Christoph Minhoff vom Lebensmittelverband Deutschland.
"Ja, natürlich gibt es auch Verschiebungen. Vor nicht allzu lange Zeit hat auch die Ökobranche darauf hingewiesen, dass ihre Zahlen sich erheblich verbessert haben, deutlich mehr verkauft wurde. Allerdings eben doch nur, wenn man die tatsächlichen Zahlen sieht, um eher einen geringen Anteil. Wir haben nach wie vor einen Biobereich, der um sieben, acht Prozent pendelt - und ist noch nicht darüber hinaus gekommen."
Der Gemeinschaftsgarten Himmelbeet in Berlin-Wedding.
Wie sich Lebensmittelversorgung durch Corona verändert
Die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig die heimische Produktion von Lebensmitteln sein kann – die Nachfrage nach regionalen Produkten steigt. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner warnt zugleich vor "Konsumnationalismus".
Nach Angaben des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft beträgt der Bio-Anteil am Lebensmittelmarkt vorläufig 6,4 Prozent. Der Branchenverband rechnet aber auch vor, dass die deutschen Verbraucher im Corona-Jahr 2020 22 Prozent mehr Geld für Bio-Lebensmittel ausgegeben haben als noch im Vorjahr. Dieser Trend zeigt sich nicht nur in den Bioläden, sondern auch in Supermärkten und Discountern. Auf Anfrage des Deutschlandfunks gab Aldi Süd an:
"Wir stellen fest, dass unsere Kunden sich vermehrt Bio-Produkte wünschen. Auch während der Corona-Krise ist die Nachfrage konstant hoch. Während wir im Jahr 2018 noch 300 Bio-Artikel angeboten haben, sind bei ALDI SÜD in diesem Jahr mehr als 350 Bio-Artikel aus nahezu allen Warenbereichen erhältlich, dazu zählen unter anderem Obst und Gemüse, Milchprodukte, Frischfleisch, Backwaren und Getränke."

Supermärkte und Discounter bieten mehr Bio an

Auch der große Lebensmittelhändler EDEKA stellt eine erhöhte Nachfrage, nach ökologisch produzierten Nahrungsmitteln fest, deshalb "bauen wir unser Bio-Angebot seit Jahren deutlich aus. Allein unsere Eigenmarke EDEKA Bio umfasst mittlerweile rund 800 Artikel, mit steigender Tendenz. Seit 2018 sind wir zudem Vertragspartner des Demeter-Anbauverbands und führen mehr und mehr Produkte, die nach den strengen Demeter-Richtlinien erzeugt wurden."
Auch wenn das Bio-Waren-Sortiment in Supermärkten und Discountern weiter ausgebaut wird, so entstehen bei der Nahrungsmittelproduktion noch immer zu viele Treibhausgase. Nach Angaben des Weltklimarates gehen fast ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen auf die Land- und Forstwirtschaft zurück. Außerdem belastet die industrielle Landwirtschaft Böden und Gewässer zu stark mit Pestiziden und verunreinigt mit Gülle und Dünger das Grundwasser. Weniger Nutztiere pro Fläche würde die Situation entschärfen, doch damit würden die Fleischpreise steigen. Und da "zeigt sich, dass es leider doch einen Verbraucher gibt, der zwar immer äußert, er sei bereit für teureres, qualitativ hochwertigeres oder eben auch unter bestimmten Tierwohl-Gesichtspunkten erzeugtes Fleisch mehr zu bezahlen. Die Wahrheit ist: so ist es leider nicht."
Erklärt Christoph Minhoff vom Lebensmittelverband Deutschland. Zudem wird neben den 6,4 Prozent Nahrungsmitteln, die nach umweltschonenderen Kriterien angebaut werden, immer noch mehr Fleisch konsumiert, als den Menschen und der Natur und vor allem den Nutztieren guttut, meint das Öko-Institut in Freiburg und fordert einen, Zitat: "gesellschaftlichen Wandel in Richtung eines nachhaltigen Lebensmittelkonsums". Doch wie kann sich der Konsument, die Verbraucherin nachhaltiger ernähren? Jenny Teufel vom Öko-Institut:
"Also zum Einen zu schauen, dass ich einen hohen Anteil an pflanzlich basierten Lebensmitteln zu mir nehme. Auch hier kann ich natürlich auch noch sagen: Okay, ich komme auch noch mit wenige Milchprodukten aus. Meinetwegen mit weniger Fleisch und ersetzte das durch Linsen, Kichererbsen, ändere meine Ernährung – also das ist der Ernährungsstil letztendlich. Zweiter Punkt: wirklich gut darauf zu achten, dass ich bedarfsgerecht einkaufe und Lebensmittel nicht wegschmeiße."

