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Bretton Woods vor 75 Jahren
Gründung der Weltbank

Auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges trafen sich 1944 Delegierte aus 44 Ländern im amerikanischen Kurort Bretton Woods, um über die wirtschaftliche Neuordnung nach dem Krieg zu beraten. Heute vor 75 Jahren endete die Konferenz mit der Gründung von Weltbank und Weltwährungsfonds.

Von Jutta Hoffritz | 22.07.2019
    Die Breton Woods Conference im Mount Washington Hotel, Juli 1944
    Die Bretton Woods Conference im Mount Washington Hotel, Juli 1944: Hier wurde die Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD, Weltbank) beschlossen (Everett Collection)
    Musik: "There´ll be a hot time in the town of Berlin, when the Yanks go marching in. I want to be there boy, spread some joy, when they take old Berlin".
    Sommer 1944. Gerade sind die Amerikaner in der Normandie gelandet, um Europa im Kampf gegen Hitler zu unterstützen. Der Song, mit dem Bing Crosby die GIs anfeuert, wird in Amerika sofort zum Hit.
    Gleichzeitig tagen in Bretton Woods, einem Kurort im Nordosten der Vereinigten Staaten, Delegierte aus 44 Nationen. Auf dem Höhepunkt des Krieges diskutieren sie, wie im Frieden der Wiederaufbau zu bewirken sei.
    Am 22. Juli 1944 einigen sie sich auf eine Währungsordnung, die als Bretton-Woods-System in die Geschichte eingehen soll. Sie beschließen die Gründung von Weltbank und Weltwährungsfonds.
    Welthandel sollte wieder in Gang kommen
    Der Weltbank fiel dabei die Aufgabe zu, Europas Wiederaufbau mit Krediten zu unterstützen. Der Weltwährungsfonds sollte Ausgleich schaffen bei Ungleichgewichten in der Handelsbilanz. Wenn ein Land also mehr importierte als exportierte, konnte es das Defizit mithilfe des Währungsfonds ausgleichen. So sollte der Welthandel wieder in Gang kommen.
    Hintergrund waren die Erfahrungen nach dem Ersten Weltkrieg – als hohe Schulden und ein unflexibles goldbasiertes Währungssystem zur Weltwirtschaftkrise führten.
    "Man hat Deutschland damals als Verlierer des Ersten Weltkriegs hohe Reparationsleistungen aufgebürdet. Diese Leistungen konnten nur dann erbracht werden, wenn man Deutschland die Chance gab zu exportieren. Das hat man nicht getan. Das war an sich das Riesenproblem, das man dann 1944 versuchte, nicht wieder auftreten zu lassen", erklärt Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft.
    Um Abhilfe zu schaffen gab es zwei Vorschläge: Der Ökonom John Maynard Keynes schlug eine Institution vor, die bei Handelsbilanzdefiziten auf Schuldner wie Gläubiger gleichermaßen Druck ausüben sollte. Keynes kam aus Großbritannien, einem Schuldnerland.
    Keynes ohne Chance gegen die USA
    In Amerika, der Hauptgläubigernation, hatte man andere Vorstellungen: US-Finanzminister Harry Dexter White skizzierte einen Fonds, in den alle einzahlen müssten, bevor sie - begrenzt - Kredit erhielten.
    Der Dollar spielte in den Plänen des Amerikaners die zentrale Rolle. Wohingegen der Brite Keynes von einer Kunstwährung träumte, die weder von Gold noch einer Landeswährung dominiert sein sollte.
    Drei Wochen redeten sich die Delegierten die Köpfe heiß. Der herzkranke Keynes erlitt dabei einen weiteren Herzinfarkt. Vermutlich hätte er aber auch bei besserer Gesundheit kein anderes Ergebnis erzielt.
    "Keynes musste anerkennen, dass seine wirtschaftswissenschaftlich fundierten Analysen gegenüber der politischen Dominanz der USA keine Chance hatten."
    Bindung des Dollars an den Goldpreis aufgegeben
    Die Amerikaner setzten ein System fester Wechselkurse durch, das nur bei fundamentalen Ungleichgewichten angepasst werden sollte. Im Kern dieses Systems stand erneut Gold – und die neue Leitwährung Dollar, was sich wenige Jahrzehnte später als Hypothek erweisen sollte.
    "Aber es war nicht nur der Vietnamkrieg. Es war eben auch der Konsumhunger der amerikanischen Wirtschaft. Die Amerikaner druckten Geld, um ihre Schulden zu finanzieren. Es waren zu viele Dollars in der Welt, und es war zu wenig Gold da. Und das geht schief, wenn man eine feste Bindung an den Goldpreis hat, wie es der Dollar hatte."
    "We must protect the position of the American Dollar… Wir müssen den Dollar als Stütze der Währungsstabilität schützen und, um das zu erreichen, habe ich den Finanzminister angewiesen, die Bindung des US-Dollars an Gold zu kappen", verkündete US-Präsident Richard Nixon im August 1971. Damit brach das gesamte Festkurssystem zusammen. Nach mehreren Wiederbelebungsversuchen wurde das Bretton-Woods-Abkommen 1973 außer Kraft gesetzt.
    Weltwährungsfonds und Weltbank suchten - und fanden - eine neue Aufgabe: Statt über Amerikas Zahlungsbilanzdefizit und den Wiederaufbau Europas zu wachen, versorgen die Washingtoner Experten nun Entwicklungsländer mit Kredit - und guten Ratschlägen.