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Briten in Kanada
Hudson's Bay Company - ein „Unternehmen der Abenteurer“

Im Jahr 1670 überschrieb der englische König einer Gruppe britischer Abenteurer rund ein Drittel des heutigen Kanada - dort gründeten sie die Hudson's Bay Company. Das Unternehmen wurde für seine Pelzgeschäfte bekannt. Bis ins 19. Jahrhundert blieb es die einzige staatliche Autorität auf dem Gebiet.

Von Winfried Dolderer | 02.05.2020
    Alter Außenposten der Hudson's Bay Company in Pangnirtung, Baffin island, Nunavut, Kanada
    Alter Außenposten der Hudson's Bay Company in Pangnirtung, Baffin island, Nunavut, Kanada (picture alliance / All Canada Photos / Michelle Valberg)
    Der König gab sich großzügig. Am 2. Mai 1670 fertigte Karl II. eine Urkunde aus, mit der er "Gouverneur und Gesellschaft der Abenteurer aus England, die in der Hudson Bay Handel treiben", wie sie sich nannten, etwa ein Drittel des heutigen Kanada überschrieb. In diesem Gebiet sollten sie die "absoluten Herren und Eigentümer" und allein handelsberechtigt sein. Es war die Geburtsstunde einer Firma, die unter ihrem Traditionsnamen Hudson's Bay Company bis heute im Geschäft ist.
    Die Hudson Bay ist die größte Meeresbucht im Norden Nordamerikas. Europäern war sie seit 1610 bekannt. Doch erst Jahrzehnte später sickerte durch, dass die umgebenden Wälder von Pelztieren wimmelten, insbesondere von Bibern, deren Fell von modebewussten Europäern heiß begehrt war. Die Gründer der neuen Handelsgesellschaft hofften auf satte Profite aus dem Biber-Boom.
    "Am Anfang einer jeden europäischen Kolonie steht eine königliche Urkunde, eine Charter, wie das im Englischen heißt. Mit der werden Herrschaftsrechte und auch Handelsprivilegien an einen Kolonialunternehmer übertragen."
    Pelzhandel mit den Einheimischen
    Der Historiker Volker Depkat forscht und lehrt in Regensburg zur Geschichte Nordamerikas. Mit den Niederlassungen der englischen Pelzhändler an der Hudson Bay begann die britische Präsenz im heutigen Kanada. Weiter südöstlich saßen seit Anfang des 17. Jahrhunderts bereits die Franzosen in ihren Stützpunkten Quebec und Montréal.
    "Von dort aus fahren Trapper und katholische Priester die Flüsse rauf und runter. Die Winter sind lang und eisig kalt, die Sommer sind kurz. Also, in dem, was heute Kanada ist, ist 1670 nicht viel los."
    Das Geschäftsmodell der Hudson's Bay Company bestand darin, von den in der Gegend ansässigen Indianerstämmen Pelze gegen Manufakturgüter europäischer Herkunft einzutauschen. Begehrt waren Decken, Gewehre, Beile, Messer, Kessel und andere Metallwaren, aber auch Schnaps. An den Flussmündungen rund um die Hudson Bay, die für die einheimischen Pelztierjäger leicht zu erreichen waren, entstanden Handelsstützpunkte, jeweils nicht mehr als ein paar Blockhütten. Im Frühjahr brachen Schiffe mit europäischen Waren in England auf, im Herbst kehrten sie mit Pelzen beladen wieder zurück.
    "Die Indianer richten sich dann in dem Maße, in dem sie die Lukrativität des Geschäfts entdecken, auch zunehmend auf den Handel mit den Europäern ein. Die indianischen Gesellschaften werden abhängig von diesen europäischen Fertigwaren, und sie organisieren sich zunehmend als praktisch Pelzlieferanten und richten auch ihre alltäglichen Abläufe danach aus."
    Filiale von Hudson's Bay in Amsterdam
    Die Hudson's Bay Company gibt es heute noch - und sie handelt immer noch mit Kleidung (picture alliance / Hollandse Hoogte / Ingrid de Groot)
    Immerhin bestand ein großer Unterschied zur Praxis der englischen Siedler an der Ostküste der heutigen USA. Deren Geschäftsmodell zielte auf Gewinnmaximierung durch die Bewirtschaftung des Bodens. Dabei standen die Indianer im Wege.
    "Oben im Kanadischen, wo der Pelzhandel stark ist, sind die Indianer als Lieferanten des Rohstoffes Biberpelz und anderer Pelze eben sehr wichtig, weshalb das insgesamt einen sehr viel partnerschaftlicheren Umgang zwischen Europäern und Indianern zur Folge hat, weil die Europäer in ihren Handelsinteressen auf die Indianer als Lieferanten angewiesen sind."
    Einzige staatliche Autorität bis ins 19. Jahrhundert
    In ihren ersten Jahrzehnten hatte die Hudson's Bay Company gelegentlich Mühe, sich in bewaffneten Auseinandersetzungen gegen die Franzosen zu behaupten, bis schließlich im Frieden von Paris 1763 Quebec und Montréal an die britische Krone fielen.
    Mittlerweile hatten sich die "adventurers", die Abenteurer des englischen Pelzhandels, längst nach Westen aufgemacht, erreichten 1793 den Pazifik und dehnten ihre Aktivitäten in die heutigen US-Bundesstaaten Oregon, Washington und Kalifornien aus. In diesem ganzen gewaltigen Raum repräsentierte die Hudson's Bay Company bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die einzige staatliche Autorität.
    "Was eigentlich heute Kanada ist, bis 1867 sind das ja vier oder auch noch mehr unabhängig voneinander existierende Provinzen, die dann 1867 zum Dominion of Canada vereinigt werden und damit überhaupt erst so ne Form von Staatlichkeit entwickeln, die es ermöglicht, nach Westen zu expandieren in die Gebiete, in denen die Hudson's Bay Company schon längst ansässig ist."
    Auf Geheiß des britischen Parlaments trat die Company 1869 ihr riesiges Gebiet an Kanada ab und verlor ihren öffentlich-rechtlichen Charakter. Als Privatunternehmen ließ sie sich den Verzicht mit Immobilien üppig honorieren.