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Bosbach hält NPD-Verbotsantrag der Bundesregierung für wahrscheinlich

"Wenn die Bundesregierung das Begehren der Länder, die NPD verbieten zu lassen, unterstützen will, muss sie einen eigenen Antrag stellen", sagt Wolfgang Bosbach (CDU). Allerdings brauche sie dazu noch die Zustimmung der FPD. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses selbst ist aber nach wie vor skeptisch, was den Erfolg des Verfahrens angeht.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Silvia Engels | 26.02.2013
    Silvia Engels: Lange hatte die Bundesregierung gezögert, nun hat gestern offenbar >Innenminister Hans-Peter Friedrich in einer CSU-Landesgruppensitzung deutlich gemacht, dass er einen eigenen NPD-Verbotsantrag von Seiten der Bundesregierung einbringen will. Nach dem Antrag der Länder müsse der Bund nun auf dieser Bühne mitspielen und daher einen eigenen Antrag stellen, so wird der Minister zitiert. – Am Telefon ist nun der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Wolfgang Bosbach von der CDU. Guten Morgen, Herr Bosbach!

    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Ist denn mit dieser Äußerung von Herrn Friedrich sichergestellt, dass dieser Antrag der Bundesregierung für ein NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe kommt?

    Bosbach: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Die offizielle Entscheidung der Bundesregierung steht noch aus, dafür braucht man ja auch die Zustimmung des Koalitionspartners FDP. Die FDP war ja in der Vergangenheit immer sehr, sehr kritisch einem Verbotsverfahren gegenüber. Dess ungeachtet gehe ich davon aus, dass es so kommen wird, zumal mir auch bekannt ist, dass in den letzten Wochen geprüft worden ist, ob man das Verbotsverfahren der Länder – das kommt ja ohnehin – auf andere Weise unterstützen kann, zum Beispiel durch Beiladung oder durch Streitbeitritt der Bundesregierung beim Verfahren, das von den Bundesländern angestrengt werden wird. Das ist wohl prozessual nicht möglich und wenn jetzt die Bundesregierung keinen eigenen Antrag stellen würde, dann hat man offensichtlich die Befürchtung, dass dann der Eindruck entstehen könnte, dass sich die Bundesregierung distanziert von dem Antrag der Länder, und deswegen will man diesen Antrag unterstützen.

    Engels: Das müssen Sie noch einmal kurz erläutern. Also juristische Gründe sind es, die ausschlaggebend dafür sind, dass man sich eben nicht dem schon beantragten Verfahren der Länder anschließt, sondern auf einem eigenen Antrag bestehen muss? Würde sonst Karlsruhe den Antrag gar nicht annehmen, oder wo besteht das Problem?

    Bosbach: Nein, das Verbotsverfahren kommt ja. Antragsberechtigt sind der Bundesrat, die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag. Und die Länder haben sich bereits entschieden, einen eigenen Antrag zu stellen. Das heißt, ein Verbotsverfahren in Karlsruhe wird es ohnehin geben. In normalen zivilprozessualen Streitigkeiten gibt es die Möglichkeiten des Streitbeitrittes. Das heißt, Dritte können den Kläger in seinem Anliegen vor Gericht unterstützen. Diese Möglichkeit gibt es wohl in einem Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht. Das heißt, wenn die Bundesregierung das Begehren der Länder, die NPD verbieten zu lassen, unterstützen will, aktiv vor Gericht, muss sie einen eigenen Antrag stellen.

    Engels: Dann schauen wir auf die Inhalte. Das NPD-Verbotsverfahren ist ja schon lange in der Debatte und Sie selbst hatten immer vor einem neuen Versuch gewarnt, in Karlsruhe diese Partei verbieten zu lassen – einfach deshalb, weil die Erfolgschancen so schlecht seien. Haben Sie Ihre Meinung geändert?

