Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Braunkohle-Ausstieg
"Erneuerbaren Strom speicherfähig machen"

Der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, hat vor einem "Ausstiegswettlauf" gewarnt, um die Energiewende voranzutreiben. Die Studie des Instituts "Agora Energiewende" zur Kohleförderung nannte er nicht überzeugend. Es müsse jetzt geklärt werden, wie Strom aus erneuerbaren Energien künftig gespeichert werden könne, sagte Vassiliadis im DLF.

Michael Vassiliadis im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 14.01.2016
    Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie: Michael Vassiliadis
    Vassiliadis: Wir müssen Innovationen fördern (imago / IPON)
    Deutschland als Standort einer Hochleistungsindustrie brauche andere Prioritäten in der Energiepolitik, sagte der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie im Deutschlandfunk. Man sollte sich auf seine Stärken konzentrieren, um technisch offene Fragen innovativ zu lösen. So gelte es zu klären, wie künftig Strom aus erneuerbaren Energien gespeichert werden könne.
    Zugleich kritisierte Vassiliadis den in der Studie angedachten Strukturfonds von 250 Millionen Euro. Dies sei zwar besser als nichts, reiche aber in keinem Fall aus, um eine ganze betroffene Region wie etwa die Lausitz nach dem Kohle-Ausstieg wieder sozial und wirtschaftlich attraktiv zu machen