Umstellung der Ernährung kostet nur 80 Euro mehr pro Jahr

Das Öko-Institut hat untersucht, was die Umstellung von einem durchschnittlichen deutschen Ernährungsstil - mit knapp 60 Kilo Fleisch pro Kopf - auf einen gesünderen Ernährungsstil kosten würde, mit mehr biologisch erzeugten, pflanzlichen Produkten und weniger Fleisch. Die Ernährungsumstellung würde die deutschen Konsumenten laut der vergleichenden Studie nur 80 Euro mehr kosten im Jahr.
Wer sich umwelt- und klimabewusst ernähren will, kann nicht mehr unbekümmert ins Supermarktregal greifen, sondern müsste sich auch bei dieser Routinehandlung Gedanken machen über den Flächenverbrauch, Antibiotikaeinsatz oder das Tierwohl. All das bestimmt den ökologischen Fußabdruck. Obwohl es so klingt, als wären das zu viele Aspekte für die Wahl einer Mahlzeit, sieht Konsumforscher Rolf Bürkl ein gesteigertes Problembewusstsein bei den Konsumenten:
"Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass das Thema Klimaschutz auch durch die Pandemie wieder etwas verstärkt in den Fokus gedrungen ist, denn mehr und mehr kommen auch viele Verbraucher zu der Erkenntnis, dass diese Pandemie auch etwas damit zu tun hat, dass die Menschen sich mehr und mehr auch in Bereiche von bestimmten Tieren in die Natur reindrängeln und dafür sorgen dann, dass gewisse Krankheiten vom Tier auf den Menschen überspringen können. Wie wir es jetzt auch bei Corona gesehen haben."
Feldhäcksler der Firma Claas häckselt Gerste für den Gebrauch in einer Biogasanlage.
Zukunft der Bioökonomie: Zwischen Chance und Irrweg
Verpackungen, Farben, Textilien: Erdöl ist das Material, aus dem viele Produkte hergestellt werden. Und Erdöl ist klimaschädlich. Alternativ könnten in Zukunft mehr biobasierte Materialien zum Einsatz kommen. Rohstoffe aus Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen oder organischem Abfall.

Peter Videre wird sich heute Abend nach einem anstrengenden Arbeitstag noch ein Rinderfilet braten. Der Betriebswirt isst inzwischen selten Fleisch, aber wenn, dann kommt es vom Bio-Hof in der Nähe. Er hat seine Ernährung schon vor der Corona-Pandemie umgestellt.
"Ich bin definitiv überzeugt, dass es besser schmeckt. Alleine, wer schon jemals Fleisch in der Pfanne hatte, dass nicht aus dem Biobetrieb kam und hat gesehen, wie sich das beim Anbraten verhält im Vergleich zu einem richtig guten Biofleisch, der wird sofort den Unterschied merken. Und das wirkt sich nachher natürlich auch auf dem Teller und am Gaumen aus in der Qualität."
Über Geschmack kann gestritten werden, über den Schutz der Umwelt wird gestritten. Letztendlich entscheiden die Konsumenten und Kundinnen, was ihnen die Nahrungsmittel und die Natur wert sind.