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Brüssel
Obama wird EU-Spitzen treffen

Es ist das erste Mal seit Jahren, dass mit Barack Obama ein amerikanischer Präsident nach Brüssel kommt, um die Spitzen der EU zu treffen. An Themen wird es nicht mangeln: Auch um die schleppend verlaufenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP wird es gehen.

Von Annette Riedel | 26.03.2014
    Hoch zu Pferd übt die belgische Militärkapelle seit Tagen für den Empfang des amerikanischen Präsidenten. Obamas Besuch in Brüssel ist auch ein Staatsbesuch in Belgien. Der Präsident wird am Nachmittag vor geladenen Gästen ein Rede zur Weltpolitik halten. Und er besucht den einzigen Friedhof Belgiens, auf dem amerikanische Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg liegen. Der belgische König Philippe und Premier Di Rupo werden Obama begleiten. Seit dem Eintreffen Obamas, aus Den Haag kommend, gestern Abend, bis zu seinem Abflug heute Abend gleicht Brüssel einer Festung. Teilweise wird der Flugverkehr lahmgelegt, einige Einwohner bekommen gewissermaßen Hausarrest. 1.000 belgische Polizeibeamte sind im Einsatz, zusätzlich Hunderte amerikanische Sicherheitsbeamte.
    Politisch interessant ist ein nur kurzer Teil von wenigen Stunden am Mittag, wenn mit Obama zum ersten Mal nach neun Jahren wieder ein amerikanischer Präsident nach Brüssel kommt, um die Spitzen der EU zu treffen. An Themen wird es nicht mangeln. Eines natürlich: die eher schleppend verlaufenden transatlantischen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen – TTIP im Brüssel-Jargon. Jan Techau vom Brüsseler Think-Tank Carnegie Europe:
    "Es gibt vier Themen: Es gibt die Ukraine. Es gibt TTIP. Es gibt den NATO-Gipfel. Und es gibt NSA. Die Ukraine überschattet das Alles uns TTIP wird sicher an zweiter Position gehandelt werden. Da muss man jetzt schnell neue Energie wieder hineinbringen. Da ist so ein bisschen die Energie verloren gegangen. Die Gegner des Abkommens haben sich sehr stark formiert. Da gibt es auch auf europäischer Seite ein großes Misstrauen gegenüber einigen technischen Frage."
    Daniel Caspary, CDU-Europaabgeordneter mit dem Arbeitsschwerpunkt Internationaler Handel:
    "Es geht ja, wenn er da ist, nicht nur um das Thema Freihandelsabkommen, sondern ich wünsche mir auch klare Positionen und vor allem Aktivitäten von ihm, bei der Frage: Wie gehen wir mit der Geheimdienstarbeit weiter um transatlantisch? Da wurde in den letzten Jahren viel Porzellan zerschlagen. Und wie stellen wir uns aber auch auf, jetzt in Zeiten der Krim-Krise, in einer Zeit, in der wir wirklich drauf achten sollten, dass hier nicht neue Verwerfungen zwischen West und Ost auftreten."
    Ukraine-Krise als Kitt?
    Die Ukraine-Krise könnte sogar als eine Art transatlantischer Kitt funktionieren für das Porzellan, was im Zusammenhang mit der NSA-Affäre und dem massenhaften Ausspähen von Europäern zerschlagen worden ist. So sehen es einige, Jan Techau inklusive.
    "Es ist interessant, wie plötzlich TTIP und andere Fragen im Grunde auf den Rücksitz wechseln und die alte NATO-Frage, die alte Frage von Solidarität im Bündnis, von Glaubwürdigkeit der Abschreckung wieder in den Vordergrund rückt und vielen klar ist, wenn man nicht vereint, zwischen Europa und den USA auftritt, einfach schwach aussieht."
    Besuch im - schwer zu findenden - Büro der liberalen Europa-Abgeordneten Nadja Hirsch im verwinkelten Europaparlament in Straßburg, kurz vor Obamas Brüssel-Besuch.
    "Ich würde es jetzt nicht als ein zerrüttetes Verhältnis oder dergleichen sehen. Da ist schon noch die Hoffnung da, dass man aufeinander zugeht. Da ist auch der Wunsch, meines Erachtens da, von uns Europäern, dass jetzt endlich mal mehr passiert."
    Da würde es aus Sicht der Europäer nicht reichen, dass der US-Präsident wahrmacht, was er laut einem Zeitungsbericht vor hat: nämlich die Überwachungsvollmachten der NSA zumindest in den USA beschneiden. Für den Rest der Welt änderte sich mit diesen geplanten Änderungen nichts.
    Sensibilität der Europäer beim Datenschutz
    Die Geheimdienst-Aktivitäten haben direkt mit dem für beide Seiten, USA und EU, erklärtermaßen wichtigen Freihandelsabkommen selbst eigentlich nichts zu tun, auch nicht mit Datenschutz. Trotzdem spielen die Verhandlungen über substantielle Handelserleichterungen, die auf beiden Seiten des Atlantiks zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung führen sollen vor dem Hintergrund der NSA-Affäre und einer verbreitet großen Sensibilität der Europäer beim Thema Datenschutz.
    "Ich glaube tatsächlich, dass TTIP, also das Handelsabkommen, jetzt der Hebel oder der Türöffner sein kann, um diesen Dialog jetzt wirklich auf's Gleis zu setzen und das Thema Datenschutz, das uns einfach besonders wichtig ist, mal mit einer gewissen Intensität zu betreiben. Denn bisher war es so, dass gar nicht die Notwendigkeit gesehen wurde in den USA, sich großartig damit auseinanderzusetzen."
    "Hinsichtlich des NSA-Komplexes - da gibt es ein großes Misstrauen. Alles, was mit Daten zu tun hat und der Terrorismusbekämpfung im Allgemeinen und was dafür in den USA an Daten angesammelt wird - da ist großes Misstrauen."
    Sieht auch Hirschs CDU-Kollege im EU-Parlament, Axel Voss. Viel Zeit wird der US-Präsident heute nicht haben, neues Vertrauen zwischen den Partnern aufzubauen. Sein Besuch bei der EU dauert keine drei Stunden. Aber man sieht sich ja vielleicht schon in Kürze in Brüssel wieder, wenn sich im Juni die G7-Staaten ohne Russland in Brüssel treffen wollen.