    Tobias Armbrüster: Deutschland steckt mitten drin in der Energiewende. Bis 2050 soll der komplette Ausstieg geschafft sein aus Kohle und Kernkraft. Die Bundesrepublik soll bis dahin ein Land werden, das den gesamten Energiebedarf vor allem mit Hilfe der Sonne und der Windkraft decken soll. Kohle, vor allem Braunkohle soll in den kommenden Jahren rausfliegen aus dem Energiemix, denn Kohlekraftwerke gelten als die ganz großen CO2-Sünder. In dieser Woche hat nun die Denkfabrik Agora Energiewende ihre Pläne für den Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Kohle vorgestellt. Der Vorschlag: Bis 2040, also in den kommenden 25 Jahren, soll Schluss damit sein. Der Ausstieg, der soll in mehreren Phasen verlaufen. Wichtig ist diese Studie auch deshalb, weil dieser Thinktank Agora Energiewende als sehr einflussreich in der Bundespolitik gilt. - Am Telefon ist jetzt der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis. Schönen guten Morgen.
    Michael Vassiliadis: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Vassiliadis, die Braunkohle ein Auslaufmodell. Bis 2040 soll Schluss sein. Wie bringen Sie das Ihren Mitgliedern bei?
    Vassiliadis: So gar nicht. Ich bin davon nicht wirklich überzeugt, weil dieser Vorschlag ja eigentlich nur ein Zentrum hat, nämlich schneller und relativ teuer mit Blick auf die Kosten, die das für die Energiewende bedeutet, aus der Kohle auszusteigen. Eigentlich ist die Herausforderung, das hätte ich erwartet bei dem Konzept und das habe ich nicht gefunden, dass man die offenen Fragen der Energiewende thematisiert, dort investiert, beispielsweise Speicherfragen, Netzfragen, um die Erneuerbaren, für die wir alle sind, dann am Ende wirklich auch stabil für die Energieversorgung heranziehen zu können, dass man diese Investitionen steigert, um dann im Zweifel auch früher aus den Fossilen aussteigen zu können. All das fehlt in dem Konzept. Das einzige was ich finde ist, sagen wir mal, ein Argumente- und Geldeinsatz dafür, dass ein Ausstieg noch schneller gehen kann. Ich bin überzeugt, dass wir nicht mit einem Ausstiegswettlauf die Energiewende nach vorne bringen.
    Armbrüster: Dann sagen Sie uns doch mal: Bis wann wollen Sie gerne Deutschland bei der Kohlekraft behalten?
    "2050 ist spätestens Schluss"
    Vassiliadis: Na ja, wir haben ja Ziele der Bundesregierung, was den Ausbau der Erneuerbaren anbelangt. Sie haben das anmoderiert. 2050 wollen wir das erreicht haben. Es gibt viele offene Fragen. Aber letztlich bedeutet das ja, 2050 ist spätestens Schluss. Also streiten wir uns im Moment um zehn Jahre. Das ist das eine. Das wirkt eigentlich trivial, ist allerdings, wenn man die wirklich offenen Fragen - ich habe sie angesprochen - der Energiewende noch mal sich vor Augen führt, - - Es ist ja nicht damit getan, Ziele zu formulieren. Wir haben technisch offene Fragen, wir haben finanziell offene Fragen. Wenn wir uns jetzt darauf konzentrieren würden und würden, ich sage mal ein Beispiel, den Ausbau der Erneuerbaren, der jedes Jahr immer wieder mit Erfolgsmeldungen versehen wird, für fünf Jahre umswitchen in einen Ausbau von Speichern, dann würden wir damit auch die Geschwindigkeit des Verzichtes der Fossilen steigern. Das ist ein ökonomischer, ein innovativer Weg und dafür habe ich auch Vorschläge genug gemacht, aber es gibt leider einen Wettlauf dieser Ausstiegsbilder und am Ende finde ich das erstaunlich. Wir sind eigentlich vom Grundsatz her einig über das Ziel. Der Weg und am Ende natürlich auch die Kosten und die Betroffenheiten beispielsweise bei den Jobs, das ist allerdings sehr unterschiedlich.
    Armbrüster: Aber, Herr Vassiliadis, es ist ja allgemein bekannt, dass die Kohlekraftwerke die großen CO2-Verursacher, die großen Emittenten sind, und da sind natürlich zehn Jahre mehr oder weniger eine ganze Menge.
    Vassiliadis: Ja natürlich sind zehn Jahre eine ganze Menge und natürlich ist die Braunkohle im Verhältnis zu anderen CO2-intensiver. Das stimmt. Aber wir reden natürlich von einem Industrieland, das sich insgesamt als einziges Land der Welt sehr, sehr konsequent auf den Weg gemacht hat, dieses Ziel der Erneuerbaren zu erreichen. Da haben wir eine Priorität gesetzt, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Unterstützen Sie das?
    Vassiliadis: Das unterstütze ich natürlich. Ich war ja selber Mitglied der Ethikkommission. Das unterstütze ich alles. Ich wundere mich nur, warum dieses Land nicht die Stärken, die es hat, nämlich wirklich die technischen Fragen innovativ anzugehen, das zu lösen. Wir sind das Land der Ingenieure, um das schneller zu machen. Da bin ich doch dafür!
    "Ausstieg aus der Atomenergie ist noch nicht erledigt"
    Armbrüster: Kann man das denn nicht in den kommenden 25 Jahren machen, diese Probleme, diese offenen Fragen lösen, aber gleichzeitig auch heute schon sagen, in 25 Jahren soll dann bitteschön auch Schluss sein mit der Kohle?
    Vassiliadis: Ja gut. Wir sagen doch, Herr Armbrüster, in 35 Jahren soll Schluss sein. Das ist doch schon gesetzt. Jetzt geht es darum und ich mache das nur abhängig, mehr tue ich nicht, von der Erreichung technischer und ökonomischer Ziele der Energiewende. Wenn man das wegmoderiert, dann kann man natürlich viel, viel Geld einsetzen, das ist ja auch der Vorschlag, dagegen habe ich auch nichts, in den Regionen zu investieren. Aber es beantwortet nicht die wirkliche Frage. Deswegen: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist ja noch nicht erledigt und wir befassen uns mit dem nächsten Ausstieg und beantworten nicht die Frage beispielsweise, wie wir den erneuerbaren Strom speicherfähig machen. Das ist doch keine sinnvolle Vorgehensweise. Es geht also nur darum, wie wir es machen, und natürlich auch, was es kostet und wer von den negativen Folgen betroffen ist. Darüber muss man reden. Aber das Bild, das Agora zeichnet, es ist alles sozusagen eine Frage von Investition und Konsens, ich habe nichts dagegen, darüber zu sprechen, aber es überzeugt mich trotzdem nicht.
    Armbrüster: Dass Sie diese offenen Fragen sehen, das haben wir jetzt, glaube ich, verstanden. Wie verklickern Sie das jetzt Ihren Mitgliedern, den Menschen in den Regionen in Deutschland, die vom Bergbau abhängen?
    Vassiliadis: Na ja, die Menschen, die vom Bergbau abhängen - das sind ja nicht nur die Bergleute, sondern viele, viele darum herum -, sind ja schon gewohnt über Jahre, dass ihre Interessen bei diesen ganzen Diskussionen wenig beachtet werden, und das führt auch zu Druck und zu Verunsicherung und auch zu ein bisschen Wut, weil man sagt, wir leisten hier einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung, wir werden aber nicht nur langfristig im Strukturwandel angesprochen, das akzeptieren meine Mitglieder, sondern wir werden ständig mit neuen Ausstiegsplänen konfrontiert. Das heißt, wir fühlen schon Verunsicherung, und deswegen habe ich natürlich ein großes Interesse daran, einen Weg zu finden, dass wir Sozialverträglichkeit in diesem Strukturwandel - den kennen wir ja auch aus anderen Branchen - kombinieren mit neuen Jobs, mit neuen innovativen Wegen in der Energiewende. Das ist aber nicht so einfach und es ist auch nicht damit getan, einen Ausstiegsplan zu machen.
    "In den Strukturwandel muss mehr Geld rein"
    Armbrüster: Ganz kurz noch, Herr Vassiliadis. Diese Studie schlägt nun vor einen Strukturwandel-Fonds in Höhe von 250 Millionen Euro jährlich. Ist das ein Betrag, der ausreicht für diese betroffenen Städte und Gemeinden?
    Vassiliadis: Das glaube ich nicht. Ich bin selber Gründungsmitglied von zwei Innovationsgremien, die im rheinischen Revier und in Cottbus versuchen, genau die Fragen von Ersatzinvestitionen in den Regionen anzuregen. Wenn man das dann dort diskutiert, sieht man, wieviel wirtschaftliche Bedeutung auch diese Unternehmen dort haben, wieviel Strukturwirkung. 250 Millionen Euro sind natürlich besser als nichts. Das ist ja klar. Die müssen wir aber auch erst mal erheben. Ganz so leicht ist das nicht. Aber es reicht in keinem Fall aus, um am Ende eine ganze Region beispielsweise in der Lausitz, die sehr monostrukturiert ist, so attraktiv zu machen, dass wir nennenswert Wirtschaftskraft in ähnlicher Größenordnung generieren können. Da muss mehr Geld rein. Und das zweite ist ...
    Armbrüster: Herr Vassiliadis, ganz kurz in zehn Sekunden.
    Vassiliadis: Wir brauchen da auch noch Geld, um die Sozialverträglichkeit herzustellen. Die ist ja nicht mit den Strukturfonds bedient.
    Armbrüster: Michael Vassiliadis war das, der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, zu den aktuellen Plänen über den Ausstieg aus der Kohlegewinnung. Vielen Dank, Herr Vassiliadis.
    Vassiliadis: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.