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Bundeshaushalt für Arbeit und Soziales
Zwischen Debatten und hohen Rücklagen

Der größte Etat im Bundeshaushalt ist der für Arbeit und Soziales. Der Bundestag hat jetzt darüber debattiert. Alle Parteien warnen vor einer Rezession mit negativen Folgen für den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme. Es herrscht jedoch Streit darüber, wie der Staat darauf reagieren soll.

Von Volker Finthammer | 13.09.2019
Menschen stehen am Dienstag (01.02.2011) Schlange im "Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen - das jobcenter" in Gelsenkirchen.
Gut möglich, dass die Schlangen auf den Arbeitsämtern länger werden - die Angst vor einer Rezession geht um. (dpa / Julian Stratenschulte)
Auch wenn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit über 149 Milliarden Euro den größten Etat im Bundeshaushalt verwaltet, heißt das noch lange nicht, dass er dadurch auch den größten politischen Spielraum hätte. Denn allein die Ausgaben für die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung belaufen sich auf knapp 110 Milliarden Euro, und die Zuschüsse dürften in den kommenden Jahren noch weiter steigen.
Um so deutlicher verwies Hubertus Heil heute auf die gute Arbeitsmarktlage. Die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen zehn Jahren erheblich reduziert worden. Es gibt 5,5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr als damals und eine Million Menschen weniger, die auf die staatliche Grundsicherung angewiesen sind.
Koalition muss sich auf Grundrente einigen
Jetzt müsse es darum gehen, sich auf die zu konzentrieren, an denen der Aufschwung vorbeigegangenen sei, weil sie im Niedriglohnsektor arbeiten und sich auch kaum Hoffnung auf eine angemessene Rente machen können. Arbeit müsse da den Unterschied begründen, nicht nur bei den Löhnen etwa in der Pflege, sondern auch bei den Paketdiensten, wo Heil in der kommenden Woche die Nachunternehmerhaftung ins Kabinett einbringen will, und einmal mehr warb der Sozialminister auch für sein Konzept der Grundrente.
"Ich bin zuversichtlich, dass das in dieser Koalition gelingt, wir stehen in der Pflicht wir werden uns einigen müssen, aber es muss am Ende eine Grundrente stehen, die den Namen auch verdient."
Von Chancen und Schutz im Zeichen des Wandels spricht der Arbeitsminister, von einem drohenden Sturm der arbeitsmarktpolitische Sprecher der AfD, Uwe Witt. Vor allem die Klimapolitik des Bundes würde einen massiven Stellenabbau in allen Bereichen der Wirtschaft hervorrufen.
"Da ist eine Rezession im Anmarsch, und Herr Heil macht Sandkastenspiele mit dem Versuch eines sozialen Arbeitsmarktes, obwohl nachweislich alle vorherigen Versuche gescheitert sind."
Arbeitsmarkt für Krise wappnen
Auch der FDP-Politiker Johanns Vogel kritisierte die unzureichenden Schritte in der Arbeitsmarktpolitik, um für eine absehbare Krise gewappnet zu sein. Die angekündigte Ausweitung der Kurzarbeiterregelung sei richtig und angemessen, aber gleichzeitig plane die Bundesregierung das Teilzeit- und Befristungsgesetz zu verschärfen.
"Also ausgerechnet wenn der Arbeitsmarkt sich eintrübt, die Einstiegschancen für Menschen zu verschlechtern, die Flexibilität des Arbeitsmarktes zu reduzieren. Das passt nicht zusammen."
Auf die durch jüngste Studien belegte steigende Altersarmut in Deutschland verwies die Linke-Abgeordnete Gesine Lötzsch. Die Regierung habe über Jahre hinweg den Ausbau des Niedriglohnsektors in Deutschland gefördert und politische Folgeprobleme befördert.
Ostdeutsche tatsächlich abgehängt
"In Ostdeutschland arbeitet jeder Dritte zum Niedriglohn, damit ist die Altersarmutswelle vorprogrammiert. Und die Zahlen machen deutlich, dass die Ostdeutschen nicht nur das Gefühl haben, von der Bundesregierung abgehängt zu sein, sondern sie sind tatsächlich abgehängt".
30 Jahre nach der Maueröffnung müssten die Unterschiede endlich ausgeglichen werden, fordert Lötzsch. Auch die Grüne Ekin Deligöz beklagte eine ungenügende Planung in der Rentenpolitik und sprach von einem PR-Gag.
"Sie wissen doch jetzt schon, dass die Demografie-Reserve viel zu niedrig ist, Sie wissen doch jetzt schon, dass Sie viel mehr tun müssen, um die Beitragshöhe zu stabilisieren. Und dann haben Sie so gar keine Idee, wie Sie eigentlich die Mütterrente finanzieren werden."
Und selbst bei der Grundrente gebe es nur Absichtserklärungen und noch kein verlässliches Konzept. Der CDU-Politiker Peter Weiß verwies dagegen auf die enormen Rücklagen bei der Renten- und der Arbeitslosenversicherung von 40 respektive 25 Milliarden Euro.
"Mit diesen hohen Rücklagen vor allem der Bundesagentur für Arbeit sind wir für die Bekämpfung etwaiger Krisen besser gerüstet als je zuvor. Das ist die Sicherheit die unsere Bürgerinnen und Bürger haben."
Weiß sprach auch von einer zielgerichteten Grundrente, die in jedem Fall umgesetzt werden sollte, ohne jedoch die Details für einen möglichen Kompromiss zu nennen.