In der Bundesregierung gibt es vor dem Hintergrund der Aufstellung des Bundeshaushalts 2024 einen Verteilungsstreit über die zukünftigen Staatsausgaben. Da die Verteidigungsausgaben durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine weiter ansteigen werden, steht für zivile Aufgaben weniger Geld zur Verfügung. Zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes als Zielvorgabe für die Verteidigungsausgaben werden kaum ausreichen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will 2024 für die Ausstattung der Bundeswehr zehn Milliarden Euro mehr haben und wird darin von Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützt.
Pistorius argumentiert Medienberichten zufolge, dass ohne eine Aufstockung des Verteidigungsetats auf rund 60 Milliarden Euro im kommenden Jahr und auch in den Folgejahren die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprochene Modernisierung der Bundeswehr nicht umsetzbar sei. Mehr Geld wird demnach etwa für das Auffüllen der weitgehend leeren Munitionsdepots gebraucht - dafür sei in dem mit 100 Milliarden Euro ausgestatteten Sondervermögen für die Streitkräfte kaum Geld vorgesehen. Außerdem müssten zu erwartende Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst berücksichtigt werden.
Briefwechsel der Minister
Klar ist dadurch, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) an anderer Stelle sparen muss. Die Sorge, grüne Zukunftsprojekte - wie die Einführung einer Kindergrundsicherung und Maßnahmen zum Klimaschutz - könnten dabei zu kurz kommen, bewegten Wirtschaftsminister Robert Habeck deshalb zu einem Schreiben an Lindner.
In dem der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Brief heißt es: "Wir bitten Sie, keine weiteren öffentlichen oder internen Vorfestlegungen zu treffen, die einseitig weitere Ausgaben priorisieren."
Die Regeln zur Einhaltung der Schuldenbremse seien vereinbart und würden von grüner Seite nicht in Frage gestellt, schrieb Habeck demnach. Es seien aber alle aufgefordert, neue und alternative Wege zu finden, um vereinbarte politische Projekte möglich zu machen. Da dafür noch keine Vorschläge auf dem Tisch lägen, könne man die Eckwerte für den Haushalt 2024 so auch nicht akzeptieren.
Habeck schlug Lindner vor, über den Abbau umweltschädlicher Subventionen und die Verbesserung der Einnahmen zu beraten. Gemeint sind damit unter anderem die Abschaffung der Pendlerpauschale und Steuererhöhungen.
Der Briefwechsel der beiden Minister sorgte nicht nur wegen dessen Inhalt für einiges Medieninteresse. Eigentlich duzen sich die beiden Minister und sitzen auf der Regierungsbank nebeneinander. Im Brief sprach Habeck seinen Koalitionspartner Lindner aber nun mit einem distanzierten "Sehr geehrter Kollege" an.
"Mutig in die Schlacht"
"Es geht darum, einen intern nicht lösbaren Streit auf die offene Bühne zu ziehen und der eigenen Partei, den Wählerinnen und Wählern, ja, der Nachwelt aktenkundig zu dokumentieren, dass man sich mutig in die Schlacht geworfen hat", deutete die "Süddeutsche Zeitung" die ungewöhnlichen Umgangsformen in der Koalition.
Lindner wies die grünen Forderungen zurück - ebenfalls per Brief. Dieser liegt ebenfalls verschiedenen Medien vor. Er wundere sich, dass die grünen Ministerien die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2024 offensichtlich nicht mehr akzeptierten, so der Finanzminister. Dabei seien diese doch vom Bundeskabinett im März 2022 bereits beschlossen worden - ebenso wie der Finanzplan bis 2026.
Daran fühle sich das Finanzministerium gebunden, betonte der FDP-Politiker. Er warnte davor, dass der Wunsch, keine Priorisierung vorzunehmen, nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die "Bildungsmilliarde" treffen würde, die zur Unterstützung der Schulen gedacht sei.
