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Brexit
Großbritanniens "special relationship" zur EU

Die Liste der Ausnahmen und Sonderregelungen für Großbritannien ist lang. Die Briten klinken sich aus: Ob bei den allgemeinen Regeln europäischer Asylpolitik oder der aktuellen Diskussion um die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas. Ein Blick auf eine sehr spezielle Beziehung zur EU.

Von Sabine Hackländer | 15.06.2016
    Die Flagge Großbritanniens und die der Europäischen Union
    Alle britischen Sonderregelungen waren und sind in den EU-Verträgen festgeschrieben. (Facundo Arrizabalaga, dpa picture-alliance)
    Extrawürste und Rosinenpickerei gelten in Brüssel gemeinhin als typisch britische Spezialitäten. Der Ärger darüber ist zwar allgegenwärtig, doch scheint man sich im Laufe der Jahre auch ein wenig daran gewöhnt zu haben, so wie der grüne Europaabgeordnete Reinhard Büttikofer.
    "Na ja, die englische Europapolitik ist ja seit vielen Jahrzehnten janusköpfig gewesen. Einerseits will man dabei sein, andererseits will man doch nicht so richtig dabei sein, und manche erinnern sich vielleicht noch an das berühmte Bild als Frau Thatcher mit ihrem Handtäschchen schlenkerte um zu sagen 'I want my money back'. "
    1984 war das, als Großbritanniens damalige Regierungschefin just mit diesen Worten den sogenannten Britenrabatt herausholte. Dieser gewährt dem Land bis heute einen ordentlichen Nachlass auf seine Zahlungen in den Gemeinschaftshaushaushalt. Das sei nur gerecht, weil die Briten weniger als andere von den hohen Agrarsubventionen profitierten, so die Begründung. Mittlerweile ist der Rabatt zwar deutlich angepasst worden, eine gänzliche Streichung der antiquierten Regelung kommt dennoch nicht in Frage.
    "Der britische Rabatt muss verteidigt werden, das ist absolut überlebensnotwendig. Außerdem kann es nicht sein, dass die europäischen Ausgaben steigen und steigen und steigen", erklärte der britische Premier David Cameron noch vor zwei Jahren.
    Doch Geld ist nicht das einzige, worum die Briten fürchten, angesichts ihrer Mitgliedschaft in der EU. 1985 war auch das Jahr, in dem das Schengener Abkommen vereinbart wurde. Also der Vertrag, der Europa in weiten Teilen grenzenloses Reisen bescherte – wieder ohne Großbritannien, das auch hier eigene Wege beschreiten wollte. Same procedure in der Asyl- und Flüchtlingspolitik.
    Cameron: "Innerhalb der EU eine speziellen Status
    Großbritannien klinkt sich aus: Ob nun bei den allgemeinen Regeln europäischer Asylpolitik, oder der aktuellen Diskussion um die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas, immer heißt es: Großbritannien muss nur mitmachen, "wenn das Vereinigte Königreich das auch wirklich will; wenn nicht, ändert sich nichts, dann bleibt alles wie gehabt." So Vizekommissionspräsident Timmermans im Mai dieses Jahres, als es um die Reform des Asylsystems ging. Alle britischen Sonderregelungen waren und sind in den EU-Verträgen festgeschrieben, als sogenannte Opt-out-Klauseln, und damit eben auch ganz legal.
    Deutlich schwieriger gestaltete sich der kürzlich im Zuge der Brexit-Debatte ausgetragene Konflikt um die Freizügigkeit. Eine der sogenannten Grundfreiheiten der EU, die jedem EU-Bürger garantiert, sich dort niederlassen und arbeiten zu können, wo es ihm gefällt. Unantastbar hieß es, lange Zeit. Doch im am Ende eines kräftezehrenden EU-Gipfels im Februar hatte Cameron auch hier ein Brett gebohrt.

    "Ich habe gerade einen Deal vereinbart, der uns innerhalb der EU einen speziellen Status zusichert. Demnach wird Großbritannien für immer außerhalb eines EU-Superstaates bleiben dürfen, unser Sozialsystem wird gegenüber EU-Ausländern geschützt, wir werden niemals dem Euro beitreten und erhalten weitreichenden Schutz für unsere Wirtschaft."
    Der britische Premier David Cameron gibt nach einer Sondersitzung des Kabinetts in der Downing Street bekannt, dass das EU-Referendum am 23. Juni stattfinden soll.
    Der britische Premier Cameron will die Briten am 23. Juni über einen "Brexit" entscheiden lassen. (afp / Niklas Halle'n)