    Bosbach: Nein, meine Skepsis ist geblieben. Die Lage heute, 2013, ist exakt die gleiche Lage wie 2000, 2001. Auch damals sind die Bedenken bei Seite gewischt worden, und das liegt auch in der Natur der Sache. Wenn man erst einmal öffentlich ein Verbotsverfahren fordert, kommt man nur von dieser Forderung sehr, sehr schwer und auch nur noch unter Gesichtsverlust wieder runter, denn wenn man nach Monaten sagt, gut, wir haben uns das jetzt mal überlegt, wir stellen doch keinen Antrag in Karlsruhe, ist das ja schon ein Propagandaerfolg für die NPD. Das heißt, wer öffentlich auftritt, ein Verfahren fordert, wird es am Ende auch durchziehen. Die Risiken liegen auf der Hand. Die Verfassungsfeindlichkeit wird man der NPD leicht nachweisen können, das ist das geringste Problem. Das genügt aber nicht für ein Verbot. Das heißt, der NPD muss auch aggressiv kämpferisches Verhalten nachgewiesen werden gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, und da genügt es auch nach bisheriger Rechtsprechung nicht, dass Aktivisten, Mitglieder der Partei Straf- oder gar Gewalttaten begangen haben. Das muss auch alles der NPD als Partei zuzurechnen sein. Und als nächste Hürde kommt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Die Partei muss eine ernste relevante Gefahr für das jeweilige Land sein, in dem die Partei verboten werden soll. Und bei den letzten Wahlergebnissen der NPD, siehe Niedersachsen, wird man das nicht ohne Weiteres nachweisen können. Das heißt, die prozessualen Risiken sollte man beachten. Und außerdem: Selbst wenn die Partei verboten würde, am rechtsradikalen Gedankengut der Mitglieder ändert das nichts.

    Engels: Das heißt, Sie erwarten, dass jetzt alle zusammenstehen, aber das Ganze trotzdem in Karlsruhe schon bereits scheitert?

    Bosbach: Nein, das erwarte ich nicht. Ich kann nur die Bedenken äußern. Ich weiß ja auch genau, aus welchen Gründen das Verfahren 2003 gescheitert ist. Die V-Leute sind abgezogen seit knapp einem Jahr. Das heißt, wir haben ein Verfahrenshindernis beseitigt. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass das Verbotsverfahren deshalb auf jeden Fall Erfolg haben wird. Dennoch: Das Verbotsverfahren wird kommen, und jetzt kann man nur hoffen, dass wir am Ende auch Erfolg haben werden. Wir dürfen nicht noch mal scheitern, das wäre eine Blamage für den Staat und ein riesiger Propagandaerfolg für die NPD. Die ist ohnehin politisch im Niedergang begriffen, hat erhebliche Finanzprobleme, und wer weiß: vielleicht kommt das Insolvenzverfahren schneller als das Parteiverbot.

    Engels: Sie kennen ja auch Material, das jetzt zugrunde gelegt wird, um eben diese Verfassungsfeindlichkeit, aber eben auch darüber hinaus die anderen Kriterien, die Sie erwähnt haben, der NPD zu belegen. Haben Sie ein gutes Gefühl bei diesem Material?

    Bosbach: Wir haben uns ja von allen 16 Bundesländern testieren lassen, dass es sich ausschließlich um sogenanntes quellenfreies Material handelt. Das heißt, dass dieses Material, das zur Begründung des Antrages dem Gericht vorgelegt wird, nicht kontaminiert ist durch Aussagen, Taten, Handlungen von V-Leuten. Das war ja damals, als wir 2003 gescheitert sind, das große Problem. Ob das tatsächlich der Fall ist, können wir als Bundestagsabgeordnete natürlich nicht wissen. Wir sind ja keine V-Mann-Führer, wir müssen darauf vertrauen, dass wir vollständig und zutreffend unterrichtet werden. Das ist ja auch der Grund dafür, warum ich immer sage, ein Verbotsantrag ist eine klassische Aufgabe der Exekutive, nicht des Bundestages, denn nur die Exekutive, die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder, verfügen über das Material und die Informationen, die man braucht, um abschließend beurteilen zu können, hat der Antrag Aussicht auf Erfolg ja oder nein.

    Engels: Beobachter sehen das nun als Wahlkampfmanöver der Kanzlerin, um sich nicht vor der Bundestagswahl von der SPD vor sich hertreiben zu lassen mit dem Argument, sie verzögere ein NPD-Verbotsverfahren. Wird der seriöse Versuch, die NPD zu bekämpfen, also dem Wahlkampf geopfert?

    Bosbach: Das wäre ganz schlecht, denn wir sind uns eigentlich in der Beurteilung der NPD einig, und warum sollten dann Demokraten darüber streiten. Dessen ungeachtet haben wir natürlich ein Problem, all diejenigen, die skeptisch sind, denn es geht ja heute nicht mehr im 21. Jahrhundert um Kampf gegen Rechtsextremismus, Kampf gegen Rechtsradikalismus; heute heißt ja die Veranstaltung Kampf gegen rechts. Und da will sich natürlich niemand sagen lassen, dass er es bei der Bekämpfung der NPD nicht ernst nimmt und dass es an Entschlossenheit fehlt. Und wenn man sagt, das wollen wir uns erst gar nicht vorhalten lassen, also machen wir mit, haben wir 2013 exakt die gleiche Lage wie vor 13 Jahren.

    Engels: Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende des Innenausschusses von der CDU. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.