Hintergrund zum Bundeshaushalt:
Am 15. März will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2024 im Kabinett vorlegen. Es gehört zu seinen zentralen Aufgaben, jährlich den Entwurf für den Bundeshaushalt des kommenden Jahres sowie den Finanzplan für die darauffolgenden drei Jahre aufzustellen. Basis dafür sind die erwarteten Einnahmen und die Ausgaben des Bundes, die sich nach den politischen Schwerpunkten der Bundesregierung richten. Wenn die Einnahmen nicht ausreichen, um die geplanten Ausgaben zu finanzieren, muss der Bund neue Schulden machen. Die Aufnahme von neuen Krediten wird vom Grundgesetz allerdings begrenzt. In der Haushaltsabteilung des Finanzministeriums fließen alle Informationen zusammen, die für Haushaltsentwurf und Finanzplan wichtig sind.
Am 15. März will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2024 im Kabinett vorlegen. Es gehört zu seinen zentralen Aufgaben, jährlich den Entwurf für den Bundeshaushalt des kommenden Jahres sowie den Finanzplan für die darauffolgenden drei Jahre aufzustellen. Basis dafür sind die erwarteten Einnahmen und die Ausgaben des Bundes, die sich nach den politischen Schwerpunkten der Bundesregierung richten. Wenn die Einnahmen nicht ausreichen, um die geplanten Ausgaben zu finanzieren, muss der Bund neue Schulden machen. Die Aufnahme von neuen Krediten wird vom Grundgesetz allerdings begrenzt. In der Haushaltsabteilung des Finanzministeriums fließen alle Informationen zusammen, die für Haushaltsentwurf und Finanzplan wichtig sind.
Es sei normal, dass Minister der Koalition über die Eckwerte des Bundeshalts diskutierten, meint der haushaltpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Sven-Christian Kindler. Das sei auch zuzeiten der Großen Koalition so gewesen.
"Da geht es um in Zahlen gegossene Politik", so Kindler: "um große Fragen, aber auch unterschiedliche Interessen". Er gehe davon aus, dass es am Ende eine gute Grundlage für den Haushalt geben werde und im Parlament alles in geordneten Bahnen verlaufe.
Der Streit in der Ampelkoalition ist nicht neu. Doch nach der Berliner Wiederholungswahl steht vor allem die FDP noch stärker unter Druck, ihr liberales Profil zu schärfen. Sie hatte in der Bundeshauptstadt mit nur 4,6 Prozent der Stimmen den Wiedereinzug in das Abgeordnetenhaus verpasst. Es war die fünfte Wahlniederlage in Folge für die Liberalen.
Zu den wichtigsten Projekten der FDP gehört die im Koalitionsvertrag durchgesetzte sogenannten Aktienrente als neuer Pfeiler der Altersversorgung. Finanzminister Lindner will die Altersvorsorge über den Kapitalmarkt absichern. Dazu soll ein Fonds eingerichtet werden, den der Bund mit Grundkapital füllt.
Eine öffentlich-rechtliche Stiftung soll das Geld verwalten und vor allem gewinnbringend anlegen – unter anderem in Aktien. Die Renditen würden der gesetzlichen Rentenversicherung zufließen; mögliche Verluste gleicht der Bund aus.
Kapitalstock in dreistelliger Milliardenhöhe
Laut den Plänen Lindners sollen in einer „Ansparphase“ 15 Jahre lang mindestens zehn Milliarden Euro jährlich in den Rentenfonds eingezahlt werden, um einen Kapitalstock in dreistelliger Milliardenhöhe aufzubauen. Erst danach, ab 2037, soll die Rendite des Fonds ins Rentensystem fließen.
Abschließend geklärt ist dies in der Koalition indes noch nicht. Offen ist unter anderem, woher die jährlich zehn Milliarden Euro für den Kapitalaufbau kommen sollen und ob der Staatshaushalt dafür in Anspruch genommen wird.
Quellen: dpa, Deutschlandfunk, AKB, gem, BMF